Shalimar 1986 Eau de Parfum

Titania
10.08.2014 - 04:04 Uhr

Kann mir mal eben jemand die Krawallbürste rüberreichen?

Darum also ging es. Darum also geht es. Stein des Anstoßes, Stein der Weisen, ein Juwel? Ich weiß noch nicht, oft weiß ich auch nach Jahren noch nicht so ganz genau und gar nicht so selten nie. Angesichts dieser, der jüngsten Vorgeschichte möchte ich uns allen jedoch, nach meinem allerersten Tag mit diesem Duft, eine Art Zwischenruf zumuten: Das also ist Shalimar? Wieso riecht es dann nach Fenjala?

Sicher war ich mir gewesen, dass ich diesen Duft irgendwann haben, tragen und lieben werde. Diese Gewissheit möchte ich gern umwandeln, in eine Wahrscheinlichkeit unbestimmter Größe. Wie die anderen Guerlains, die ich kenne, ist auch dieser extrem gut gemacht und wunderschön. Ein Klassiker, weil er das Zeug dazu hatte und hat. Also könnte ich ihn tragen. Wenn er dann, irgendwann, zu mir passt. Aus heutiger Sicht tut er es nicht. Was nicht an Shalimar liegt, sondern an mir.

Noch nie, nicht einmal in Tauers "Miriam", habe ich so derartig viel von einer idealen, idealisierten Mutter erkennen können wie in Shalimar. Eine Mutter-Königin, keine Königin Mutter. Der Duft hat etwas absolut Souveränes, ohne dafür mit irgendwelchen Klunkern oder Werturteilen zu klappern. Dieser Duft ist da. In voller Schönheit, ohne jede Zurückweisung, in einer Perfektion, die auf Kühle gänzlich verzichten kann.

Das ist absolut großartig. Existenziell. Und doch, für mich, nicht genug.

Denn ich wünsche mir mehr - Vollständigkeit. Das Bild einer Frau, das diese Mutter nicht nur mit einer Königin, sondern auch mit der Hure in Verbindung zu bringen wagt. Ich wünsche mir eine Realität, die dem Trost und der Pracht das Begehren gestattet. Für jedes große Herz und jede schöne Seele wünsche ich mir einen Körper, um ihn zu bewohnen, ganz auszufüllen.

Ein Parfum ohne jede Maskulinität, ohne den Hauch von Härte, ohne ein winziges bisschen Willenserklärung, ist daher im Moment für mich untragbar. Dafür kann dieser Duft nichts - dass ich es so sehe und so empfinde. Und dafür (oder dagegen) kann auch niemand etwas, der diesen Duft hat, trägt, liebt und möglicherweise auch braucht. Was könnte an Liebe je kritikwürdig sein oder an dem Wunsch nach Geborgenheit abzulehnen?

Ein Wunsch, den jeder kennt, auch ich - und den ich oft mit ein bisschen Milchreis klein genug kriege, auch jetzt im Sommer, dann meist mit Kokosmilch zubereitet und immer mit einer Prise Salz darin. Ein Kniff übrigens, den ich mir von einem Mann abgekuckt habe, nicht von meiner Mutter. Aufgewachsen bin ich gänzlich ohne Milchreis, Armer Ritter, Hawaii-Toast - und mit einer (wie manche schon wissen) ziemlich eigenen und entschiedenen Mutter.

Und Fenjala? War ihrs, war sie, war königinnenhaft und wie von einem anderen Stern - in einer Welt, die zuvor von Nivea, Fa und Irischem Frühling dominiert wurde. Oh, und von krauser Petersilie, mit der man für mein Empfinden jedes noch so gute Essen ein kleines bisschen schlechter machen kann - ein Punkt, in dem meine Mutter mir heute immerhin zustimmt.

Damals wurde gegessen, was auf den Tisch kommt. Heute müssen wir das nicht mehr. Wir entscheiden selbst, was auf den Tisch kommt, wen wir einladen, wessen Geschmack wir achten und wessen Hunger wir stillen. Wir können selbst hervorbringen, was uns fehlt und jeden satt kriegen, wenn wir das wollen.

Es ist die klare, entschiedene und ausdauernde Schönheit Shalimars, die uns genau daran erinnern kann.
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