L'Avion von Harry Lehmann

L'Avion

loewenherz
25.03.2018 - 14:30 Uhr
14
Hilfreiche Rezension
8Duft 6Haltbarkeit 6Sillage 6Flakon

'Wind Nord/Ost, Startbahn null drei...'

'...bis hier hör' ich die Motoren.
Wie ein Pfeil zieht sie vorbei,
und es dröhnt in meinen Ohren.
Und der nasse Asphalt bebt,
wie ein Schleier staubt der Regen,
bis sie abhebt und sie schwebt
der Sonne entgegen.'

Eigentlich folge ich beim Verfassen meiner Kommentare ja der ungeschriebenen Regel, ein und dieselbe Analogie, dieselbe Metapher oder denselben Referenztext nur für ein und nicht für ein zweites Parfum noch einmal zu benutzen. Reinhard Meys 'Über den Wolken' habe ich nun schon für meinen Kommentar zu Roads' White Noise verwendet - und ja: da passt er auch (noch immer). Und doch bediene ich mich desselben Textes hier noch mal.

'Ich seh' ihr noch lange nach,
seh' sie die Wolken erklimmen.
Bis die Lichter nach und nach
ganz im Regengrau verschwimmen.
Meine Augen haben schon
jenen winz'gen Punkt verloren.
Nur von fern klingt monoton
das Summen der Motoren.'

Als ich bei White Noise von 'Über den Wolken' geschrieben habe, meinte ich eben das: 'über den Wolken'. Das Licht, das Weiß, die scheinbare Unendlichkeit und Unsichtbarkeit alles Irdischen, das uns bedrängen und bedrücken mag, unterhalb jener Wolkendecke. In Roads' Big Sky finde ich ein ähnliches Thema transportiert. Dabei geht es in Reinhard Meys berühmtem Lied in den meisten Zeilen um die Welt hier unten. Und deren Geruch.

'Dann ist alles still, ich geh',
Regen durchdringt meine Jacke.
Irgendjemand kocht Kaffee
in der Luftaufsichtsbaracke.
In den Pfützen schwimmt Benzin,
schillernd wie ein Regenbogen.
Wolken spiegeln sich darin -
ich wär' gern mitgeflogen.'

Harry Lehmanns L'Avion ist ein sehr irdischer Duft. Zugänglich. Geerdet. Nachgerade bodenständig. Und doch - oder gerade darum mangelt es ihm an nichts. Da ist eine zartfeine Seifigkeit und ein warmgolden-krautiges Grün, das seinem vage nostalgischen Wesen nach eher an die Jahre erinnert, als Reinhard Mey ein junger Barde war, als an das Grün, wie es in den Düften der Gegenwart anzutreffen ist. Das ist sehr schön. Dazu eine helle, fast schüchterne Blumigkeit wie Gänseblümchen auf dem Grünstreifen am Rande der Startbahn - und ja: ein bisschen auch der nasse Asphalt und das Regengrau, der Benzinregenbogen in den Pfützen - und der Kaffee in der Luftaufsichtsbaracke... Und aus all diesen Gründen geht für mich der Name 'Flugzeug' für diesen unterschätzten, schönen Duft, völlig in Ordnung.

Fazit, das ich - Lehmanns L'Avion in der Nase - nicht anders als mitsummen kann:
'Über den Wolken -
muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.
Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man,
blieben darunter verborgen und dann
würde, was uns groß und wichtig erscheint,
plötzlich nichtig und klein.'
1 Antwort
TtfortwoTtfortwo vor 8 Jahren
Es freut mich doch sehr, daß Du den jetzt einen oder anderen Lehmann anriechst.

Schöne Ostern, Susanne