Oud Khôl 2022

Ripley
18.09.2022 - 17:22 Uhr
35
Top Rezension
7
Preis
9
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Anish Kapoor und das schwärzeste Schwarz

Bis vor kurzem ahnte ich nicht, dass es bisher nicht gelungen ist eine komplett schwarze Oberfläche zu erschaffen.
Alle bisher erschaffenen und scheinbar komplett schwarzen Oberflächen reflektieren noch zu einem kleinen Bruchteil Licht.

Auch vermutete ich nicht, dass mich meine einnehmende Leidenschaft zu Düften dahingehend weiterbilden würde.

2014 wurde das bisher “schwärzeste” Schwarz entwickelt, welches aus Kohlenstoffnanoröhrchen auf einer Folie besteht und immerhin nur noch 0,035 % des sichtbaren Lichts zurückwirft.

In der Kunstszene darf nur eine Person mit dieser Substanz arbeiten.

Anish Kapoor hat sich von der Herstellerfirma kurz nach der Entwicklung die Exklusivrechte ergattert und erschuf seitdem einige tiefschwarze Kunstobjekte, die in Räumen mitunter zu verschwinden scheinen.

So sprang im Jahr 2018 ein Museumsbesucher in Portugal in ein schwarzes Loch im Boden, welches mit 2,80 m nicht unbedeutend tief, aber eben durch den Einsatz des fast perfekten Schwarzes nicht realistisch genug wirkte, um den Sprung zu verhindern.

Was aber hat nun diese unbunte Farbe mit Oud Khôl zu tun?

Thierry Wasser erzählte neulich nur wenige Meter von mir entfernt, wie die Kunstwerke von Anish Kapoor die Inspiration zu dem neuen Oud-Duft waren. Fasziniert von seinen Werken und von der Findung des vermeintlich schwärzesten Schwarzes machte er sich in vielen einsamen Stunden in seinem Studio an die Arbeit einen Duft zu kreieren, der so dunkel erscheinen soll wie irgend möglich.

Eben wie das perfekte Schwarz.

Auch als kräftigen Abschluss der neuen Oud-Trilogie versteht Thierry Wasser sein Werk. Als wortwörtlich dunkler Duft dominiert es vor dem eher lebhaften Cherry Oud und dem traumzarten Oud Nude - beides Werke von Delphine Jelk.

Oud Khôl will nichts davon sein. Nicht zart, nicht lebhaft und nicht Everybody’s Darling. Es soll Schwarz sein.

Der Duft ist dabei für mich durchaus tragbar, aber in jedem Fall konzeptionell. Er wirkt auf mich sehr dunkel und schwer greifbar. Rauch, Dunkelheit, Leder, Dunkelheit und nur zu 0,035% süß - eben die Fehlmenge, die ihn nicht perfekt Schwarz erscheinen lässt.

Ich hoffe sehr, dass dieser Duft nicht ebenso ein Reinfall wird, wie der Museumsbesuch des armen Portugiesen, denn er ist sehr konzeptionell und in der L’Art & La Matière-Reihe äußerst besonders.

Sein Ziel hat Thierry Wasser in jedem Fall erreicht und ich ziehe meinen fast schwarzen Hut vor seiner Handwerkskunst. Ich verstehe nun Oud Khôl und finde ihn unfassbar spannend. Gewiss werde ich ihn hin und wieder auch ehrfurchtsvoll tragen.

Der Museumsbesucher hat sich übrigens nur leichteste Verletzungen zugezogen und die Ausstellung wurde weithin als Erfolg gefeiert.

Und so hoffe ich auch, dass derart kreative olfaktorische Resultate keinen Absturz bedeuten, sondern als spannendes Werk gefeiert werden.
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