Fleur de Tilleul

loewenherz
03.05.2017 - 15:24 Uhr
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Top Rezension
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Flakon
3
Sillage
4
Haltbarkeit
7
Duft

Graugrüner Juniregen und Klaviergedonner

Im Juni gibt es manchmal - viel zu häufig, mögen manche jetzt vielleicht sagen - ein paar Tage mit sogenanntem 'schlechtem Wetter'. Ist es Anfang des Monats schon mal frühsommerlich warm gewesen, kühlt es wieder spürbar ab - und oft regnet es auch mehrere Tage hintereinander. Diese Tage werden auch 'Schafskälte' genannt.

Ich mag diese Zeit. Es liegt eine ganz eigene Schönheit in ihrer graugrünen Verhülltheit und fast melancholischen Einkehr und Stille. Und ich finde es wunderbar, dem warmen Regen nachmittags bei offenen Fenstern zuzusehen und dazu Klaviermusik zu hören - die ganz eigene Stimmung dieser Tage gibt es nur in diesen Juniwochen.

Diese ganz besondere Stimmung - die Mischung aus ernster Einkehr und stiller Heiterkeit und dazu das unverwechselbare Aroma der Lindenblüten - fand ich in Anganas Fleur de Tilleul wieder, einem - zu Unrecht - weithin unbekannten Duft. Angana ist ein Hersteller von Naturkosmetik - es gibt die Sachen zur Offline-Begutachtung unter anderem bei Grüne Erde (wo ich ab und zu ganz gerne durchlaufe und doch fast nie etwas einkaufe). Die Erwartung an Naturkosmetikdüfte ist ja zumeist 'dezent' und 'unauffällig' - und ja, das kann man schon auch von Fleur de Tilleul behaupten. Und doch bin ich nach dem Erstversuch auf dem Papierstreifen noch mal zurückgegangen, um ihn ein paar Stunden lang auf der Haut zu tragen - und es liegt viel ruhige Poesie in diesem gedeckt sanftgrünen Lindenblütenduft. Als säße man an einem Nachmittag mit einem Becher Kräutertee am offenen Fenster und sähe gleichsam ins Nirgendwo wie auch dem Regen zu - während aus der Tiefe des Zimmers heraus Rachmaninows Klaviergedonner durch das Fenster in die feuchte Luft nach draußen brandet.

Fazit: an unerwarteter Stelle stille Poesie. Auch für den vielleicht misstrauischen Parfumaficionado eine wohlwollend-unvoreingenommene Nase wert.
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