Zielperson
19.09.2021 - 14:04 Uhr
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Sehr hilfreiche Rezension
8.5Duft 8Haltbarkeit 7Sillage 9Flakon 5Preis

XJ 1861 Naxos oder A*Men Pure Havane

Man kann den Naxos und dessen Komplexität am besten begreifen, indem man zunächst einen kleinen Ausflug zum Mugler Pure Havane macht:

Der Mugler duftet vom Gesamteindruck her vollkommen rund. Ebenso gestaltet sich dessen Duftverlauf: eine perfekte Kugel, die auf einer Glasplatte hinab rollt. Da hüpft nichts, da springt nichts, da klappert nichts. Man bekommt einen mild vanilligen, goldigen Wiesenhonig, der auf einem halbtrockenen hellen Tabakblatt ruht, welches seinerseits mild-feinwürzig (nicht krautig, nicht pflanzensaftmässig) abstrahlt. Das Ganze ist eingehüllt in eine zugedeckelte Wabe aus Honigwachs, so dass die ganz feinen, herb pflanzlichen Duftspuren, die zwangsweise beim Einsammeln des Pollens immer auch mit aufgenommen werden, weggefiltert werden. Auch eine etwaig zu vermutende klebrige Süße verschwindet durch diesen Neutralwachsflter: zur Nase gelangt lediglich eine Idee von minimal karamellieger Malzigkeit, unterstützt von einem Stäubchen Kakao. Das war’s auch schon. Nichts blumiges, rauchiges, ledriges. Kein Puder.

Den Xerjoff Naxos nun kann man sich grundsätzlich fürs Erste ebenso vorstellen. Dabei bleibt es aber nicht! Hinzu gesellt sich ein erdig-torfiger Duftakkord. Man meint ab und an, zartes Leder der weichsten Luxusqualität herauszuschnuppern. Oder sogar auch eine Spur Kiefernharz bzw. junge Kiefernadeln. Wobei dieses torfige die Vanille stark abschwächt. Der Xerjoff ist somit merklich komplexer.

Ist komplexer nun besser? Geschenkt würde man beide Düfte liebend gerne nehmen, mit Sicherheit! Der Mugler weckt die Assoziation einer Wiesenhonig-Tabak-Melanche eingedeckelt in eine hauchfeine Bienenwachswabe. Man riecht an genau dieser Wabenstruktur. Der Xerjoff nun entwickelt das Thema weiter. Man assoziiert mit ihm eine Wildbiene, die gerade waldhonigbepackt über ein diesiges Torfgebiet nach Hause zum Stock fliegt, um die kostbare Fracht abzuliefern. Man riecht sozusagen an dem fliegenden Insekt, welchem zusätzlich noch die Dufteindrücke des „Arbeitsplatzes Natur“ anhaften. Der Geruchseindruck ist somit größer, aber auch irgendwie pieksiger in der Assoziation. Sozusagen wilder, irgendwie auch kantiger, aufgeregter. Es kommt beim Naxos auf den Mugler-Honig das natürliche Drumherum, man möchte fast sagen: das natürliche Wirrwarr obendrauf, als Zugabe quasi. Der abgebildete Duftraum ist beim Xerjoff größer- eben komplexer. Sein Gesamtkonzept ist weitgespannter. Der Mugler ist das extrahierte Resultat, einfach das Ende der Kette. Der Xerjoff ist darüberhinaus auch zusätzlich noch die dokumentierte Entstehung. Außerdem ist Naxos‘ Kopfnote viel reicher. Die Kopfnote des Xerjoff ist tatsächlich um Längen besser!

Aufgrund der schwierigen Verfügbarkeit des Muglers im Herbst 2021 ist der Xerjoff aus dieser Perspektive heraus schwer im Vorteil. Beide Düfte sind toll. Duftzwillinge? Nein! Dieselbe Duftfamilie? Ja! Hab hier mal irgendwo gelesen: wer den Mugler liebt, wird den Xerjoff vergöttern. Das stimmt so, da der Xerjoff die ganze Geschichte erzählt, somit vollkommener, weil hochauflösender ist. Mehr Schöpfung erzählt. Ob dieser Mehrwert nun besser duftet, kann nur ein persönlicher Schnuppertest offenbaren. Purer im Sinne von klarer ist, wie gesagt, der Pure Havane.
2 Antworten
MonsieurTestMonsieurTest vor 4 Jahren
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Das sind wirklich fein empfundene Duftnuancen und ein überaus hilfreicher Parfumvergleich, den du hier sprachlich subtil und mit tollen Bildern präsentierst.
Herzlich willkommen bei Parfumo! :-)
Mina33Mina33 vor 4 Jahren
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Eine sehr tolle und hilfreiche Rezension. Wortgewandt ge- und beschrieben. Ich kann beide Düfte förmlich riechen beim Lesen. Danke dafür.