28.07.2018 - 14:22 Uhr
FvSpee
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FvSpee
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16
Memories extra dry
In der ersten Hälfte der 90-er Jahre hielt ich mich ziemlich oft in Prag auf, unter anderem auch einmal für mehrere Wochen im Rahmen meiner Ausbildung. Damals war ich zwar noch nicht übermäßig an Düften interessiert, wohl aber bereits daran, mir neue Umgebungen auch anhand von Alltagsprodukten zu erschließen, und so war es mir selbstverständlich, mir ein Rasierwasser nicht mitzubringen, sondern vor Ort zu kaufen. Natürlich suchte ich nicht nach den internationalen Marken, die ich auch von zuhause kannte, sondern suchte nach etwas spezifisch Tschechischem. So kam ich seinerzeit an einen weißen, noch ziemlich "ostig" aussehenden Flakon mit einer milchigen After-Shave-Lotion namens "Diplomat" (da alle tschechischen Wörter auf der ersten Silbe betont werden, auf einem knallig-kurzen "DIPP" am Anfang betont auszusprechen, so wie meine Oma "ZITTT-ronat" in den Stollen zu rühren pflegte), die es mir irgendwie angetan hatte. Nicht, dass ich mich im Duftparadies gewähnt ich fremdelte sogar ein bisschen mit dem etwas ungewohnten Duft, aber irgendwie gefiel er mir. Und zwar anscheinend so, dass ich ihn in den folgenden etwa 25 Jahren nie ganz vergessen hatte und mich wie ein Schneekönig freute, als ich ihn kürzlich - vor Ort in Tschechien - wiederfand (wie, das habe ich in meinem Blog "Aus Böhmens Hain und Flur" beschrieben).
Inzwischen von der milchigweißen Lotion zum klaren Rasierwasser mutiert und im Design entscheidend geändert, präsentiert sich der Duft - nach meiner Meinung, wer weiß schon, ob mich meine Erinnerung da trügt - ganz unverändert. Deckel ab, dran gerochen, und schon sind die ganzen Erinnerungen ans (alte) Café Slavia und an die Burgwache in den (damals neuen) Uniformen des von Václav Havel beauftragten Oscarpreisträger-Kostümbildners Theodor Pistek wieder da (Wenn ich mal als seniler Mümmelgreis im Heim dahinvegetieren werde und man mir die Pulle vor die Nase hält, bin ich gespannt, welche Erinnerung dann aufscheint, die an 1993 oder an 2018!).
Diplomat (heute Diplomat Classic, denn sogar an dieser im Weltmaßstab gesehen Provinzmarke ist die Flankerei nicht spurlos vorbeigegangen) ist ein grundehrlicher, sehr straighter Duft. Schlicht, einfach, klar, blitzsauber, sehr männlich. Die Mitte des Duftes bildet sehr trockenes Holz, das durch ein Set von kräftigen Gewürzen (die aber nicht weihnachtlich und noch weniger grünfrisch-kräuterig daherkommen) lebendiger gemacht wird. Das Umkippen der Trockenheit ins Staubige oder Stechende wird durch eine ordentliche Schippe Zitrusnoten verhindert.
Mich überzeugt das (etwa 4 Euro für 100 ml kostende) Ergebnis (noch immer) - das ist gewiss kein großer und kein unerhörter Duft, auch kein komplexer, aber ein schöner, ausgewogener, markanter und für mich auch unverwechselbarer. In seiner Schnörkellosigkeit und mit seinen klaren Linien wirkt er modern (im Sinne der Kunstgeschichte), irgendwo zwischen Dessauer (oder Brünner) Bauhaus und den gelungensten Beispielen des sozialistischen Plattenbaus. Ich könnte ihn mir gut an einem idealistischen jungen Arzt aus dem "Krankenhaus am Rande der Stadt" (für die, die Serie nicht kennen, es gibt einen schönen Wikipedia-Eintrag dazu) vorstellen, der eigentlich keine besondere Leidenschaft für Düfte hat, es aber schätzt, auf dem Weg zur Arbeit gut und schön sauber zu riechen.
Der Flakon, der über eine Splashvorrichtung verfügt, ist heute nicht mehr der eckige mit der breiten schwarzen Kappe, der hier auf Parfumo angezeigt wird. Er sieht jetzt runder, hübscher und zeitgemäßer aus, genauso wie das gleichnamige EdT (voda po holeni = Rasierwasser, toaletni voda = Toilettenwasser), das auf Parfumo noch ohne Kommentar, Statement oder Bewertung, aber dafür mit aktueller Produktabbilung sein Dasein fristet. Vielleicht stelle ich heute auch noch ein Foto des Rasierwassers hier ein.
Das Rasierwasser trägt seinen Namen zu recht. Die Haltbarkeit ist (bei durchaus ordentlicher Projektion) minimal (um den Duft länger zu genießen, sollte man auf das EdT zurückgreifen, von dem war allerdings in der Drogerie, in der ich auf Jagd war, nur noch ein Tester da), und die Flüssigkeit ist sehr viskos, fast wie eine Lotion. Das Produkt wirkt nicht stark alkoholisch (und damit weder austrocknend noch flashig brennend), sondern ist sowohl vom Hautgefühl her als auch der Zutatenliste nach stark angereichert mit klassischen Pflegesubstanzen wie Panthenol, Allantoin und hydriertem Rizinusöl und damit sehr sanft und geschmeidig zur Haut.
Wer also ein grundehrliches, männlich-trockenes (aber dabei nicht staubendes), schon etwas besonders duftendes, die Haut gut pflegendes Rasierwasser sucht, für den könnte sich ein Besuch in einer tschechischen Drogerie durchaus lohnen.
So, für heute mache ich Schluss, und wenn mich die Hitze nicht vorher umbringt, dann kommentiere ich irgendwann auch den Flanker "Diplomat Fresh" und werde bei dieser Gelegenheit dann auch noch was zur Firmengeschichte des Herstellers "Astrid" berichten.
Inzwischen von der milchigweißen Lotion zum klaren Rasierwasser mutiert und im Design entscheidend geändert, präsentiert sich der Duft - nach meiner Meinung, wer weiß schon, ob mich meine Erinnerung da trügt - ganz unverändert. Deckel ab, dran gerochen, und schon sind die ganzen Erinnerungen ans (alte) Café Slavia und an die Burgwache in den (damals neuen) Uniformen des von Václav Havel beauftragten Oscarpreisträger-Kostümbildners Theodor Pistek wieder da (Wenn ich mal als seniler Mümmelgreis im Heim dahinvegetieren werde und man mir die Pulle vor die Nase hält, bin ich gespannt, welche Erinnerung dann aufscheint, die an 1993 oder an 2018!).
Diplomat (heute Diplomat Classic, denn sogar an dieser im Weltmaßstab gesehen Provinzmarke ist die Flankerei nicht spurlos vorbeigegangen) ist ein grundehrlicher, sehr straighter Duft. Schlicht, einfach, klar, blitzsauber, sehr männlich. Die Mitte des Duftes bildet sehr trockenes Holz, das durch ein Set von kräftigen Gewürzen (die aber nicht weihnachtlich und noch weniger grünfrisch-kräuterig daherkommen) lebendiger gemacht wird. Das Umkippen der Trockenheit ins Staubige oder Stechende wird durch eine ordentliche Schippe Zitrusnoten verhindert.
Mich überzeugt das (etwa 4 Euro für 100 ml kostende) Ergebnis (noch immer) - das ist gewiss kein großer und kein unerhörter Duft, auch kein komplexer, aber ein schöner, ausgewogener, markanter und für mich auch unverwechselbarer. In seiner Schnörkellosigkeit und mit seinen klaren Linien wirkt er modern (im Sinne der Kunstgeschichte), irgendwo zwischen Dessauer (oder Brünner) Bauhaus und den gelungensten Beispielen des sozialistischen Plattenbaus. Ich könnte ihn mir gut an einem idealistischen jungen Arzt aus dem "Krankenhaus am Rande der Stadt" (für die, die Serie nicht kennen, es gibt einen schönen Wikipedia-Eintrag dazu) vorstellen, der eigentlich keine besondere Leidenschaft für Düfte hat, es aber schätzt, auf dem Weg zur Arbeit gut und schön sauber zu riechen.
Der Flakon, der über eine Splashvorrichtung verfügt, ist heute nicht mehr der eckige mit der breiten schwarzen Kappe, der hier auf Parfumo angezeigt wird. Er sieht jetzt runder, hübscher und zeitgemäßer aus, genauso wie das gleichnamige EdT (voda po holeni = Rasierwasser, toaletni voda = Toilettenwasser), das auf Parfumo noch ohne Kommentar, Statement oder Bewertung, aber dafür mit aktueller Produktabbilung sein Dasein fristet. Vielleicht stelle ich heute auch noch ein Foto des Rasierwassers hier ein.
Das Rasierwasser trägt seinen Namen zu recht. Die Haltbarkeit ist (bei durchaus ordentlicher Projektion) minimal (um den Duft länger zu genießen, sollte man auf das EdT zurückgreifen, von dem war allerdings in der Drogerie, in der ich auf Jagd war, nur noch ein Tester da), und die Flüssigkeit ist sehr viskos, fast wie eine Lotion. Das Produkt wirkt nicht stark alkoholisch (und damit weder austrocknend noch flashig brennend), sondern ist sowohl vom Hautgefühl her als auch der Zutatenliste nach stark angereichert mit klassischen Pflegesubstanzen wie Panthenol, Allantoin und hydriertem Rizinusöl und damit sehr sanft und geschmeidig zur Haut.
Wer also ein grundehrliches, männlich-trockenes (aber dabei nicht staubendes), schon etwas besonders duftendes, die Haut gut pflegendes Rasierwasser sucht, für den könnte sich ein Besuch in einer tschechischen Drogerie durchaus lohnen.
So, für heute mache ich Schluss, und wenn mich die Hitze nicht vorher umbringt, dann kommentiere ich irgendwann auch den Flanker "Diplomat Fresh" und werde bei dieser Gelegenheit dann auch noch was zur Firmengeschichte des Herstellers "Astrid" berichten.
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