Fumoir des Anges 2022

Trollo
15.01.2022 - 03:45 Uhr
29
Top Rezension
10
Preis
10
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft

Das Spiel mit Licht und Schatten

Am Ende des Jahres 2021 kündigte Annette Neuffer nach längerer Zeit einen neuen, jedoch stark limitierten Duft an. Derzeit sind viele der Rohstoffe immer knapper und schwerer zu bekommen und so gibt es derzeit von diesem Batch nur 5 Flakons. Die Flakons sind außergewöhnlich, massiv, eckig, aber dennoch Handschmeichler und gewohnt liebevoll gestaltet.
Beim Blick auf die Inhaltsstoffe kommen Erinnerungen an gute alte Bekannte auf – der alkoholische Auftakt erinnert in der Duftpyramide an Havana Plum, Boronia benutzte Annette in Chyprette und Havana Plum, die Basis ähnelt der von Ambar, aber mit Ergänzungen, die an Mellis, Stardust, Narcissus Orientalis und einige andere ihrer eher orientalischeren Düfte denken lässt. Tatsächlich: Wer Annettes „Handschrift“ kennt, wird sie auch in Fumoir des Anges wiedererkennen.

Zitrische Elemente in Verbindung mit alkoholischen Noten und ein wenig Angelika lassen den Duft würzig, frisch und alkoholisch starten, doch das blumige Herz offenbart sich sehr schnell: Noch in alkoholischer Grundstimmung erblüht die Boronia im Blütenmeer auch anderer Blumen zu voller Pracht, Honig und viel Karamell versüßen den Duft deutlich wahrnehmbar. Frangipani und Ylang-Ylang geben ihre Blütensüße dazu. Interessanterweise nehme ich zunächst Iris und Rose kaum wahr, aber möglicherweise liegt dies daran, dass Annettes Boronia so herrlich präsent bleibt. Nach mehrmaligem Tragen ist die Iriswurzel wie in Chocolat Iriśe nun doch sehr gut erkennbar. Eine sehr leichte würzige Rauchigkeit erscheint kurz durch den Weihrauch, doch bleibt in der Herznote die süße Blumigkeit dominant. Dann drängt Vanille aus der Basis nach oben und die Herznote weicht allmählich den Noten der Basis. Karamell ist zunächst noch äußerst präsent, auch der Honig, aber das Bienenwachs ergänzt beide Noten zu warmem Leuchten. Im Laufe der Zeit verblasst das Karamell, später auch der Honig, doch Annettes Signatur, der Bienenwachs, bleibt bis zum Schluss spürbar. Auch die Blüten hängen weiterhin in der Luft. Oud wird immer spürbarer, aber wie typisch für Annettes Düfte, nicht dunkel-animalisch, sondern eher wie altes, dunkles, leicht rauchiges Holz. Kakao dunkelt die Basis etwas ein, dazu nehme ich leicht Patchouli wahr, aber sehr zurückgenommen. Eine minimale Harzigkeit, vermutlich durch das Labdanum, und zwischendurch ein Hauch von hauchfeiner salziger Animalik – spüre ich da Ambergris? – kommen hinzu. Vanille nimmt in den folgenden Stunden an Intensität zu, ohne dass die Basis dabei süß oder gar klebrig werden würde. Der Duft verbleibt holzig-blumig-süß-würzig auf der Haut. Fumoir des Anges hat wie fast alle ihrer Düfte eine sehr gute Haltbarkeit, die Silage ist gut auf Distanz wahrnehmbar, aber nicht raumfüllend.

Parallel zu Ambar getragen, zeigt sich seine deutliche Verwandtschaft mit Fumoir des Anges, doch Ambar ist rauchiger, enthält kaum Süße und keine Blumen und ist erheblich dunkler und intensiver als Fumoir des Anges, bei dem der Tabak etwas zurückgenommen ist und dessen dunkle Basis zudem noch durch das Wachs gedimmt und durch Vanille aufgehellt wird. Fumoir des Anges ist weicher, wärmer, sanfter als Ambar, eher die „kleine süße Schwester“. Beide Düfte sind unisex, doch während Ambar eher auf der maskulinen Seite der Unisex-Düfte angesiedelt ist, findet man Fumoir des Anges eher auf der femininen Seite.

Fumoir des Anges – „Räucherei der Engel“ – ist ein Duft, der gekonnt Hell und Dunkel miteinander kombiniert. Er bedient sich laut Annette eines klassischens Elementes der Malerei, des Chiaroscuro: Dieses Stilelement der griechischen Antike wurde mit der „Wiedergeburt“ der Antike in der Renaissance bis in den Barock hinein gern verwendet, um mit der Darstellung von Licht und Schatten in Bildern zentralen Elementen Tiefe zu verleihen, wobei nicht nur räumliche Tiefe erzielt wurde, sondern auch die zentrale Aussage des Bildes gezielt durch Hell-Dunkel-Effekte betont und herausgearbeitet werden konnte.

Ambar wurde sehr passend von Can777 in seiner Rezension als 'schwarzer Diamant' bezeichnet, als 'tiefster Abyss in Annettes Kollektion', als 'sinnliche Schönheit aus Finsternis'. Ambar leuchtet in der "Räucherei der Engel" im Hintergrund. Die dunkle Räucherei, die tiefe, wundervoll warme Basis, die besonderes Kennzeichen Ambars ist, kontrastiert in besonderer Weise die zarte, aber süße Blumigkeit, das Engelhafte des Duftes. Vergleichbar zur Renaissance als Rückgriff auf die klassische Antike, gibt Annette Neuffer zu ihrem 15. Jubiläum seit der Kreation ihres ersten Duftes einen Duft heraus, der Elemente ihrer klassischen Düfte wieder aufgreift und in der gekonnten Kombination mit der ihr eigenen Fähigkeit zur Entwicklung einzigartigen Parfumeursstils ein ganz besonderes Kunstwerk entstehen lässt.
12 Antworten