Mon Parfum Chéri par Camille 2011 Eau de Toilette

Costello
06.04.2017 - 16:22 Uhr
20
Top Rezension
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft

Patchouli/Iris/Pflaume = Chypre? Momente lustvoller Verwirrung ...

Über MPCpC bin ich im Rahmen meiner Suche nach Iris-Düften - jenseits der Klassiker des Genres - beim Lesen einer Rezension zu diesem Duft auf einem englischsprachigen Blog gestolpert, der den Iris-Aspekt der Komposition in den Vordergrund stellte. In den US und in UK wurde die Goutal-Kreation (im Gegensatz zu hier im Forum) intensiv diskutiert und im Ergebnis mehrheitlich gefeiert. Ganz zu Recht, wie ich finde!

Im Gegensatz zu vielen Goutal-Düften, die man einer Art von mit zarter Hand getupfter, "impressionistischer" Parfümschule zuordnen könnte, gesellt sich MPCpC zu einer Handvoll älterer Goutals (Grand Amour, Passion, Heure Exquise), die sich kurvenreicher präsentieren und fest in der "großen" Parfümtradition verhaftet sind. So wie ich "Heure Exquise" sofort als femininere, im Detail aber ganz eigen gestaltete Variante von "No. 19" empfand, schoss mir beim ersten Aufsprühen von MPCpC sofort und mit der Wucht unerwarteten Wiedererkennens "Rochas Femme (vintage)!" in Kopf und Herz. Ein überaus seltsamer Vorgang, ist doch "Femme" - zusammen mit z.B. Mitsouko - ein ikonisches Chypre mit Fruchtakzent, - der Historie nach - im erstem Fall dem Einsatz von Prunol (Pflaume) im zweiten von Persicol (Pfirsich) geschuldet. Und der Goutal? Nun was? Abgesehen von der Note reifer Pflaumen weit und breit kein Labdanum, kein Eichenmoos, woher also nun diese Chypre-Anmutung, die gefühlte Ähnlichkeit zu "Femme"?

Das Geheimnis scheint mir im sehr spezifischen Einsatz von Patchouli zu liegen (einer Note, mit der ich üblicherweise zu kämpfen habe), das den Duft von der ersten Sekunde an prägt und in allen Phasen des Duftverlaufs präsent bleibt. In einem Chypre sorgt Eichenmoos für jene bitter-süße aber immer trockene "Kante" die das Gestaltungsprinzip trägt, in diesem Falle übernimmt Patchouli diese Rolle. Ein EXTREM trockenes, erdiges Patchouli, das zusammen mit der Note von reifen Pflaumen (und etwas Veilchen, die ich kaum wahrnehme) sowie einer Iriswurzel-Note, die mich an Serge Lutens radikalen, großartigen Iris-Klassiker "Iris Silver Mist" erinnert, in einen Akkord mündet, der dem ein oder anderen sicher als muffig, düster und dunkel (auf englischsprachigen Foren läuft das dann unter "gothic") erscheinen wird.

Ich empfinde diesen Akkord, der sich im Duftverlauf immer einmal wieder zu Gunsten der ein oder anderen Note verschiebt, als schillernd, warm, einladend, innovativ, charaktervoll und ungemein elegant. Und keinesfalls düster oder muffig. Und vor allem und erstaunlicherweise jederzeit tragbar.

Wer immer sich für IrisWURZEL- oder Patchouli-Düfte, für herb-erdige Düfte, für Chypre oder Parfüms der großen alten Schule interessiert, sei MPCpC unbedingt ans Herz gelegt. Für mich ein großer Wurf, in dem sich Geschichtsbewusstsein und Innovation zu einem herzerwärmenden Moment höchst reizvoller Haute Parfumerie fügen. Großartig!
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