Titania
Titanias Blog
vor 10 Jahren - 08.02.2014
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Ich hab recht und du bist schuld

Das Gut-für-alle-Gen habe ich es irgendwann einmal genannt. Nur so für mich, im Stillen. Denn sobald man etwas laut sagt, kommt Kai aus der Kiste, der Kasper mit der Klatsche, der Knüppel aus dem Sack - vielleicht in Gestalt eines Freundes oder einer Kollegin (oder: meiner Mutter), nicht selten mit einem Nachschlagewerk in der Hand oder auf dem Schirm. Und. Weiß. Es. Besser.

Scherzfrage: Wenn ein Mann allein im Wald ist und etwas sagt, ohne dass eine Frau in der Nähe ist - hat er dann trotzdem Unrecht?

Die Antwort kennt jede(r), im Ernst.

Wir haben es uns angewöhnt, das Ich mit sehr großen Buchstaben zu schreiben, so raumgreifend, dass nichts daneben Platz findet, kein Du, kein Wir, vielleicht mal eben noch ein schnelles Ja-genau aus dem Off. Dieses Ich weiß, was es meint, weil es das glaubt. Was alles andere ist als eine (eine) Wahrheit und doch den Raum vollständig ausfüllt, so dass Du und Wir auf andere, eigene Räume ausweichen. Kein Problem, so scheint es, unser Space geht ja gegen unendlich.

Das weiße Rauschen. Verschwindet, sobald jemand einen, seinen Sender trennscharf einstellt. Alles andere geht darin unter. Oder auf. Ist das schlecht? Ist das gut? Ist das gut für alle?

Der unscharfe Blick. Etwas wahrnehmen, ohne sofort zu zucken. Präsent, wach, klug sein, ohne gleich deutlich zu werden. Als Spiel mit parallelen Ebenen hat es Ralle in seinem Blog beschrieben (und: Bitte lächeln!). "Witnessing" nennt man es auf gut esoterisch. Man lässt den Raum geöffnet, innen wie aussen.

Warum?

Warum nicht?

Weil es nichts bringt.

Woher weißt du das?

Etwas entsteht, auch wenn wir vorher nicht wissen, was oder was genau. Bedeutung - auch die von Sprache, von Begriffen (sogar jenen mit N- oder F- vornedran) - entsteht genau so, in einem Kontext, der sich verändern kann und die Bedeutung sich mit ihm. Oder umgekehrt. Oder und.

Sprache ist kein statisches Gebilde. Sie ist lebendig, wie das Leben.

Dieser Wein da, ist der gut? (Sisyphos-Pic(k))

Dieser Duft da, ist der schön?

Frisch oder herb?

Süß oder weich?

Streng oder hart?

Ja, genau.

Parfums sind fabelhafte Lehrer. Vorbilder für jene Unschärfe, die es für ein echtes Verständnis braucht. Sie schaffen Räume, Ordnungen, Raumordnungen für das Flüchtige, Wandelbare, Lebendige.

Wenn wir zuhören.

Lauschen.

Länger.

Und noch ein bisschen mehr.

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