Das Weitergeben der Flamme - Nuit de Noël von Caron

Wer kennt und liebt und pflegt sie nicht – die alljährlichen Rituale? Erst seit ein paar Jahren wird mir zunehmend bewusst, wie wertvoll doch Rituale, Bräuche innerhalb einer Familie oder Lebensgemeinschaft sind! Erst, seit mein Vater mir das gehütete Familienrezept für DAS Weihnachtsessen, das in meiner Familie seit Generationen und NUR an Heilig Abend gekocht wird, übergeben hat, erkenne ich aus einer neuen Perspektive, wie schön das alles war, früher, zu Hause. Mein Vater hat nun kein Publikum mehr. Die Küche bleibt kalt, die Kinder sind alle fort. Stattdessen nehmen unsere Eltern Heilig Abend am Tisch meines Bruders Platz – und bekommen das Weihnachtsessen dort serviert! Ich derweil koche das Gericht für die Familie meines Liebsten. Mein Vater hatte letzte Woche die größte Freude, mit mir meine Zutaten einzukaufen, das hat mich sehr gerührt. Denn – so lautet einer meiner Lieblingssprüche – Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.

Aber: Die Rituale, den Zauber, das muss man auch machen, als Erwachsener, das kommt nicht völlig von allein. Man muss den Baum kaufen und schmücken, damit die Stube heimelig wird. Man muss Gäste einladen, damit man eine feierliche Runde wird. Man kann sich auch besonders anziehen, um an Weihnachten nicht das Gefühl eines x-beliebigen freien Tages im Trainingsanzug zu haben.

So bemühe ich mich denn um eigene Traditionen. Ich schmeiße mich an Heilig Abend in Schale (wie mein Vater früher, er stand in weißem Hemd und Anzugshose in der Küche!) und koche den ganzen Morgen und Vormittag. Ich zieh mir was Schönes an, stecke meine Haare hoch, lege feierliche Musik auf, trage Schmuck und – ratet mal – jaaaa, einen schönen Duft.

Nun sind wir beim Kern der Sache angekommen, das kennt ihr ja vielleicht: welchen denn? Gerade als Mensch mit zahlreichen Düften kommt man an besonderen Tagen in die Verlegenheit, einen quasi zum Königsduft zu küren, den Tollsten auszuwählen, der einem gerade eben am besten liegt. Mir geht es an Geburtstagen, zu Feiern, an Tagen, an denen ich etwas geschafft habe, zu besonderen Okkasionen häufig so, dass ich ratlos minutenlang in meine Duftschublade starre. Meditierend.

Dieses Jahr werde ich eine neue Tradition einläuten. Dieses Jahr ist Nuit de Noel zu mir gekommen.

Über Nuit de Noel habe ich so Vieles und Unterschiedliches gelesen, dass es mich verwirrt. Das fängt schonmal bei der Pyramide an: Caron selbst verrät auf der Homepage nur drei Noten, nämlich Jasmin, sächsisches Moos und Amber. Sächsisches Moos soll wohl ähnlich wie Eichenmoos duften? An anderem Ort habe ich eine Pyramide gelesen, die keinerlei Iris enthält, das scheidet aus meiner Anschauung des Duftes schonmal aus: ich erkenne eine hinreißende Irisnote, über eine ganze Zeit hinweg!

Auch über die Entstehung von Nuit de Noel kursiert so manche Mär. Ernest Daltroff soll den Duft seiner Geliebten und Geschäftspartnerin, Felicie Wanpouille (die übrigens auch für die Verpackungen im Hause zuständig war), die den Weihnachtszauber angeblich so liebte, zugedacht haben. Ein schöner Gedanke. Außerdem soll er in Nuit de Noel versucht haben, den Duft frischer Marron glacè, kandierter Maroni, abzubilden. Ein Hauch weihnachtlichen Desserts also. Auch ein schöner Gedanke. Aber: Brauchen wir diese Gedanken überhaupt, zu einem Duft, der ganz klar dem Weihnachtsabend gewidmet ist? Fallen da nicht jedem von uns gleich eigene, ganz tolle Assoziationen ein? Ich war also neugierig und hatte Lust, den Weihnachtszauber zu testen und eine neue weihnachtliche Dufttradition einzuführen – vielleicht, bei Gefallen.

Und: Nuit de Noel gefällt! Wenn er auch kein einfacher Zeitgenosse ist, ich musste mich tagelang einschnuppern, um ihn schätzen zu lernen. Keine der gefundenen Pyramiden listet Nelken oder andere Gewürze, das ist verwunderlich, denn der allererste und auch anhaltende Eindruck ist der einer ausgeprägten Würzigkeit. Nelke, Zimt… etwas in dieser Richtung. Im Hintergrund die Caron-Rose. Darunter eine herbe Ambernote. Auch etwas Grünes hat der Duft (das Moos der Sachsen etwa!?), das aber keinerlei Kälte einbringt. Und dann, nach einigen Minuten die Iris! Plötzlich erscheint sie, tritt hinter den anderen Noten in hervor und wird ganz prominent. Einfach schön!

So duftet Nuit de Noel denn nach edlen, trockenen Gewürzen, dezenten Blumen, nach Amber auch, aber keinesfalls wie eine Weihnachtsduftmischung, nicht wie ein Potpourri fürs Haus oder wie der Versuch, gebrannte Mandeln und Zuckerwatte vom Weihnachtsmarkt herbeizuzaubern. Die Vanille hält sich recht dezent im Hintergrund. Er ist auch nicht leicht oder überbordend lebendig-blumig. Ein wenig erinnert er mich an L´ Air du Temps von Nina Ricci, das liegt an dem Gewürznelkenanflug.

Ich träume vom weihnachtlichen Paris an Heilig Abend. Ich stelle mir die weihnachtliche Stadt vor, verschneit, Notre Dame auf ihrer Insel, von Ferne leuchtet Sacre Coeur in der sternenklaren Nacht. Ein dunkles schattiges Blau liegt über den verzauberten Parks und Straßen, aus den hohen Fenstern dringt warmes festliches Licht in die klirrend kalten Straßen hinaus...

Esclarmonde für ParfumoBlog

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