Genderbender, Düftespender

Mit Erstaunen - und einiger Verspätung - ist mir soeben aufgefallen, dass ich ausschließlich Frauendüfte trage. Keine Männerdüfte, noch nicht einmal Unisex. Für die meisten Parfumas dürfte das nur ein Schulternzucken hervorrufen (»Ehrlich, dafür braucht die einen eigenen Blogartikel?«), aber so einfach ist das bei mir nicht geartet.

So wie es bei der sexuellen Orientierung nicht nur Hetero- und Homosexualität gibt, sondern Bisexalität und alles dazwischen, ist auch die sexuelle Identität keine Frage von Ja/Nein, Mann/Frau, Cis/Transgender - auch da gibt es ein weites Feld von/bis, und ich stehe irgendwo dazwischen. Die offizielle Bezeichnung ist Genderfluid, allerdings kenne ich die selbst erst seit wenigen Monaten und habe mich selbst immer als Genderbender bezeichnet. Nach außen spiele ich mit Geschlechtsklischees, trage Krawatten und spiele damit, dass ich tendenziell eher androgyn aussehe lasse Leute raten, was ich bin, nur um ihnen dann zu sagen, dass die Antwort doch letztlich schnurz ist.

Unter der Oberfläche nehme ich mich mal als weiblich da, mal eher als männlich, und meistens ist es mir schnurz. Mit meinem Körper bin ich meistens im Reinen - mal hätte ich gerne obenrum mehr, mal fehlt mir was untenrum, und an anderen Tagen stört mich hauptsächlich der Überfluss im Mittelteil - und ich bin zufrieden mit dem, was ich bin. Eine Geschlechtsumwandlung (oder Gender Reassignment) kommt bei genderfluiden Leuten nicht in Frage, schließlich ist die Wahrnehmung, ob ich mehr Frau oder Mann bin, Tagesform; ich möchte weder auf das eine, noch auf das andere Geschlecht festgelegt sein.

Außer, wenn es um Parfum geht. Ich trage nur Frauendüfte, und die meisten von ihnen sind auch noch von der sehr femininen Seite, gerne süß, nur zwei Oud-Düfte, die ich gerne trage, gehen ein bisschen in Richtung unisex. Dabei besitze ich durchaus den einen oder anderen Männerduft, auch ein paar Unisex-Wässerchen, aber ich kann mich nicht einmal dazu bringen, sie zu testen. Ich sträube mich regelrecht dagegen. Kann es sein, dass mein innerer Mann ein kerniger Kerl ist, der mit Parfum nichts anfangen kann? Oder kann ich mich in meiner Frauenpersona selbst nicht riechen und muss das darum übertünchen?

Ehrlich, ich weiß es nicht. Vierzig Jahre alt und kenne mich selbst immer noch nicht. Ich weiß, dass ich Parfums eigentlich immer mag, egal was für einen Tag ich habe, so wie ich auch zu jeder Tag- und Nachtzeit Bücher liebe. Parfums sind auch das einzige »typisch weibliche« Attribut, mit dem ich mich umgebe - ich bin weder für Schuhe noch Kostüme zu halten und interessiere mich eigentlich nur dann für das, was ich anhabe, wenn ich Anzug und Krawatte trage. Ich kombiniere auch eiskalt meinen Männerlook mit Frauendüften …

Vielleicht ist die Antwort viel einfacher. Vielleicht mag ich einfach nur keine Männerdüfte. Ich will schließlich auch nicht, dass sich mein Mann parfümiert (worin ich mit meinem Mann komplett d'accord gehe). Aber vielleicht ist das auch das einzige bisschen Weiblichkeit, das ich niemals aufgeben möchte.