AtTheScenter
22.03.2024 - 19:08 Uhr
3
6
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

...zuweilen entfacht die glut erneut...

mitte der neunziger, als 16jähriger im orientshop,
ein kleiner versteckter laden in meiner heimatstadt.
berieselt von ätherischen klängen im esoterisch anmutenden interieur.
zwischen gebatikten schlaghosen, fischerhemden aus indischem linnen,
handgeschnitzten, mit orientalischen arabesken verzierten holzschatullen,
tönernen okarinas und mit naturhaut bespannten darbukas,
handgeknüpften hippiketten, bestehend aus bunten steinen, auf ein lederband aufgezogen
und über allem lag der duft der nag champa räucherstäbachen,
die in der blau-weißen schachtel mit der roten aufschrift.
nag champa, inbegriff spiritueller aura und meditativen ambientes
und zugleich alibi-geruch, um die anderen harzigen düfte in meinem kinderzimmer
vor meinen eltern zu verbergen.
oh wie ich lebte, unsterblich in meiner jugend, als die tage noch mächtig waren
und die endlosen stunden vor einem lagen,
als jede minute noch voll des lebens war und ihre arme öffnete, um sich
in deren umarmung zu stürzen.
ich erinnere mich
an psychedelische klänge unter kristallinem himmel,
die nächte einer unstillbaren suche unterworfen,
der trieb bis an jedes ende gehen zu wollen,
ein hunger nach wissen und poesie, der sich nie sättigte,
sondern mit jedem neu entdeckten bissen nur noch begieriger wurde.
schlafwandelnd zwischen büchern, poesie, philosophie,
zwischen rausch und meditation, ekstatischer schamanen-trommel, gitarre und klavier.
durchwachte nächte, um den momenten der erkenntnis aufzulauern,
im kampf gegen den schlaf, weil er bewusste lebenszeit raubte.
und was ist es heute?
dem die zeit vergessenden und von der zeit vergessenen kaum mehr als ein duft,
doch dem immer noch suchenden der geist einer erinnerung
an einen alles verschlingenden hunger
und die frage, was ihn über die jahre stillte -
oder vergas' man mit den jahren nur den appetit?
gewöhnt an den lauf der tage, gewöhnt an den hunger
und die auszehrung als sättigung verstanden ?

doch dann findet man hin und wieder, unter dem dahinrieselnden sand der zeit,
ein stück glut aus alten zeiten, die der sand bedeckte und hütete,
man greift nach der glut des vergangenen
und mit dem atem der erinnerung entfacht man sie zu neuer flamme.

delhi ist für mich emotionale reminiszenz an die zeiten meiner frühen jugend, die ich
olfaktorisch gar nicht zu sehr sezieren mag.
im mittelpunkt steht das nag champa der damaligen räucherstäbchen, dessen eindruck
ich zugunsten der nostalgie auch gar nicht anders interpretieren mag.
alle anderen noten aus der pyramide sind wahrnehmbar, sie umgarnen
und unterstützen die hauptnote.
doch das hat floyd bereits in seiner wundervollen rezension perfekt beschrieben
und mir bleibt nichts weiter hinzuzufügen :)
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