Dolce Acqua 2011

Undine
19.04.2012 - 01:39 Uhr
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
2
Duft

Der Hyperlativ oder: Stress im Schlaraffenland

Unsere französischen Nachbarn machen feine Unterschiede. Neben dem "Supermarché" kennen sie den "Hypermarché". Das Wort bezeichnet jene riesigen Konsumentenhöllen, durch die man veritable Einkaufs-Lkws schiebt und in denen man am liebsten Rollschuhe trüge, um seinen Zettel rascher abzuarbeiten.

Im Deutschen ist beim Superlativ Schluss. Obwohl man gelegentlich einen Hyperlativ gebrauchen könnte. "Dolce Acqua" ist so ein Fall – aber der Reihe nach.

Der Umschlag duftete, als ich ihn aus dem Briefkasten fischte. Beim Öffnen wehte mir dann eine kräftige Wolke entgegen. Sehr kräftig. Und unglaublich mandelig-süß (vor meinem geistigen Auge trappelte eine Herde rosa Marzipanschweinchen im Schweinsgalopp vorbei) – ein Vierteltröpfchen "Dolce Acqua" hatte sich selbstständig gemacht. Zum Glück hatte die vorsichtige Absenderin das Behältnis in eine Plastiktüte gehüllt, die war fix entsorgt. Doch die kraftvolle Süße strömte weiter, aus der Versandtasche, aus papierenen Beilagen, von der Außenseite des gläsernen (!) Sprühers. Also auch den Umschlag entsorgen. Und ab mit dem Rest in ein derzeit unbenutztes Zimmer unterm Dach, Fenster auf, Tür zu. Die gnadenlose Süße schlich sich dennoch ins Erdgeschoss. Aber da war sie auszuhalten. Und zwei Tage später verflogen.

Anderswo blieb sie. Aus der Mülltonne wehte sie mich eine gute Woche lang bei jedem Deckelöffnen an, bis zur Leerung. An den Papphüllen anderer Proben, vorm Fenster unterm Dach deponiert, hängt auch jetzt, zwölf Tage später, noch energische Süßwasser-Aura, obwohl die Frühlingssonne draufgeknallt hat.

Auf der Haut – einmal habe ich's riskiert – erwies sich die Sillage als noch überwältigender, trotz dezentester Dosis. Die Haltbarkeit ebenso, Abwaschen war mühsam. Musste aber sein. Denn je länger es dauert, desto schwerer lässt sich dieses Hyperlativ-Süßwasser ertragen. Keinerlei Duftentwicklung. Kein Pfiff, keine listige Beweglichkeit wie beim Süße-Superlativ "Doolciiisssimo" (siehe Kommentar dort). "Dolce Acqua" stand einfach nur vor mir wie ein gewaltiger Monolith aus Konditorenkram – eine Kinderbuch-Erinnerung lebte auf: Schlaraffenland, Leute futtern sich am Eingang durch Süßigkeitenberge, verzückten Blickes. Hier würden sie gequält und furchtsam gucken angesichts des pappig-zähen Mandelsirupzuckerzeugs mit Synthetik-Touch.

Stress im Schlaraffenland. Quietschrosa Marzipanschweinchen, so weit das Auge reicht – oder sind es Marzipanelefanten? Keine Ahnung, ich seh' nichts mehr, ich deliriere, alpträume ;-))… (Hatte ich schon erwähnt, dass ich Marzipan nicht mag?)

Danke, Calliste, für das bemerkenswerte Dufterlebnis. Ich möcht's nicht missen. Aber auch nicht wiederholen ;-).
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