Galop d'Hermès 2016

Versailles
26.04.2019 - 11:07 Uhr
18
Top Rezension
9
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

So eigenwillig wie faszinierend

Ich hatte lange überlegt, ob ich Galop möchte, da die Rezensionen hier weit auseinandergehen und der Duft offenbar polarisiert. Ich bin heute sehr froh darüber, dass der Duft dann doch in meine Sammlung gefunden hat. Bereits die helle gelbgoldene Färbung der Flüssigkeit und der erste Sprühstoß rufen bei mir lebendigen Assoziationen wach: Ich hatte das Glück zu Geburtstagen oder besonderen Anlässen mit meiner Familie zu Gast auf Schloss Wackerbarth im sächsischen Radebeul nahe Dresden zu sein. Das barocke Schloss ist idyllisch von einem Garten und Weinbergen umgeben im Grünen gelegen und bietet neben Führungen über die Weinherstellung auch Verköstigungen und ein Sektfrühstück an. In seiner Konsistenz und seinem Geruch erinnert mich Galop tatsächlich zunächst an einen edlen Tropfen Weißwein: prickelnd, spritzig, lieblich bis halbtrocken und fruchtig ist der Beginn. Fruchtig-floral und so lebhaft und neugierig wie ein echtes Pferd nähert sich Galop dem Tester bzw. Träger an. Osmanthus [Warum ist er hier nicht gelistet?], der vielfach Assoziationen an Aprikosen und Pflaumen wachruft, verfeinert den Duft, unterstützt seinen optimistischen ersten Eindruck und verleiht Galop gleichzeitig etwas Frische. Von unten bricht sich nun das Leder Bahn und gibt dem anfänglich spritzigen Duft Halt und Charakterstärke. In diesem Stadium erinnert mich Galop entfernt an Bottega Veneta. Obwohl die Düfte nicht gleich sind, handelt es sich bei beiden um ein fruchtiges Leder (Bottega Veneta: Leder-Aprikose und Galop Leder-Quitte-Rose). Das Leder hier ist neu, cognacfarben, butterweich, elegant und wird durch eine kleine Menge aromatischen Safrans verstärkt. Im weiteren Verlauf beginnt ein Balanceakt und ständiger Wechsel zwischen einer funkenden, sinnliche und ungewöhnlichen Rose und butterweichem Leder. Christine Nagel sagt darüber, dass Sie "dafür zwei ganz gegensätzliche Kompositionen – Rose und Leder [wählte]. Zwei Rohstoffe, die miteinander tanzen. Das Leder belebt die Rose, die Rose reißt das Leder mit sich.“ In seiner späten Entwicklung dominiert für mich die Rose und macht aus dem anfänglichen unisex Duft ein etwas mehr feminines Parfüm. Galop erinnert nun an hochwertige Rosenpflegeprodukte. Trotzdem ich sehr gerne Düfte in Parfümerien teste und mir Proben von Nischenparfüms zuschicken lasse, ist mir geruchlich noch nichts vergleichbares Untergekommen. Ähnlich wie ein echtes Pferd erwartet auch Galop stets eine respektvolle Annäherung! Kuschelig, weich und zum Anlehnen wie so manch anderer Duft ist er nicht, dafür ist er zu 'abstrakt', aber aufgrund seiner Ungewöhnlichkeit gleichzeitig sehr vereinnahmend und faszinierend. [Amerkung zu 'abstrakt': Es gibt ein verschollenes Gemälde von Franz Marc, was "Der Turm der blauen Pferde" heißt. Wenn man "Galop" visuell darstellen müsste, wäre es dieses Bild. Sowohl das Parfüm als auch das Gemälde sind ähnlich expressionistisch bzw. auf das Wesentliche reduziert.] Galop wird als reines Parfüm angeboten, was heute sehr selten vorkommt. Der Flakon hat die Form eines Steigbügels. Minimalistisch und sehr schick ist er auch auf der heimischen Kommode ein echter Hingucker! Von der anfänglichen Zurückhaltung ist Galop dann sehr schnell zu einem meiner liebsten Lederdüfte galoppiert.

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