Séville à l'Aube 2012

GitaOgg
18.01.2016 - 17:17 Uhr
22
Top Rezension
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft

Omas Garten

Vor dreißig Jahren, als ich noch ganz klein war, hatte meine Oma einen Garten. Hier baute sie zusammen mit meinem Opa alles an, was man so zum Leben brauchte: Kartoffeln, Bohnen, Erbsen, Möhren... es gab Apfelbäume, Kirschen und Pflaumen... und es gab Blumen, viiiiiele Blumen.
Im späten Sommer, wenn alles reifte und meine Großeltern mit der Ernte anfingen, lief ich immer durch den Garten und "erntete" duftige Blumensträuße für Mama.
Klingt idyllisch, war es aber gar nicht, denn meine Oma hat immer geschimpft wenn ich ihr alle Blümchen rausgerissen hatte:"Lass das bleiben, du olle Zippe!"
Habe ich gehorcht? Nein, der Drang war stärker und so mussten Rosen, Tulpen, Malven etc dran glauben. Horden von nett schnuppernden Blumenköpfen mussten ihre Blätter lassen, da erwische ich ein kleines, oranges Blümelein - Zack, der Kopf war ab und URGS.
"Zippe, das ist eine Studentenblume" hörte ich Oma mit einem Grinsen sagen. Ich glaube sie freute sich ein wenig, weil mich dieser Stinker ziemlich entsetze. So was hätte ich von einer Blume nicht erwartet - nein... wirklich.... kleine Blumen sollten nicht so riechen!
Es wäre gelogen, wenn ich schreiben würde, danach war ich kuriert und habe keiner Blume mehr etwas zu Leide getan (denn das habe ich noch bis ich ca acht war) aber ich kann mich nicht erinnern jemals wieder eine Studentenblume gepflückt zu haben. Unnötig zu erwähnen, dass Oma in den folgenden Jahren verstärkt Studentenblumen pflanzte und ihr somit wenigstens ein paar Blumen blieben, die den Garten bedufteten.

So, und nun stehe ich Jahrzehnte später in einer Parfümerie und schnuppere an einem L' Artisan nach den nächsten. Zack, Deckel ab und sprühen... nächster Teststreifen und URGS
Da ist sie wieder, diese bittere, giftig-grüne und beißende Studentenblume. Um meiner Mama den Duft zu zeigen sprühe ich mir einen kleinen Spritzer aufs Handgelenk und fahre umgehend zu ihr. Doch schon während der halbstündigen Fahrt wird der Duft weicher, süßer, üppiger. Orangenblüten und Jasmin gesellen sich dazu und lassen den Duft strahlen. Bei ihr angekommen halte ich ihr ohne große Umschweife den Duft unter die Nase und wir sind uns einig: Omas Garten! Und zwar der Ganze mit ALLEN Blumen, bevor die kleine Zippe die Hälfte geköpft hat.
Mittlerweile finde ich den Duft immer schöner, er weckt längst vergessene Erinnerungen in mir und wird immer voller. Die bittere Studentenblume ist längst gezähmt, steht friedlich mit der restlichen Flora im Beet - ist dabei aber immer noch präsent genug, um diesen Duft zu etwas Besonderem zu machen.
Gegen Abend, nach ca. 6 Stunden, klingt der Seville dann warm und weich auf meiner Haut aus und ich bin überrascht sowie verliebt. Auf meinem Pullover rieche ich ihn noch am nächsten Tag.

Ich werde ihn mir kaufen müssen und ich werde Studentenblumen in meinem Garten pflanzen....
6 Antworten