Florblanca
Florblancas Blog
vor 12 Jahren - 16.07.2012
23

Interview mit Ramón Monegal anläßlich seines Besuchs in Deutschland am 11.07.2012

Florblanca:         Ramón, wann fing bei Dir die Leidenschaft  für Düfte an? War das eine logische Entwicklung aufgrund der Familiengeschichte Monegal?

Ramón:            Im Grunde ja, vor allem war es der Wunsch meines Vaters, das kam aber erst später. Als ich 14 Jahre alt war, ist Myrurgia abgebrannt und ich habe damals beim Wiederaufbau geholfen. Vor allem im Labor kam ich dann mit der Parfümerie direkt in Kontakt und fing an mich für die Parfumherstellung zu interessieren.  Eigentlich wollte ich Architekt werden und fing als junger Mann auch ein Architekturstudium an, habe es aber nicht beendet und lernte dann von Grund auf das Parfumeurshandwerk. Ich war in Genf, Paris und in Grasse um mir ein fundiertes Wissen aneignen zu können. Vor allem meinem Mentor Jordi Pey habe ich viel zu verdanken.

 

Florblanca:         Wie lange braucht man um als Parfumeur ausgebildet zu werden?

Ramón:            Insgesamt dauert es ca. 10 Jahre, bis man sich als Parfumeur bezeichnen kann.

 

Florblanca:         Wie siehst Du das Ende von Myrurgia?

Ramón:            Es ist natürlich traurig, wenn ein so großes Unternehmen verschwindet. Mein Urgroßvater, Ramón Monegal, hatte in Barcelona eine Fabrik für diverse Drogerieartikel. Darunter auch Farben und Lacke, Waschmittel, Seifen und auch Parfums. Sein Sohn, mein Großvater Esteve Monegal Prat,  war Bildhauer und sein Interesse am Unternehmen beschränkte sich auf die Parfums. Also hat Ramón Monegal die Parfums ausgegliedert. Dieses neue Unternehmen konnte er aber nicht Monegal nennen, denn so hieß bereits sein erstes Unternehmen. Also nanne er es Myrurgia. Er war bis spät in die 40er Jahre President und absoluter Kopf von Myrurgia und mein Großvater Esteve gab Myrurgia ein Gesicht. Später hat mein Vater Myrurgia übernommen und nach ihm mein älterer Bruder Esteban. Ich arbeitete seit den frühen 70ern als Parfumeur bei Myrurgia und war später auch Vice President des Unternehmens. Da mein älterer Bruder aber Bankier war, war Myrurgia für ihn eine andere Welt. Dennoch haben wir in den 80er Jahren Dr. Payot aufgekauft, später auch Aigner Parfums und ich habe für Aigner diverse Parfums kreiert. 2001 wurde Myrurgia dann an Puig verkauft, Puig bat mich aber, als Parfumeur zu bleiben, was ich dann zunächst auch tat. Das Ende von Myrurgia kam dann 2008, als Puig die Produktion von Myrurgia eingestellt hat. Zwischenzeitlich wurde auch das letzte Parfum, Maja, nach Mexiko verkauft.

 

Florblanca:         Hast Du schon einmal überlegt, die Myrurgia Düfte neu aufzulegen?

Ramón:            Nein, derzeit beschäftige ich mich nicht mit solchen Gedanken, zumal alle Düfte heute – allein schon aufgrund ihrer Ingredienzen – reformuliert werden müßten.

 

Florblanca:         Trainierst Du Deine Nase? Wenn ja, wie?

Ramón:            Ja, das tue ich, durch andauerndes Riechen, Riechen und nochmals Riechen.

 

Florblanca:         Kann jeder Mensch Parfumeur werden? Welche Voraussetzungen muss man mitbringen?

Ramón:            Ja, ich bin überzeugt davon, dass jeder Mensch Parfumeur werden kann, so wie jeder Mensch im Grunde Koch werden kann. Sicherlich ist es – wie beim Koch – die Leidenschaft, die jemand, wenn er ein guter Parfumeur sein möchte, haben muss, so wie ein Koch die Leidenschaft für gutes Essen haben sollte.

 

Florblanca:         Wann ist der Entschluß gereift, Deine eigene Marke zu gründen?

Ramón:            Das war 2008, als Puig die Produktion von Myrurgia eingestellt hat. Ich wollte nicht mehr Auftragsarbeit nach Marketing-Gesichtspunkten erledigen. Ich wollte kreativ sein und das ist für einen angestellten Parfumeur recht schwierig. Also verlies ich Puig, nahm mir ein Jahr Auszeit und gründete 2009 mein eigenes Projekt. Heute ist dieses Projekt ein Projekt der ganzen Familie. Wir möchten es für unsere drei Kinder, Óscar, meinen ältesten Sohn, Laura, meine Tochter, und Héctor, den jüngsten, unseren Benjamin, aufbauen und ihnen gutes Handwerkszeug mitgeben, um es später weiterführen zu können.

Im Grunde ist dieses Projekt unser viertes Kind geworden. Meine Frau Maria ist genauso stark involviert wie ich, allerdings ist sie die Planerin und die Kauffrau und ich der Kreative, der Künstler.

 

Florblanca:         Wie kommen die Ideen für die Düfte zustande? Holst Du Dir Anregungen aus der Natur?

Ramón:            Die meisten Düfte kamen durch bestimmte Ereignisse zustande, die mir dann eine Idee geben. So habe ich z.B. meinen 50sten Geburtstag in einem spanischen Patio (innenliegender Garten) gefeiert, in dem viele Orangenbäume standen. Anlässlich dieses wunderbaren Tages mitten unter diesen Orangenbäumen habe ich dann „Entre Naranjos“ kreiert, um den Duft wiederzugeben, der mich von Blättern, Blüten, Früchten, Bäumen und Erde an diesem Tag erreicht hat. Entre Naranjos enthält vier Komponenten der Orange: das Petit Grain der Blätter, das Neroli der Blüten, das ätherische Öl der Orangenschale und  eine Komponente, die die Baumrinde vermitteln soll. Die Erde wird durch Patchouly verkörpert.

So sind es also die Ereignisse die zum Duft führen und die Anregungen aus der Natur, die genau zum Ereignis passt.

 

Florblanca:         Was ist zuerst da: der Duft oder der Name?

Ramón:            Seltener der Duft, meist ist der Name zuerst da, bzw. ein bestimmtes Ereignis, das zum Duft führt. „Lovely Day“ z.B. habe ich anlässlich der Hochzeit meines ältesten Sohnes Óscar am 10.10.2010 kreiert. Der Duft sollte diesen wunderschönen Tag, das Glück, die Schönheit und die Liebe, für immer festhalten.

 

Florblanca:         Ist die Namensfindung in verschiedenen Sprachen nicht ein wenig verwirrend? Wie kam es dazu?

Ramón:            Nur auf den ersten Blick. Im Zuge der immer weiter fortschreitenden Internationalität, ist es doch schön, dass wir die Freiheit haben, auch andere Sprachen für die Namensgebung zu verwenden. Es hat sich einfach so entwickelt, und viele Namen wurden auch von meinen Kindern entwickelt. Unsere Kunden mögen es.

 

Florblanca:         Warum gibt es zu Deinen Düften keine Geschlechter-Spezifikation?

Ramón:            Die Geschlechterspezifikation für Düfte ist eine Marketing-Erfindung. Die meisten Düfte können ohnehin von beiden Geschlechtern getragen werden. Entweder ein Duft gefällt mir und passt zu mir, oder eben nicht. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob es ein femininer oder maskuliner Duft ist. Ich überlasse es meinen Kunden, selbst zu entscheiden und gebe ihnen so mehr Freiheit in der Auswahl.

 

Florblanca:         Was sind Deine schönsten Arbeitsmomente?

Ramón:            Der Beginn! Es gibt nichts aufregenderes, als eine Idee zunächst zu Papier zu bringen, die Komponenten auszusuchen und festzulegen und mit der Kreation zu beginnen.

 

Florblanca:         Gibt es Düfte die Du ganz besonders gerne magst?

Ramón:            Ja, Iris und Leder mag ich sehr! Iris, weil sie einer der schwierigsten Düfte überhaupt ist, und Leder einfach weil es wunderbar riecht.

 

Florblanca:         Was dürfen wir von Ramón Monegal als nächstes erwarten?

Ramón:            Puh, das ist eine schwierige Frage! Durch Anfragen aus dem arabischen Raum suche ich nach einem Ersatz für Alkohol, ohne mich auf Öl zu beschränken, und  ich denke, ich habe es gefunden. Auch suche ich nach einem Weg die früher in der Parfümerie verwendeten, wunderbaren „Infusionen“ zu ersetzen. Das würde mir weitere Wege für meine Kreationen eröffnen.

Auch möchten wir weitere Düfte auf den Markt bringen, evtl. einen pro Jahr oder alle zwei Jahre, doch immer mit einem ganz besonderen Event, mit Bezug auf die Entwicklung des Parfums.

                       Auch Extraits könnten irgendwann kommen, dafür gibt es aber bisher keinen
           Zeitrahmen.

 

Florblanca:         Welches ist Dein Lieblingsparfum?

Ramón:           Chanel N° 19, ein wunderbarer grüner Chypre!

 

Florblanca:         Bist Du der Meinung, dass es in der Parfümerie an Kreativität fehlt?

Ramón:            Leider ja. Die Kreativität beschränkt sich meist auf Marketing Ideen. Da wird die Werbetrommel bereits gerührt bevor überhaupt ein Parfum existiert. Gelder werden ausgegeben für Werbung und Marketing und zum Schluss bekommt der Parfumeur den Auftrag, einen 12-Cent-Duft zu kreieren, der den Anweisungen des Marketing folgt. Da bleibt die Kreativität des Parfumeurs leider oft auf der Strecke.

 

Florblanca:         Findest Du, dass die klassische Parfümerie tot ist?

Ramón:            Nein, ganz sicher nicht! Sie findet sich nach wie vor in der Autoren-Parfümerie – durch Marketing als „Nischendüfte“ bezeichnet. Vor allem, wenn tatsächlich der Parfumeur hinter den Düften steht und die Düfte auch mit seinem Namen und Gesicht angeboten werden, was in der sog. „Nischenparfümerie“ nicht immer der Fall ist. Frederic Malle z.B. hat diese Idee wunderbar und sehr seriös umgesetzt. Seine Düfte nennen nicht nur den Namen des Parfumeurs, sondern zeigen auch dessen Gesicht und einiges mehr.

                        Den Begriff „Nische“ verwenden wir in Spanien eher nicht, wir sprechen von Autoren-Parfümerie. Nische ist bei uns in Spanien negativ belegt, da unsere Begräbnisstätten meist sog. Nischen sind.

 

Florblanca:         Bevorzugst Du bestimmte natürliche Materialien?

Ramón:            Ja, bei Blütenessenzen und Pflanzenessenzen auf jeden Fall, aber in geringerem Verhältnis, als früher.

 

Florblanca:         Was brachte Dich dazu ein Buch zu schreiben?

Ramón:            Die Idee, ein Buch zu schreiben, bestand bei mir schon sehr lange. Aber ich wollte kein Fachbuch schreiben. Und als ich Puig verließ und ein Jahr Auszeit nahm, bot es sich an, meine Gedanken zu Papier zu bringen. So entstand mein olfaktorischer Roman, der in einem echten Duft „Quintaessencia“ resuliert. Diesen Duft kann man nicht kaufen, ich habe ihn nur als Aussage zum Buch kreiert und er ist in Barcelona, in unserem Salon, ausgestellt.

 

Florblanca:         Abschließend würde ich gerne wissen, wie Du es siehst, dass mit dem eigentlichen Geschäftsbeginn in Spanien gleichzeitig Dein Geschäft in Deutschland angefangen hat. Das war so sicher nicht geplant.

Ramón:            Das ist richtig, es war so nicht geplant. Doch Deine Aktivität hier in Deutschland brachte uns nun in diese Lage und ich bin sehr glücklich darüber, dass Kunden in Deutschland sich für meine Düfte interessieren. Deutschland hat für mich immer schon eine ganz besondere und sehr wichtige Bedeutung gehabt und als wir in der Familie besprachen, in welches Land innerhalb Europa wir uns mit den Düften als erstes orientieren wollen, sagten meine Frau und mein Sohn Óscar Italien und Frankreich. Ich sagte sofort Deutschland und dank Deiner Initiative ist mein Wunsch nun früher wahr geworden als erwartet.

 

Florblanca:         Vielen herzlichen Dank, lieber Ramón, für dieses ausführliche Gespräch und die vielen         neuen und aufregenden Informationen zu Myrurgia und zu Deinem Projekt RM –  Ramón Monegal. Ich wünsche Dir und Deiner Familie alles Gute für eine erfolgreiche und  wunderbar duftende Zukunft. Ich freue mich sehr, dass ich Dich, Deine Frau Maria und  Deinen Brand Manager Francisco persönlich kennenlernen durfte. Es ist mir eine ganz  besonders große Ehre, die ich mir vor einigen Monaten nie erträumt hätte, und die nun wahrgeworden ist. Ich freue mich schon heute sehr ungeduldig auf das nächste Jahr, wenn wir uns in Barcelona wiedersehen und danke Euch herzlichst für die Einladung.

 

Bilderreihenfolge: Ramón Monegal,  meine Wenigkeit mit Maria und Ramón, Francisco mit Maria und Ramón, Ramón bei der Arbeit (3 Bilder), Ramón in jungen Jahren, Vater von Ramón, Myrurgia Labor, Myrurgia Mazeration, Myrurgia Mitarbeiterstab, Myrurgia Gebäude

23 Antworten