Carbone
Carbone de Balmain
2010

PorUnaCabeza
11.11.2012 - 09:44 Uhr
16
Hilfreiche Rezension
10
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
9
Duft

Mit James Dean und Steve McQueen auf der Rennstrecke

(Alle Verkehrspolizisten bitte kurz weghören) Sobald ich Carbone de Balmain aufsprühe, habe ich unweigerlich das Gefühl, ich müsse mir eine Lederjacke anziehen, mich die nächsten drei Tage nicht mehr rasieren und schnellstmöglich auf die Autobahn fahren, um mit meinem Bleifuß das Gaspedal bis zum Anschlag durchzudrücken, bis mein Wagen das absolute, totale, geschwindigkeitsvernarrte, alle Regeln der StVO ignorierende Limit erreicht hat!!!… Puh, man muss von diesem Dufterlebnis erst einmal runterkommen, um halbwegs objektiv darüber schreiben zu können.
Carbone ist ein außergewöhnliches Parfum, das vollkommen zurecht immer wieder mit Motorsport und Automobilen assoziiert wird. Die treffendste Beschreibung, die mir spontan einfällt, ist der Geruch einer Balaclava (Kopfhaube), wie man sie vom Kartfahren kennt. Ein wenig ölig, technisch, mit Resten von Benzin und Abgasen im Gewebe – eben der Geruch des Motorsports.

Allerdings ist das Parfum schon ein wenig komplexer. Neben der genannten Duftassoziation, rieche ich in der Kopfnote eindeutig erogen scharfen Pfeffer, an dessen Seite auch etwas leicht Grünes mitschwingt. Es ist ein kurzer, würziger Hauch aus den Wäldern neben der Streckenbegrenzung, bevor das Rennen beginnt. Carbone bleibt aber immer auf der Ideallinie und bricht nie in diese Grüne Hölle jenseits der Reifenstapel aus. Der Balmain bietet grandioses Racing! Es geht mit der Herznote, die nun ausschließlich Benzin durch die Adern dieses Parfums pumpt und sich auf das Renn-Thema konzentriert, wie Sterling Moss seinen Blick auf den Asphalt, über eine langgezogene Parabolika, umweht vom süßen (Feigen)Hauch des Erfolges, auf die kurze Zielgerade, an deren Ende eine liebliche Vanillebasis wartet. Leider verhält es sich mit dieser Basis, wie mit vielen technischen Daten: Die gibt’s nur auf dem Papier bzw. Teststreifen zu bewundern – die Realität ist eine andere. Auf der Haut ist Carbone nämlich kein 24h Rennen, sondern eher ein (etwas längerer) Grand Prix, der nach 3-4 Stunden spektakulär das Ziel der Basis erreicht hat. Von der ist dann leider fast nichts zu riechen (auch die Sillage ist übrigens nur mäßig)! Das ist bedauerlich, aber kein Grund, nicht die Champusflaschen zu entkorken – denn dieses Parfum gehört trotzdem zu den Siegern im Starterfeld der Herrendüfte und macht sicher jedem Spaß, der auch nur eine latente Motorsportbegeisterung hat.
James Dean, der seinerzeit (wenn ich das richtig in Erinnerung habe) Knize Ten getragen haben soll, hätte sich für Carbone sicher begeistern können, und wenn Steve McQueen heute noch leben würde, er würde verbieten, dass man unter seinem Namen dieses lächerliche, fruchtige Wässerchen verkauft und stattdessen Carbone zu seinem Signature Scent erklären! Ja, Carbone transportiert dieses wilde, befreiende ‚Rennstrecken-Rebellen-Gefühl‘ – dieses Parfum hat Benzin im Blut!

Bei all den euphorischen Worten zum Duft, noch ein paar Sätze zum Flakon. Der sollte ein Vorbild für alle Flakon-Designer dieser Welt sein. Solide, kantig und schlicht, wie früher einmal Volvo oder Mercedes; Wertig, fordernd und ‚männlich‘, wie ein Bentley oder ein BMW. Lediglich beim Deckel haben wohl die Controller gewütet und statt der Carbonverkleidung von der Aufpreisliste ein billiges, ziemlich wackliges Hartplastik (wie aus dem Innenraum eines Lada!) durchgesetzt. Schade! … Aber das ist nur eine Randbemerkung.
Carbone ist ein exzentrischer, herausragender, ‚männlicher‘ und individueller Duft mit nur wenigen, kleinen Schwächen. Ich könnte mir vorstellen, dass er für einige Männer, die sich in dem gepriesenen Motorsportbild wiederfinden können, ein ideales Parfum ist. Aufgrund der relativen Seltenheit, hat dieser Balmain sogar das Potential, ein passabler Signaturduft zu werden. Wer Carbone nicht kennt, der kann vielleicht mal am entfernten Verwandten Adventure von Davidoff schnuppern – wobei sich Letzterer frischer und konventioneller gibt.

Für mich ist es kein Signaturduft. Ich persönlich hülle mich lieber in gediegene Mäntel, trage meine Lederjacke (gefühlt) alle paar Schaltjahre, rasiere mich glatt, mein Auto schafft mit Mühe und Not 170km/h und in meinem Badezimmerschrank tummeln sich sonst eher elegante, saubere und stilvollere Düfte. Ein Gentleman würde sicher nicht zum etwas schmutzigen Carbone greifen – Aber wer will denn schon jeden Tag ein Gentleman sein?!?! Und so erfasst mich gelegentlich dieser „Need for Speed“ und ich lasse olfaktorisch die Sau raus. Wenn nicht auf der Autobahn, dann in einer verrauchten Bar – da gehört der Duft auch hin; da wird es auch Komplimente geben (!); da steht man wie James Dean an der Bar und im kantigen Fernseher über dem Tresen zeigen sie mal keinen Fußball, sondern den Film „Le Mans“ mit dem ewig coolen Steve McQueen hinter dem Steuer.
6 Antworten