Titania
Titanias Blog
vor 9 Jahren - 11.11.2014
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WhatYouSayIsWhatYouGet

Geboren bin ich im Süden des Nordens, aufgewachsen ebenfalls, dann habe ich lange in Hamburg gelebt, gemeinsam mit einem Mann aus Bremerhaven. Ich fühle mich 1A original nordlichtern, rauhbeiniger Humor inklusive. Manchmal lache ich sogar über Blondinenwitze. Beispiel gefällig? Seufz, ok:

Was macht eine Blondine morgens mit ihrem Arsch?

Sie schmiert ihm zwei Brote und schickt ihn zur Arbeit.

Oh, und ich bin blond, zumindest gewesen.

Und weil das so ist, weil mein blondes Haar grauer wird, weil ich aufgewachsen bin und gelebt habe, kann ich mir fast alles vorstellen, so manches nachvollziehen, einiges durchaus verstehen und all das viele andere zumindest akzeptieren oder tolerieren. Falls nicht, versuche ich es. Wieder und wieder.

Toleranz. Im Zusammenhang mit Parfums, mit persönlichen Vorlieben und Abneigungen, finde ich das puppenleicht. Solange allerdings nur, bis jemand mich, nennen wir es mal - vollwummsert. Bis jemand zu viel von irgendetwas verströmt, damit auf mich einströmt und meine Komfortzone flutet. Mich zur Zustimmung zwangsverpflichtet. Ganz ähnlich, wie es mir auch mit Musik ergeht. Meine Nachbarn haben beispielsweise einen Musikgeschmack, den ich persönlich lausig finde. Und ich verliere ernstlich die Fassung, wenn sie das besonders Schlechte auch noch besonders aufdrehen. Wenn die wumm(s)ernden Bässe sich bis in mein theoretisch trautes Heim durchboxen.

Kommt heute trotzdem selten vor, ganzganz anders als früher, dass ich daraufhin Laut gebe und selbst laut werde. Ich frag mich immer, ob es sich lohnt: sich aufzuregen, sich anzumotzen, sich schlecht zu benehmen und mies zu fühlen, höchstselbst und miteinander. Doch manchmal lautet die Antwort darauf: Ja. Dann wird aus meiner Rauhbeinigkeit Ernst. Das macht dann Sinn, für mich, sogar dann, wenn es seinen Zweck nicht erfüllen sollte. Denn der gesunde Menschenverstand, das allgemein Übliche und die Aussage, dass man über alles vernünftig reden könne - all dies sind Ansagen, Annahmen, die sich an jeder noch so kleinen Ausnahme messen lassen müssen. Und dann nicht selten daran scheitern. Vernunftbegabte, argumentationsfreudige Menschen mögen noch so wortreich für ihre eigene Grundhaltung als die einzig objektiv richtige sprechen. Wer intensiv zum Fühlen neigt - weil er, sie, es nicht anders kann - kennt indessen auch den Teil der Geschichte, der sich nicht erzählen lässt.

Ist also Geschmack reine Geschmackssache?

Ist Humor eine Frage des Humors?

Sind Namen nur Schall und Rauch?

Wer entscheidet dann, was lustig ist und wann damit Schluss ist bzw. sein soll?

Jeder allein für sich? Oder Peter Hahne für alle?

Mittlerweile lebe ich wieder im Süden des Nordens. Und der Mann aus Bremerhaven ist nicht mehr mein Mann; heute weiß ich, dass er es nie war, weil ein anderer - das Wesentliche eines Wesens, seine Lebendigkeit - uns niemals gehören kann. Wir können es nicht haben, halten und darüber verfügen, auch dann nicht, wenn wir nicht nur Komfortzonen, sondern sogar das Unerzählbare teilen. Als ich diesen Mann nun auf einer Feier als meinen ehemaligen Mann vorstellte und er daraufhin bestürzte Blick erntete, sagte und meinte er: "Es gibt wesentlich Schlimmeres, was man über einen Menschen sagen kann."

Dafür muss man den Menschen nicht unbedingt einen Arsch zeihen, womöglich genügt da das Mausebär-Mantra (wahlweise irgendein anderes Tierchen fürs Pläsierchen). Man muss den Stier nicht einen Ochsen nennen, um das Tier im Tier zu kastrieren. Vielleicht setzen wir dem Instinktiven einfach eine Kasperlmütze auf oder tragen das Animalische als Trophäe und/oder Maskierung vor sich her. Dabei könnte man durchaus auch ein molliges Katerchen solange Panther rufen, bis es rennen kann wie der Wind, wild und frei. Auch so herum könnte das funktionieren. Aber vielleicht soll es das nicht und ist aus diesem guten Grund nicht üblich.

Das Schlimmere tut oft nur so und will bloß spielen, es gibt sich gern witzig, putzig oder geschmackssachlich. Und glaubt dabei doch oft, oft im Stillen, im Besitz einer, der einen Wahrheit zu sein. Fraglich bleibt, ob es auch so ist. Ich habe keine Antwort darauf, und wenn es überhaupt eine gibt, dann mehr als eine. Aber als Frage, in Frage möchte ich es stellen. Ja. Ganz im Ernst. Denn wir machen hier, vor allem, Worte. Und wir stellen sie nicht nur in den Raum, wir erschaffen und gestalten diesen dadurch. Nicht nur dann, wenn wir etwas, jemanden damit bezeichnen, ziehen wir Wachstumsgrenzen um Komfortzonen. Und wenn man sich (zu)traut, ein Kind beim Namen zu nennen, dann sollte man auch Butter bei die Fische tun. Genug davon, dass das Kind groß und stark werden kann. Wachsen. Erwachsen werden. Und auch: entwachsen - blühen und gedeihen auch jenseits unseres Gartenzauns.

"Weil die Wahrheit dessen, was man redet, das ist, was man tut, kann man das Reden auch lassen." Eines meiner Lieblingszitate, von Bernhard Schlink. Es steckt viel Wahrheit in diesem Satz und doch ist er nicht wahr. Meist sind es Worte, die den Raum für das Tun begründen, diesen eröffnen und beschließen. Doch bewegen - denken, fühlen, handeln - müssen wir uns selbst. Darin. Und dann immer einen nächsten Schritt über alles Begrenzende hinaus.

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