Naaase
04.05.2014 - 04:49 Uhr
Top Rezension
9Duft

Das "kräuterige" Limetten-Moschus-Schiffchen

Was erfahren wir im Internet über "Nobile 1942" ?

Uns wird mitgeteilt, dass der Firmengründer, Umberto Nobile, im Jahr 1942 die Entscheidung traf, sein Unternehmen zu gründen. Daher -wir vermuteten es bereits- auch der Zahlenzusatz im Namen. Das ist natürlich eine Firmentradition, die, gemessen an dem Leben einer Eintagsfliege durchaus als beachtlich angesehen werden kann. Jedoch namhafte Firmen wie "Creed" wird diese Tradition -gemessen zumindest an deren eigenen Marketing-Strategie- womöglich nur ein müdes Lächeln entlocken, jedenfalls deren Kinnlade nicht zum Vibrieren bringen. Dieser Duft umschmeichelte mithin -soweit bekannt- auch nicht den Körper gekrönter Häupter und ist möglicherweise auch nicht mit der Titanic untergegangen. Und das ist auch gut so. Aber dazu später ...

Denn: Dieser oben bereits erwähnte Herr Umberto Nobile, mithin -wie es unsere Berliner Freunde ausdrücken würden "der Scheff det Janzen"- folgte seiner Leidenschaft für edle und rare Essenzen und begann diese -wie bereits an dieser Stelle verraten werden soll: Glücklicherweise (!!!)- zu seinem Beruf zu machen. Und das war mit Sicherheit nicht ganz so einfach. Denn, wie nicht nur die geschichtlich Interessierten unter uns wissen, hatte er sich für dieses Vorhaben nicht den glücklichsten Zeitpunkt ausgesucht. 1942 hatte die Welt zweifelsohne andere Sorgen und Nöte als das Bestreben, möglichst gut zu duften. Man verzeihe mir das mitunter etwas platte Wortspiel: Es ging wohl damals eher darum, vor den schrecklichen Wirren des grausamen Zweiten Welt-Krieges zu "verduften".

Dennoch gelang es ihm, das Unternehmen aufzubauen und zu erhalten. Wofür ihm großes Lob und Anerkennung für seinen Mut und für seine Leidenschaft gebührt. In der Folgezeit blieb es anscheinend auch ein Familien-Unternehmen. Denn: Zwischenzeitlich teilt sein Neffe Massimo seine Leidenschaft und kreiert mit großem Elan die Kollektion der Nobile-Düfte.

Weiter ergab die Internet-Recherche, dass alle in den Düften enthaltenen Essenzen durch aufwändige Prozesse und auf absolut natürliche Art und Weise gewonnen werden. Das eigens dafür entworfene Hestellungsverfahren soll den Düften eine einzigartige Eigenschaft verleihen, so dass alle Düfte dieser Marke mit einem Echtheitszertifikat und einer Widmung versehen werden, die die Echtheit des Parfums bestätigen.

Ich hätte diesen Umstand nicht erwähnt, wenn man das nicht auch riechen würde. Ich meine damit die Natürlichkeit der verwendeten Rohstoffe. So auch bei diesem Exemplar:

Wie bereits "Apicius" -wie in all' seinen Kommentaren: Äußerst fachkundig und lesenswert- schon anschaulich geschildert hat, beginnt dieser Duft sehr "kräuterig": Ich vermag den in der Duftpyramide angegebenen Rosmarin, kaum wahrnehmbar begleitet von etwas -jedoch dort nicht erwähnten- Oregano wahrzunehmen. Möglicherweise den -dort wiederum aufgelisteten- Beifuß. Aber: Zu meiner Verwunderung zunächst nichts, was auch nur im Entferntesten an eine Zitrusfrucht denken lassen würde. Dieser Umstand erstaunt, denn von der Ausrichtung handelt es sich hier (natürlich im besten Sinne) um ein "Eau de Cologne". Ich meine damit: Dieser Duft soll zunächst einmal seinen Träger erfrischen und damit erfreuen. Wer einen stark und schwer abstrahlenden "Aufreißer-Duft" sucht, der sollte die Lektüre an dieser Stelle beenden.

Also: Zunächst erfreuen wenige (aber sorgsam ausgewählte) Gewürze natürlichster Herkunft unsere Nase. Erst später kommt dann endlich die so sehr herbeigesehnte Zitrusfrucht und gesellt sich zu dem "Würzigem". Es ist aber keine spitze und scharfe Zitrone (erst recht kein Klo-Reiniger), sondern eher eine sanft die Nase umschmeichelnde Limette, die sich nach und nach versucht, forsch in den Vordergrund zu spielen. Um es mal frei nach Wowereit zu sagen: "Ich bin erfrischend und das ist auch gut so." Ist es in der Tat. Denn: Die Gewürze verweilen noch auf dieser olfaktorischen Bühne und überlassen "Frau Limette" zu keinem Zeitpunkt die alleinige Hauptrolle. Und nicht nur Wowereit findet das gut so. Auch ich. Denn -in der Tat- wir finden hier eine sehr natürliche und zweifelsohne zu Lebzeiten sehr glückliche Limette, die in diesem Duft zweifellos die Krönung ihres erfüllten, wenngleich auch etwas zu kurzen, Lebens erfährt. Ob das oben bereits erwähnte besondere Herstellungsverfahren beinhaltet, dass den verwendeten Limetten zu Lebzeiten, als sie sie noch in lichter Höhe am Baum hängend die Welt von oben betrachten konnten, möglicherweise italienische Opern vorgespielt wurden, konnte in der Kürze der Zeit im Internet nicht recherchiert werden. Denkbar ist es. Aber welche Musik hätte denn zu dieser Limette gepasst ? Sicherlich nicht der (zweifellos sehr verständlich) schwermütige "Gefangenen-Chor" aus Giuseppe Verdis "Nabucco". Aber was dann ? Auch wenn ich jetzt den Nationalstolz unserer italienischen Freunde verletzen werde: Dann schon eher der "Vogelhändler" in Mozarts "Zauberflöte". Wie gesagt: Das Ganze natürlich sehr zurückhaltend und keinesfalls aufdringlich. Im weiteren Verlauf noch Untermalt von Iso-E-Super, was diesem Duft eine weitere leichte und beschwingte, ja fast schon "maritime", Note verleiht.

Doch dann ? Fanfaren !!! Monsieur -Verzeihung- Signore "Moschus" betritt die Bühne. Imposant und erfurchtsgebietend. Doch keinesfalls jedoch übertrieben animalisch und aufdringlich. Denn bereits kurz nach seinem Auftritt fügt er sich uneigennützig in das "Gesamtkonzert" mit ein, wenngleich ihm spürbar -oder besser gesagt "riechbar"- bewusst ist, dass er es fortan ist, der die Hauptrolle inne hat. Er gibt nunmehr den Ton an, wenngleich Limettchen, Gewürzchen und das kleine maritime "Iso-E-Schiffchen" durchaus noch mitspielen dürfen. "Signore Moschus" zieht die Oper nunmehr eindeutig in die männliche Richtung und wird für lange lange Zeit nicht den Heldentot sterben.

Insgesamt: Alles sehr sehr schön ineinander verwoben, erfrischend, natürlich - aber auch männlich markant. Den Träger umgibt -für überraschend lange Zeit- ein männlicher "Frische-Hauch", der angenehm in ein paar Hölzchen ausklingt.

Klare Kaufempfehlung insbesondere für den Sommer (aber auch in den anderen Jahreszeiten sehr gut tragbar). Warum dann "nur" 90 % ? Ich habe es "meinem" Colonia von AdP versprochen, dass ich keinem Sommerduft mehr als 90% geben werde. Und man kann ja nie ausschließen, dass es diesen Kommentar lesen wird. So nach dem Motto: Mal sehen, was die Konkurrenz so macht...
4 Antworten
MandelblüteMandelblüte vor 11 Jahren
Einer meiner Lieblingsdüfte. Wunderbar beschrieben !
AthosAthos vor 11 Jahren
Du erfreust mich mit einem kenntnisreichen und einem schön unernst, aber nicht spaßig, eloquent fürmulierten Kommentar! Du kannst Bilder hervorrufen! Respekt!
NaaaseNaaase vor 11 Jahren
Danke, Ronin, für die Info. Da sieht man es wieder mal: Man kann halt dem Internet nicht immer trauen ;-)
RoninRonin vor 11 Jahren
Kleine Korrektur: nicht Massimo, sondern seine Frau Stefania ist Art Directeurin des Hauses und macht zusammen mit wechselnden Parfumeurinnen und Parfumeuren die Parfums. S. das Parfumo-Interview.