Pyrgos 2010

Leolu
25.12.2010 - 09:24 Uhr
9
Hilfreiche Rezension
7.5
Haltbarkeit
9
Duft

Ein Hauch von Weihnachten

Es ist kein Zufall, dass ich mir ausgerechnet Pyrgos für meinen ersten Kommentar auf Parfumo ausgesucht habe. Heute ist Weihnachten, und der Duft, den Pyrgos verströmt, passt ausgezeichnet dazu. Doch zunächst ein paar Worte zur Marke.

Der Italiener Enrico Bucella beschwört mit seiner Linie "Sigilli" (zu Deutsch: Siegel) die Zeit der Antike herauf: "Trahit sua quemque voluptas" (Jeder fühlt sich zu dem hingezogen, was ihm gefällt). Das Zitat, das zum Markenauftritt von "Sigilli" gehört und das von Vergil stammt, prangt auf jedem Flakon der Reihe. Zusammen mit den in einem Wappen eingebetteten Initialen des parfümistischen Autors verleiht es der Marke ihr typografisches Siegel. Das olfaktorische Konzept ist der Antike ebenso verpflichtet, was in vielen der Namen zum Ausdruck kommt, die Buccella seinen insgesamt elf Kreationen gegeben hat: Neben Pyrgos tauchen da Athunis, Claudiae, Ferfaen, Ea, Volumna oder Thus auf. Fast allen Sigilli-Düften gemeinsam ist die Fokussierung auf Gewürze, Kräuter und Pflanzen aus dem Mittelmeerraum, die bereits von Etruskern und Römern geschätzt wurden.

Nun also zu Pyrgos. Name und Komposition sind vom antiken Hafen Pyrgos auf Zypern inspiriert. Erst kürzlich, schreibt Buccella in seiner eleganten Sigilli-Broschüre, hätten Archäologen in Pyrgos Askoi und Amphoren (antike Gefässe zur Aufbewahrung von Flüssigkeiten) ans Licht gebracht, die Spuren von Zimt, Lavendel, Bergamotte, Oregano, Anis und Fenchel enthielten. Und wonach also riecht "Pyrgos", der Duft?

Am Fusse der Pyramide, nach einer guten Stunde, ist fast nur noch eine wohltuende, leise summende Wärme von Zimt auszumachen, die von hellen Anisnoten angenehm erfrischt wird. Davor ist der Anis stärker präsent und ganz zu Beginn, beim ersten Aufsprühen, strahlt - beim Einlaufen in den Hafen sozusagen - Bergamottöl mit einem Lavendelakkord um die Wette. Ein weihnächtlicher Duft? Ja, aber auch zu anderen Jahreszeiten gut zu tragender Wohlgeruch. Anders als bei vielen anderen Gourmand-Düften, sind die Sigilli-Kreationen längst nicht so aufdringlich. Sie haften zwar relativ gut, wirken aber nie laut. Es sind intime Düfte, die man aufsprüht, weil man deren aussergewöhnliche Klarheit liebt, weil man sich gern an die Düfte der Kindheit oder an eine Reise nach Italien erinnert fühlt, wo der Wind und die Sonne zusammen mit der üppigen Vegetation die Luft aromatisieren.
Pyrgos erinnert mich auch an Wanderungen durch die Cinque Terre, hoch über dem Mittelmeer, wo man auf schmalen, reich bewachsenenen Pfaden geht und wo einem immer wieder würzige Düfte in die Nase steigen, weil man ein paar Schritte davor einen wilden Thymianstrauch oder einen Oreganobusch mit dem Bein gestreift hat.

Verglichen mit anderen anishaltigen Parfums wie das vergriffene Kenzo Air oder Anice von Etro, ist Pyrgos der diskreteste, zugleich aber auch der am natürlichsten wirkende Duft, der dem Träger oder der Trägerin nie lästig zu werden droht.
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