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Hilfreiche Rezension
RTL 16:00 Uhr: "Betrugsfälle" (Ein Fallbeispiel)
Es ist nicht so, dass ich der Werbung glaube. Und wer behauptet schon, dies zu tun: Man ist abgebrüht und gibt sich nur zu gerne als borniert unbeeindruckbar (auch wenn man mit zunehmender Reife und Introspektionsfähigkeit augenzwinkernd zugibt, dass es natürlich so nicht stimmt). Dennoch und gerade deshalb ist es sicherlich gut und richtig, grob irreführende Werbung, den glatten Betrug mit Worten als solchen kenntlich zu machen. Wenn dies nicht regelmäßig passiert, wird der Betrug irgendwann nicht mehr als solcher durchschaut, die Umkehrung und Entkernung der Wortbedeutung wird stillschweigend als solche anerkannt ("So ist das nunmal.") mit dem Nebeneffekt, dass schon die nächste Generation nicht mehr weiß, was eigentlich der den Worten ursprünglich zugrundeliegende Inhalt, der semantische Kern war.
Nicht zuletzt in der Parfumindustrie ist der Betrug inzwischen ubiquitär. Und damit meine ich nicht die im Grunde genial ausgeführte Idee der späten Achtziger, etwas geruchloses bzw. olfaktorisch schlecht einzufangendes wie Wasser bzw. den Ozean mit geschickten Kniffen, gewissermaßen über Umwege in die Imagination des Nutzers zu projizieren. Das ist im Ursprung schöpferisches Kunsthandwerk, wie der mit Hilfe von Blechplatten erzeugte Donnerhall im Theater. Nichts dran auszusetzen. Was ich meine ist die Korrumpierung der Primärwahrnehmung der (jüngeren) Käufer.
Diesel schreibt zu Only The Brave auf den Pröbchenkarton: "A luminous punch of leather warmed up by a blend of amber and woods". Das ist schlicht gelogen. Der initiale "Punch" ist Punsch. Mandarinensekt. "Stößchen!" Die Ambernote scheu und fahl, das Holz als solches nicht zu identifizieren. Vorhanden ist lediglich dieses mittlerweile fast widerspruchslos als "Holznote" akzeptierte plastikartige, fast metallische Stechen, das mir beim Riechen stets den Gaumen pelzig belegt (man kennt die dafür verantwortlichen Stoffe ja). Düfte, die im Gegenzug beweisen, dass es wesentlich besser geht, sind zahlreich. Zugleich fördert eine schale Pfeffernote (in Verbindung mit einem dürren Veilchen) den bei aller Penetranz vorhandenen Eindruck des wässrigen, ausgehöhlten und kraftlosen.
Es geht mir in dieser Kritik auch nicht darum, überkommene Assoziationsketten im Hinblick auf Maskulinitätsvorstellungen zu verteidigen (wer meine anderen Reviews kennt, weiß, dass mir daran nicht gelegen ist). Gleichwohl möchte ich anmerken, dass der Teil von Only The Brave, der Substanz besitzt (Der "Punch" in der Kopfnote) eher zu einem Damen-, nein, Mädchenparfum passen würde - und das nicht einmal schlecht. Würde eine der bekannten Beauty-Vloggerinnen ein eigenes Parfum lancieren: Die Kopfnote hätte dort ihren Platz. Es geht mir also allein um den Betrug und die so gestiftete Verwirrung in den Köpfen: Hier riecht nichts nach Leder, Amber oder Holz. Nicht einmal im Ansatz. Und wenn die Vorstellung von Mandarinensekt und Blutarmut mit "Braveness", Schlagring und Street Credibility verknüpft und vermarktet werden kann, kommt trotz aller oben gemachten Einschränkung der Kulturpessimist in mir hoch. Ich hoffe, man verzeiht es mir.
2 Antworten
Nofretete vor 7 Jahren
Korrumpierung der Primärwahrnehmung: Die scheint bei Düften/Gerüchen genauso wie der Geschmackssinn bei den Lebensmitteln bei vielen Jüngeren mittlerweile arg verkümmert zu sein. Schade, daß es weder eine Entsprechung zu Slow Food gibt noch irgend ein Forschungsinstitut sich damit beschäftigt. Pokal (dezidiert OHNE Früchtelinchen-Sekt)!
NotAmused vor 7 Jahren
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Only the brave say the truth about bad smells!

