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Hilfreiche Rezension
Mal beim Nachbarn die Kirschen klauen.
Wir haben es hier mit einem Gourmand zu tun. Was heißt das genau?
Richtig.
Wir brauchen erstmal die Zutaten.
Die Kopfnote gestaltet sich da schon etwas schwierig. Klar, Mandeln hätte ich als bedürftiger Lehramtsstudent stets auf Vorrat, aber bei Bergamotte und diversen Gewürzen sieht es schon wieder schlechter aus. Wie mische ich mir also meine Kopfnote nun zusammen?
Hah ... das ist es!
Ich habe da den Nachbarn meiner Eltern, dessen Kirschbaum so schön auf dem Grundstück platziert ist, dass es jedes Mal einfach nur verführerisch ist, sich dort zu bedienen. Also machen wir das mal. Die Schuld hätten bei dem sowieso die Kinder aus der Nachbarschaft. Die bekommen seinen Frust ab, nicht ich.
Kindern das Leben schwer zu machen, sie die Ungerechtigkeiten des alltäglichen Lebens erfahren zu lassen, gehört einfach dazu. Ich werde also mal ein guter Lehrer sein und früh übt sich bekanntlich.
Weiter im Text.
Die Kopfnote hätten wir. Eine wunderschöne Kirsche. Irgendetwas fehlt hier aber noch. Was ist das nur?
Ahhh ... die Mandel. Na dann gehen wir doch mal an die studentische Notration und wühlen ein wenig im Studentenfutter herum. Jetzt ist die Kopfnote perfekt.
Dann mal ran an die Herznote. Wo zur Hölle soll ich denn den Weihrauch herbekommen? In einer Kirche nachfragen? Neee ... lass mal. Wozu hat man denn Kommilitonen, die Religionswissenschaften studieren? Schnell hin da.
Ein paar Stunden später:
Ich bin nun doch wieder unterwegs Richtung Kirche. Die zukünftigen Religionswissenschaftler empfanden mein allzu klischeehaftes Nachfragen dann doch etwas komisch und empfahlen mir einen Kirchenbesuch am Sonntag. Ist zwar so gar nicht mein Fall, aber man muss ja seine Zutaten zusammenbekommen.
Sooo, den Weihrauch hätten wir. Nun braucht es die ungarische Rose. Also ab zum Blumenladen. Boah, ist das teuer. Ich bin wahrlich am Überlegen, mich abends in eine Berliner Bar zu setzen und auf die obligatorischen Rosenverkäufer, die im Fünf-Minuten-Takt die Bars fluten, zu warten, um dort günstiger an die Rose zu kommen, aber es muss ja eine ungarische sein. Also bleiben wir vorerst im Blumenladen. Ich "reicher" Student kaufe noch die Rosen und stehe jetzt vor dem Problem, kein Geld mehr für einen Gang in die Uni-Mensa zu haben. Ich könnte natürlich die Mandeln ... NEIN, NEIN, NEIN ... die brauche ich noch. Reiß dich gefälligst zusammen.
Zumindest für die restlichen Zutaten habe ich Bezugsquellen. Schnell hin zu den Biologiestudenten, die gerade in der Botanikabteilung rumwuseln. Vanille hätten wir und da stört es sicher nicht, wenn ich noch die Tonkabohne mitgehen lasse. Das Sandelholz stellt auch kein Problem dar. Ich habe da einen Kommilitonen, der Landschafts- und Gartenbau studiert. Der hat da auf einigen Quadratmetern eine echte Idylle geschaffen, in welche er monatelange Arbeit hineinsteckte. Ich glaube, sie ist Teil seiner Bachelorarbeit. Ich finde ja trotzdem, dass der frisch von ihm gepflanzte Sandelholzbaum diese Idylle ein bisschen störte, weshalb ich ihn mal entfernte. Für diese Optimierung wird er mir später noch dankbar sein. Man hilft schließlich, wo man kann.
Jetzt gibt es da nur ein Problem. Wo komme ich an das Leder her?
Ich weiß nur, dass unsere Biologiestudenten vor kurzem ein paar Tierchen zerschnippelt haben, um deren Anatomie ein bisschen näher kennen zu lernen. Mit zerflatterten Mäusen, Ratten oder Vögeln kann ich aber leider nichts anfangen, aber ich habe da schon so eine Idee.
Kennt ihr alle diese etwas elitäreren Studiengänge? Während ich als angehender Deutsch- und Geschichtslehrer am Hungertuch nage und im Falle eventuellen studentischen Scheiterns allerhöchstens nur noch Taxifahrer werde, gibt es da noch unsere Jurastudenten und BWLer. Zu Letzteren gehe ich mal.
Was soll ich sagen? Wieder alles richtig gemacht. Justus Sören Malte Oliver von Was-weiß-ich ist mit "seinem" brandneuen Bentley Continental GT vorgefahren. Nein ... ich werde den Wagen jetzt nicht aufbrechen und das zuhälterrote Merinoleder von seinem Fahrersitz ziehen. Aber die Lederumhängetasche, die sich mit dem um den Hals geschnürten Ralph Lauren-Polo ein wenig beißt, reicht an sich schon vollkommen aus. Als sich Justus gerade mit seinen Kommilitonen über die aktuellen Börsengänge unterhält, ergreife ich die Gelegenheit und schnappe mir die Tasche. Ohhh ... Preisschild ist ja noch drin - irgendwas Vierstelliges. Naja ... keine Ahnung. Ich bin ja kein Mathestudent. Wahrscheinlich will er mit der Tasche ein wenig protzen und sie hinterher im Laden zurückbringen. Das soll er auch gerne machen. Er bekommt die Tasche in ein paar Minuten von mir zurück ... als wäre nichts gewesen ... also fast nichts ... ein kleines bisschen Leder muss ich da schon rausschneiden. Dann bekommt er sie wieder und kann sie wieder zurückgeben. Ohhh ... geht nicht? Die habe ich ja gerade kaputt gemacht. Meint ihr, ein nahezu perfekt quadratisches Loch gilt als üblicher Defekt und stellt einen Reklamationsgrund dar? Ach, wird schon passen.
Auf jeden Fall habe ich jetzt alles beisammen. Aber Moment ... wo ist mein Weihrauch? Bestimmt hat irgend so ein Philosophiestudent mir das Zeug geklaut, weil er es für eine gewisse andere Pflanze hielt, die seine abendlichen Diskussionspodien etwas aufpeppt. Schwamm drüber. Mische ich halt den Rest zusammen.
Was erhalte ich?
Ein richtig leckeres Kirschkompott, das mit Mandeln unterlegt und durch Gewürze verfeinert wird. Die Bergamotte ist gar nicht da. Oh Mist ... die vergaß ich. Lässt sich nun nicht mehr ändern. Das Leder wiederum ist vorhanden, bleibt aber nicht allzu lange da. Leder im Mund schmeckt ja auch nicht. Komisches Rezept. Die ungarischen Rosen habe ich mir dann doch lieber in meinen studententypischen Einwegplastikbecher aufgestellt- so ganz ramontisch halt. Sie runden das leckere Kompott dann doch recht angenehm ab und ich habe es auch lieber, wenn sie ein bisschen im Hintergrund sind. Zudem sind das ungarische Rosen. Wenn ich ungarisch essen will, gibt es Gulasch.
Kirsche, Mandel, Vanille ... eine Geschmacksexplosion. Da kann der Mensafraß nicht mithalten. Das bereits ausgespuckte Leder schmecke ich zwar noch immer, aber es stört jetzt nicht. Vielleicht war es ganz gut, dass ich mal ein wenig darauf rumkaute. So wird das alles nicht ganz so süß. Hach ... und diese Rose
Richtig.
Wir brauchen erstmal die Zutaten.
Die Kopfnote gestaltet sich da schon etwas schwierig. Klar, Mandeln hätte ich als bedürftiger Lehramtsstudent stets auf Vorrat, aber bei Bergamotte und diversen Gewürzen sieht es schon wieder schlechter aus. Wie mische ich mir also meine Kopfnote nun zusammen?
Hah ... das ist es!
Ich habe da den Nachbarn meiner Eltern, dessen Kirschbaum so schön auf dem Grundstück platziert ist, dass es jedes Mal einfach nur verführerisch ist, sich dort zu bedienen. Also machen wir das mal. Die Schuld hätten bei dem sowieso die Kinder aus der Nachbarschaft. Die bekommen seinen Frust ab, nicht ich.
Kindern das Leben schwer zu machen, sie die Ungerechtigkeiten des alltäglichen Lebens erfahren zu lassen, gehört einfach dazu. Ich werde also mal ein guter Lehrer sein und früh übt sich bekanntlich.
Weiter im Text.
Die Kopfnote hätten wir. Eine wunderschöne Kirsche. Irgendetwas fehlt hier aber noch. Was ist das nur?
Ahhh ... die Mandel. Na dann gehen wir doch mal an die studentische Notration und wühlen ein wenig im Studentenfutter herum. Jetzt ist die Kopfnote perfekt.
Dann mal ran an die Herznote. Wo zur Hölle soll ich denn den Weihrauch herbekommen? In einer Kirche nachfragen? Neee ... lass mal. Wozu hat man denn Kommilitonen, die Religionswissenschaften studieren? Schnell hin da.
Ein paar Stunden später:
Ich bin nun doch wieder unterwegs Richtung Kirche. Die zukünftigen Religionswissenschaftler empfanden mein allzu klischeehaftes Nachfragen dann doch etwas komisch und empfahlen mir einen Kirchenbesuch am Sonntag. Ist zwar so gar nicht mein Fall, aber man muss ja seine Zutaten zusammenbekommen.
Sooo, den Weihrauch hätten wir. Nun braucht es die ungarische Rose. Also ab zum Blumenladen. Boah, ist das teuer. Ich bin wahrlich am Überlegen, mich abends in eine Berliner Bar zu setzen und auf die obligatorischen Rosenverkäufer, die im Fünf-Minuten-Takt die Bars fluten, zu warten, um dort günstiger an die Rose zu kommen, aber es muss ja eine ungarische sein. Also bleiben wir vorerst im Blumenladen. Ich "reicher" Student kaufe noch die Rosen und stehe jetzt vor dem Problem, kein Geld mehr für einen Gang in die Uni-Mensa zu haben. Ich könnte natürlich die Mandeln ... NEIN, NEIN, NEIN ... die brauche ich noch. Reiß dich gefälligst zusammen.
Zumindest für die restlichen Zutaten habe ich Bezugsquellen. Schnell hin zu den Biologiestudenten, die gerade in der Botanikabteilung rumwuseln. Vanille hätten wir und da stört es sicher nicht, wenn ich noch die Tonkabohne mitgehen lasse. Das Sandelholz stellt auch kein Problem dar. Ich habe da einen Kommilitonen, der Landschafts- und Gartenbau studiert. Der hat da auf einigen Quadratmetern eine echte Idylle geschaffen, in welche er monatelange Arbeit hineinsteckte. Ich glaube, sie ist Teil seiner Bachelorarbeit. Ich finde ja trotzdem, dass der frisch von ihm gepflanzte Sandelholzbaum diese Idylle ein bisschen störte, weshalb ich ihn mal entfernte. Für diese Optimierung wird er mir später noch dankbar sein. Man hilft schließlich, wo man kann.
Jetzt gibt es da nur ein Problem. Wo komme ich an das Leder her?
Ich weiß nur, dass unsere Biologiestudenten vor kurzem ein paar Tierchen zerschnippelt haben, um deren Anatomie ein bisschen näher kennen zu lernen. Mit zerflatterten Mäusen, Ratten oder Vögeln kann ich aber leider nichts anfangen, aber ich habe da schon so eine Idee.
Kennt ihr alle diese etwas elitäreren Studiengänge? Während ich als angehender Deutsch- und Geschichtslehrer am Hungertuch nage und im Falle eventuellen studentischen Scheiterns allerhöchstens nur noch Taxifahrer werde, gibt es da noch unsere Jurastudenten und BWLer. Zu Letzteren gehe ich mal.
Was soll ich sagen? Wieder alles richtig gemacht. Justus Sören Malte Oliver von Was-weiß-ich ist mit "seinem" brandneuen Bentley Continental GT vorgefahren. Nein ... ich werde den Wagen jetzt nicht aufbrechen und das zuhälterrote Merinoleder von seinem Fahrersitz ziehen. Aber die Lederumhängetasche, die sich mit dem um den Hals geschnürten Ralph Lauren-Polo ein wenig beißt, reicht an sich schon vollkommen aus. Als sich Justus gerade mit seinen Kommilitonen über die aktuellen Börsengänge unterhält, ergreife ich die Gelegenheit und schnappe mir die Tasche. Ohhh ... Preisschild ist ja noch drin - irgendwas Vierstelliges. Naja ... keine Ahnung. Ich bin ja kein Mathestudent. Wahrscheinlich will er mit der Tasche ein wenig protzen und sie hinterher im Laden zurückbringen. Das soll er auch gerne machen. Er bekommt die Tasche in ein paar Minuten von mir zurück ... als wäre nichts gewesen ... also fast nichts ... ein kleines bisschen Leder muss ich da schon rausschneiden. Dann bekommt er sie wieder und kann sie wieder zurückgeben. Ohhh ... geht nicht? Die habe ich ja gerade kaputt gemacht. Meint ihr, ein nahezu perfekt quadratisches Loch gilt als üblicher Defekt und stellt einen Reklamationsgrund dar? Ach, wird schon passen.
Auf jeden Fall habe ich jetzt alles beisammen. Aber Moment ... wo ist mein Weihrauch? Bestimmt hat irgend so ein Philosophiestudent mir das Zeug geklaut, weil er es für eine gewisse andere Pflanze hielt, die seine abendlichen Diskussionspodien etwas aufpeppt. Schwamm drüber. Mische ich halt den Rest zusammen.
Was erhalte ich?
Ein richtig leckeres Kirschkompott, das mit Mandeln unterlegt und durch Gewürze verfeinert wird. Die Bergamotte ist gar nicht da. Oh Mist ... die vergaß ich. Lässt sich nun nicht mehr ändern. Das Leder wiederum ist vorhanden, bleibt aber nicht allzu lange da. Leder im Mund schmeckt ja auch nicht. Komisches Rezept. Die ungarischen Rosen habe ich mir dann doch lieber in meinen studententypischen Einwegplastikbecher aufgestellt- so ganz ramontisch halt. Sie runden das leckere Kompott dann doch recht angenehm ab und ich habe es auch lieber, wenn sie ein bisschen im Hintergrund sind. Zudem sind das ungarische Rosen. Wenn ich ungarisch essen will, gibt es Gulasch.
Kirsche, Mandel, Vanille ... eine Geschmacksexplosion. Da kann der Mensafraß nicht mithalten. Das bereits ausgespuckte Leder schmecke ich zwar noch immer, aber es stört jetzt nicht. Vielleicht war es ganz gut, dass ich mal ein wenig darauf rumkaute. So wird das alles nicht ganz so süß. Hach ... und diese Rose
2 Antworten


Ich glaube, du wirst ein wunderbarer Lehrer. Nicht zu nett und etwas bissig - ich hätte dich als Schülerin toll gefunden. :)