Scottish Odyssey

Spiritcask 2023

TheBladi11
23.02.2023 - 14:00 Uhr
8
Preis
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Der wahre Angel's Share - oder: Erwachsene Vanille für Highlands-Whisky-Liebhaber.

Ich gebe es zu: Ich war schon immer ein Genussmensch und bin es natürlich auch heute noch.

Begonnen hat alles mit Gaumenfreuden (es kamen später hinzu: Rauchfreuden (Zigarren), Riechfreuden (Parfums), Schlüsselkinder mussten eben meist selbst kochen, insofern das ältere Geschwisterkind nicht dazu bereit war, so begann meine Kochkarriere schon im Prinzip mit der Einschulung.

Kommt Zeit, kommt Verbesserung - es blieb nicht nur beim Kochen, ich fing auch mit dem Backen an.
(erst am Letzten Wochenende mal wieder eine Zuger Kirschtorte) und so konnte ich dann auch nicht anders, als mich letztendlich zum Koch ausbilden zu lassen.
Das ist nun fast 12 Jahre her und ich arbeite schon lange nicht mehr in diesem Beruf - warum?
Ich koche einfach zu gerne & vermisste die fast schon meditative Art des "Zuhause-Kochens" - man möchte einfach wenn man den ganzen Tag nichts anderes macht, Zuhause nicht auch noch groß am Herd stehen.

Heute ist alles anders, ich habe meine Freude für diese Beschäftigung wieder gefunden.
Derzeit arbeite ich manchmal noch in einem Irish Pub → Bartender.
So kam ich immer intensiver in Kontakt mit den unterschiedlichsten Whiskysorten & da ich eine kleine französische fahrbare Minibar aus Glas, Metall & mit goldenen Ornamenten (Anfang 1930'er-Jahre) geerbt habe, wurde diese immer voller.

Eun McCall bewirbt seinen neuen Duft wie folgt:
"Explore the whisky making process as a whole with a focus on the oak casks
used to store the legendary spirit – capturing the very process by which sympathetic aromatics (what was in the oaken cask before? Sherry? Cognac? Rum?) leach from copper-fired vessels into whistle-clean new-make while aging into something sweet, dark, rich and woody.
We were determined to capture the experience of sticking your head inside an empty whisky cask – those complex residual scents are so compelling..."

Der Whisky-Liebhaber, zu dem ich mich immer mehr entwickel(t)e, war damit natürlich sofort angesprochen.
Aber was soll der Querverweis auf Angel's Share von Kilian ?
Nunja, ich bin kein großer Fan von diesem, da:

1. Zu süß.
2. Er auf mir eine fettige Note entwickelt, die mich an Fastnachtkrapfen bzw. Fettgebackenes erinnert...
3. Dem Namen nach irreführend (der Begriff des "Engelsanteils", kommt ursprünglich natürlich
aus dem Whisky-Bereich, auch wenn dieses Phänomen bei anderen Fass-Spirituosen ebenso auftritt) und da der im Angel's Share enthaltene
Cognac eine ur-französisches Spirituose ist, macht der Begriff noch weniger Sinn.
Im Übrigen habe ich trotz der Verbindung zur Henessy-Brennerei, in Angel's Share nie eine Cognac-Note gehabt, sondern allenfalls
durch den deutlichen Apfel & Zimt-Einschlag - Calvados, aber ich schweife ab...
Auftakt/ Eröffnung:

Direkt nach dem Aufsprühen, dominiert kurz eine scharf-sprittige Note, vergleichbar mit dem leichten Brennen einer Spirituose auf der Zunge beim ersten Schluck (bevor man den guten Tropfen im Mund verteilt & die Geschmacksknospen anficht) es folgt herbes fast sprödes Malz.
Die Alkoholnote verflüchtigt sich immer mehr & gibt eine erst blumige (Ylang-Ylang & Jasmin) und etwas später fruchtig-mürbe (Birne & Kamille) Ledernote frei, die, soviel kann jetzt schon verraten werden, auf meiner Haut dauerhaft präsent bleibt - wobei sie nach dem Drydown am Ehesten einem viel genutzten Voll-Leder-Rucksack (die, diese Waldorfschüler tragen) gleichkommt.

Verlauf:

Durch das Leder schält sich nun die Bourbon-Vanille hindurch, sie mimt von nun an, mit dem Leder zusammen das Führungsduo. Noten von verwittertem Ahornlaub & Eichenholz, typisch für Whisky-Fässer, sind randständig hinzugefügt & in Nuancen immer wieder wahrzunehmen. Die Vanille, ist trotz Karamell, für meine Nase nie zu süß, ist auch keine knallige Vanille, eher dunkel, wie eine frisch aufgeschnittene Schote hervorragend verblendet! Labdanum sorgt in diesem Teil wohl für eine erweiterte Zeitspanne der Ledernote & lässt es spröder erscheinen. Kaffee nehme ich höchstens minimal war, wenn dann, eher in Form einer herben Untermalung.

Ausklang:

Vanillig-malzig-warme Holznoten diverser Couleur & das Leder bleiben beständig, der Ahorn lugt immer mal wieder hervor. Eine fein-staubige Note (Kakao) ist nun ebenfalls zu erriechen.

Ist Eun McCall's Mission also gelungen? Ja, definitiv!

ABER:

Ich persönlich, bevorzuge mittlerweile meine Whisky's jedoch rauchiger bzw. torfiger,
gerne auch mit einem medizinischen Einschlag von Seetang bzw. Iod. (Islay, Skye, Orkney)

Wäre dieser Duft ein schottischer Whisky so wäre er ein typischer Vertreter der Highlands.
Aus meiner Sammlung derer, die aktuell offen sind erinnert der Duft mich am Ehesten:

An einen Blend (wenn's das gäbe) des Tomatin 12 & dem Aberfeldy 12 - lediglich minus das für diesen sehr weichen Vertreter oft beschriebene Heidekraut.

Ich suche immer noch einen Duft der olfaktorisch meinen absoluten Lieblingswhisky abbildet (Lagavulin 16 → Torfrauch, Meersalzige Gischtnoten, Trockenfrüchte) aber gut, solange es diesen (noch) nicht gibt - nehme ich eben sehr gerne mit diesem Vorlieb!

Gegen eine Connaisseur-Limited(Extreme?)-Version von Spiritcask, mit Torfrauch & stürmischen Seenoten hätt' ich so gar nichts einzuwenden ... Trau dich, Eun!
(Ich weis, dass dies möglich wäre...)

Ich bedanke mich ️herzlich für's Lesen & wünsche einen genussreichen Abend!
Was bleibt mir noch zu sagen?
Ahja: Sláinte! :)

Zum Schluss lasse ich nochmal Herrn McCall sprechen:
"Spiritcask is a boozy, easy wearing - yet still unique and interesting Vanilla."
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