18.12.2019 - 15:13 Uhr
Jenkins
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Die duftenden Lauben von Amberabad
Spontane Assoziationen sind im Zusammenhang mit Düften meine Sache eigentlich nicht. Es sind eher Erinnerungen, die ich mit Düften verbinde, Erinnerungen an Orte, an Personen oder schnöde Mnemotechnik der Duftnoten. Bei Tabacca war das anders, was vor allem an der Koinzidenz meiner Beschäftigung mit einem Libretto (Schumanns Das Paradies und die Peri 1843) und dessen Vorlage (Thomas Moore's Lalla Rookh 1817) und dem ersten Riechen an dieser wundervollen Duftkomposition gelegen hat.
Amberabad ist eine der bedeutenden Städte des orientalischen Feenreiches Dschinnistan, aus dem eine Peri (engelsgleiche Fee) den Weg ins Paradies sucht und nachdem ihr letztendlich der Einzug dorthin gestattet wurde, bricht sie in einen triumphal-freudigen Schlussgesang aus, der bemerkenswerterweise hauptsächlich aus der Gewichtung von Duftbeschreibungen besteht, indem die irdischen Düfte paradiesischen gegenübergestellt werden. Und „the fragrant bowes of Amberabad“ sind zweifellos irdischer Natur, denn der Reim, gerade wenn er mittelmäßig ausfällt, ist oft das Ende allen Zaubers: Wie matt […] die duftenden Lauben von Amberabad!
Tabacca ist genauso wenig matt wie die bemühten Lauben, es erklärt nur, warum es für den Duft keine 10.0 gibt, denn die ist der Vollkommenheit des Paradieses vorbehalten. Und um die unvorstellbare Großartigkeit des Paradieses zu symbolisieren, wird hier einfach etwas vorstellbar Großartiges leichten Sinnes hinter sich gelassen.
Tabacca ist ein Amberduft. Tabacca ist ein Holzduft, Tabacca ist ein Gewürzduft und vor allem: es ist, wie der Name schon sagt, ein Tabakduft! Einer der schönsten, die ich kenne, obendrein! Der Rest an anderen als den genannten Duftnoten unterstützt und verbindet, hält sich ansonsten aber mehr oder weniger diskret im Hintergrund. Nur in der Eröffnung, unmittelbar nach dem Aufsprühen und nur ganz kurz und flüchtig, wenn noch alkoholische Noten auszumachen sind, erinnert Tabacca an lange fassgereiften süssen Rum mit seinen Fruchtnoten.
Nun gibt es so unzählig viele Düfte, die Tabak im Namen tragen oder in der Duftpyramide ohne dass diese Duftnote „Tabak“ in einer ihrer unzähligen wie unterschiedlichen Erscheinungsformen irgendwie nachhaltig in Erscheinung treten würde. Bei Tabacca ist das anders, denn hier ist Tabak in zwei verschiedenen Versionen am Start, einmal als frische grüne Blätter und dann als getrocknetes Blattgut. Beides macht sich deutlich bemerkbar und bleibt stringent über den gesamten Duftverlauf präsent. Mehr noch: aus der Kombination der malzigen Süße des getrockneten Tabaks mit Zedernholz entsteht diese typische honigwürzige süße Note wie man sie auch von milden, gut gereiften Havannas kennt. Diese honigwürzige Tabaknote, in Kombination mit der Ambernote, trägt den Duft in der Basis. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: wir sprechen hier nicht vom Rauchen! Rauchig wird eine Tabaknote erst, wenn etwas entzündet wird, sei es in der Verarbeitungsphase oder beim Rauchen selbst und bei Tabacca ist von Rauch keine Spur!
Es ist ein ungemein warmer süßer Duft aus Tabak und Holz der unterstützt wird von einer Apfelnote, die nur ganz zu Beginn klar hervortritt um ebenso schnell wieder zu verschwinden. Am Anfang präzise scharf und frisch definiert, verändert sie sich schnell in Richtung süßes Apfelkompott dessen Fruchtigkeit aber hinter Gewürzen wie Zimt, Nelken, Piment und Vanille zurücktritt. Auch Caligaris Bourbon-Assoziation in seinem Statement trifft diese Kompott-Vanille-Gewürz Komposition gut, gerade in Verbindung mit den holzigen Noten, wenngleich Alkoholisches hier fehlt. Neben dieser sogenannten Kompott-Assoziation und der Tabak-Honigwürze-Basis gibt es aber noch eine dezent frische, leicht ätherische Note, die hier alles fein gewoben zusammenhält und die ich auch als eine Kombination sehen würde, nämlich die frischen, grünen Tabakblätter und der in den Duftnoten genannte Rosentee. Um ehrlich zu sein: eine blumige Teenote ist eindeutig und wunderschön, aber welche Rosen das sein sollen, überfordert mich. Sie sind für mich zu gut verpackt. Alles an diesem Duft bisher Beschriebene wirkt vollkommen harmonisch und rund und doch ist Tabacca eine kleine Irritation eingebaut, die den Duft ungemein spannend macht und die in den Holznoten zu finden ist: In meiner Nase ist es eine Sandelholznote, die einem eindeutig feminin besetzten Duft eine maskuline Mütze aufsetzt. Keine große, aber eine, die groß genug ist, um zu irritieren, was schnurstracks die Genderfrage aufwirft:
Tabacca ist als ein femininer Duft erschienen. Die Wiederauflage als Frank No.3 als Unisex-Duft und auch hier in den Statements ist die Frage thematisiert. Mir persönlich ist dieser wundervolle Duft zu süß, zu weich und zu rund, um ihn selbst zu tragen, aber es bereitet mir eine unfassbar schöne und abenteuerliche Freude, ihn aufs Handgelenk zu sprühen und zu sehen, was passiert und mich an ihm zu erfreuen. Vielleicht so, wie man im Museum ein grandioses Bild betrachten kann und es trotzdem nicht zu Hause hängen haben mag. Um der Genderfrage auf den Grund zu gehen, habe ich sogar meine Frau genötigt, Tabacca nicht nur am Handgelenk aufzusprühen, was mir nach einigen Tagen Widerstand ihrerseits auch gelungen ist. Ergebnis: obwohl Tabacca hinreißend riecht, ist der Duft weder für mich noch für sie gemacht worden. Ob für einen anderen Mann oder eine andere Frau muß ausprobiert werden – wobei, nur um mich auf eine Seite zu schlagen, mich die Tabacca (oder Frank No.3) tragende Frau mehr interessieren würde. Allein, weil für mich der gourmandige Einschlag des Duftes, der vor allem nach zwei – drei Stunden etwas präsenter bleibt, feminin besetzt ist.
Letztlich ist der Duft in meinen Augen stilistisch, in seinem Erscheinungsbild, ein wirklich großer melancholischer Duft, der nichts Spielerisches, Leichtfüßiges oder Unbeschwertes hat. Es ist ein grüblerischer und fast ein bisschen schwermütiger orientalischer Duft von unglaublicher Anmut und Schönheit, im übertragenen Sinn vielleicht wie eine Riesengebirgslandschaft von C.D.Friedrich in seiner Ausstrahlung. Und das muss man tragen wollen und können...
Was bei der Größe des Duftes allerdings fein ziseliert wirkt, das ist die Sillage: Tabacca ist zwar auf meiner Haut unglaublich langlebig, er hält, zumindest hautnah, locker 8-10 Stunden, allerdings ist seine physische Ausstrahlung deutlich dezenter, was letztlich seine Raffinesse sehr unterstützt und ihn nicht untragbar macht. Tabacca ist keine Bombe, sondern ein bis ins Detail herausragend komponierter Tabakduft. Das merkt man gerade auch an der Sillage!
So, das war mein erster Kommentarversuch hier und mir bleibt zum Schluß nur noch, mich nochmals ganz herzlich bei dem Parfumo zu bedanken, der mir neben einigen anderen tollen Düften auch einen Restflakon dieses wahren Kleinods geschenkt hat! Auf diesen Duft wäre ich so nie gestoßen. Danke!
Amberabad ist eine der bedeutenden Städte des orientalischen Feenreiches Dschinnistan, aus dem eine Peri (engelsgleiche Fee) den Weg ins Paradies sucht und nachdem ihr letztendlich der Einzug dorthin gestattet wurde, bricht sie in einen triumphal-freudigen Schlussgesang aus, der bemerkenswerterweise hauptsächlich aus der Gewichtung von Duftbeschreibungen besteht, indem die irdischen Düfte paradiesischen gegenübergestellt werden. Und „the fragrant bowes of Amberabad“ sind zweifellos irdischer Natur, denn der Reim, gerade wenn er mittelmäßig ausfällt, ist oft das Ende allen Zaubers: Wie matt […] die duftenden Lauben von Amberabad!
Tabacca ist genauso wenig matt wie die bemühten Lauben, es erklärt nur, warum es für den Duft keine 10.0 gibt, denn die ist der Vollkommenheit des Paradieses vorbehalten. Und um die unvorstellbare Großartigkeit des Paradieses zu symbolisieren, wird hier einfach etwas vorstellbar Großartiges leichten Sinnes hinter sich gelassen.
Tabacca ist ein Amberduft. Tabacca ist ein Holzduft, Tabacca ist ein Gewürzduft und vor allem: es ist, wie der Name schon sagt, ein Tabakduft! Einer der schönsten, die ich kenne, obendrein! Der Rest an anderen als den genannten Duftnoten unterstützt und verbindet, hält sich ansonsten aber mehr oder weniger diskret im Hintergrund. Nur in der Eröffnung, unmittelbar nach dem Aufsprühen und nur ganz kurz und flüchtig, wenn noch alkoholische Noten auszumachen sind, erinnert Tabacca an lange fassgereiften süssen Rum mit seinen Fruchtnoten.
Nun gibt es so unzählig viele Düfte, die Tabak im Namen tragen oder in der Duftpyramide ohne dass diese Duftnote „Tabak“ in einer ihrer unzähligen wie unterschiedlichen Erscheinungsformen irgendwie nachhaltig in Erscheinung treten würde. Bei Tabacca ist das anders, denn hier ist Tabak in zwei verschiedenen Versionen am Start, einmal als frische grüne Blätter und dann als getrocknetes Blattgut. Beides macht sich deutlich bemerkbar und bleibt stringent über den gesamten Duftverlauf präsent. Mehr noch: aus der Kombination der malzigen Süße des getrockneten Tabaks mit Zedernholz entsteht diese typische honigwürzige süße Note wie man sie auch von milden, gut gereiften Havannas kennt. Diese honigwürzige Tabaknote, in Kombination mit der Ambernote, trägt den Duft in der Basis. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: wir sprechen hier nicht vom Rauchen! Rauchig wird eine Tabaknote erst, wenn etwas entzündet wird, sei es in der Verarbeitungsphase oder beim Rauchen selbst und bei Tabacca ist von Rauch keine Spur!
Es ist ein ungemein warmer süßer Duft aus Tabak und Holz der unterstützt wird von einer Apfelnote, die nur ganz zu Beginn klar hervortritt um ebenso schnell wieder zu verschwinden. Am Anfang präzise scharf und frisch definiert, verändert sie sich schnell in Richtung süßes Apfelkompott dessen Fruchtigkeit aber hinter Gewürzen wie Zimt, Nelken, Piment und Vanille zurücktritt. Auch Caligaris Bourbon-Assoziation in seinem Statement trifft diese Kompott-Vanille-Gewürz Komposition gut, gerade in Verbindung mit den holzigen Noten, wenngleich Alkoholisches hier fehlt. Neben dieser sogenannten Kompott-Assoziation und der Tabak-Honigwürze-Basis gibt es aber noch eine dezent frische, leicht ätherische Note, die hier alles fein gewoben zusammenhält und die ich auch als eine Kombination sehen würde, nämlich die frischen, grünen Tabakblätter und der in den Duftnoten genannte Rosentee. Um ehrlich zu sein: eine blumige Teenote ist eindeutig und wunderschön, aber welche Rosen das sein sollen, überfordert mich. Sie sind für mich zu gut verpackt. Alles an diesem Duft bisher Beschriebene wirkt vollkommen harmonisch und rund und doch ist Tabacca eine kleine Irritation eingebaut, die den Duft ungemein spannend macht und die in den Holznoten zu finden ist: In meiner Nase ist es eine Sandelholznote, die einem eindeutig feminin besetzten Duft eine maskuline Mütze aufsetzt. Keine große, aber eine, die groß genug ist, um zu irritieren, was schnurstracks die Genderfrage aufwirft:
Tabacca ist als ein femininer Duft erschienen. Die Wiederauflage als Frank No.3 als Unisex-Duft und auch hier in den Statements ist die Frage thematisiert. Mir persönlich ist dieser wundervolle Duft zu süß, zu weich und zu rund, um ihn selbst zu tragen, aber es bereitet mir eine unfassbar schöne und abenteuerliche Freude, ihn aufs Handgelenk zu sprühen und zu sehen, was passiert und mich an ihm zu erfreuen. Vielleicht so, wie man im Museum ein grandioses Bild betrachten kann und es trotzdem nicht zu Hause hängen haben mag. Um der Genderfrage auf den Grund zu gehen, habe ich sogar meine Frau genötigt, Tabacca nicht nur am Handgelenk aufzusprühen, was mir nach einigen Tagen Widerstand ihrerseits auch gelungen ist. Ergebnis: obwohl Tabacca hinreißend riecht, ist der Duft weder für mich noch für sie gemacht worden. Ob für einen anderen Mann oder eine andere Frau muß ausprobiert werden – wobei, nur um mich auf eine Seite zu schlagen, mich die Tabacca (oder Frank No.3) tragende Frau mehr interessieren würde. Allein, weil für mich der gourmandige Einschlag des Duftes, der vor allem nach zwei – drei Stunden etwas präsenter bleibt, feminin besetzt ist.
Letztlich ist der Duft in meinen Augen stilistisch, in seinem Erscheinungsbild, ein wirklich großer melancholischer Duft, der nichts Spielerisches, Leichtfüßiges oder Unbeschwertes hat. Es ist ein grüblerischer und fast ein bisschen schwermütiger orientalischer Duft von unglaublicher Anmut und Schönheit, im übertragenen Sinn vielleicht wie eine Riesengebirgslandschaft von C.D.Friedrich in seiner Ausstrahlung. Und das muss man tragen wollen und können...
Was bei der Größe des Duftes allerdings fein ziseliert wirkt, das ist die Sillage: Tabacca ist zwar auf meiner Haut unglaublich langlebig, er hält, zumindest hautnah, locker 8-10 Stunden, allerdings ist seine physische Ausstrahlung deutlich dezenter, was letztlich seine Raffinesse sehr unterstützt und ihn nicht untragbar macht. Tabacca ist keine Bombe, sondern ein bis ins Detail herausragend komponierter Tabakduft. Das merkt man gerade auch an der Sillage!
So, das war mein erster Kommentarversuch hier und mir bleibt zum Schluß nur noch, mich nochmals ganz herzlich bei dem Parfumo zu bedanken, der mir neben einigen anderen tollen Düften auch einen Restflakon dieses wahren Kleinods geschenkt hat! Auf diesen Duft wäre ich so nie gestoßen. Danke!
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Caligari
Jensemann
