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Duftpsyches Blog
vor 2 Jahren - 29.06.2023
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über die Kluft zwischen Wort und Duft

Jean-Claude Ellena, die geniale Profi-Nase von Hermes, befürwortet und bezweifelt die Sinnhaftigkeit der Einteilungs- und Klassifizierungsversuche von Parfums. Dieser Versuch sei für die Allgemeinheit wenig aussagekräftig, schon deshalb weil die Einzelteile zu wenig bekannt seien. Es hat mich überrascht das bei ihm als Mitglied der Parfümklassifizierungskommission so zu lesen, doch ich denke, damit liegt er richtig. (Jean-Claude Ellena, Führer durch die Welt der Düfte, C.H. Beck-Verlag)

Parfum ist schwer beschreibbar. Die Unterscheidung wie sie seit Mitte der 70iger besteht (z.B. Chypre, Fougere, Blumig, Fruchtig u.s.w. ) sagt höchstens der kleinen Gruppe von Hobbyduftfanatikern was. Und das auch erst, nachdem wir uns in Praxis und Theorie damit vertraut gemacht haben. So dürfen wir dem Urteil erfahrener "Beschreiber" vertrauen, die sich dankenswerterweise darin versucht haben, Anderen eine so ungreifbare, unsichtbare, emotions- und empfindungsreiche Sache wie Duft nahezubringen. Nur mit Worten. In Abwesenheit und räumlicher Entfernung. Welche Aufgabe!

Dennoch nicht aussichtslos. Die "Kluft zwischen Wort und Duft" schließt sich "bilologisch" langsam über Eigenerfahrung und Wiederholung. Sie wird stets weit klaffen müssen, angesichts der Tatsache dass Duft wortwörtlich "unfassbar" ist. Auch wenn wir uns noch so sehr bemühen.
Dennoch:  all die Statements, Empfindungen und Meinungen, die wir austauschen, sowie die Worte nach denen wir ringen, helfen uns je auf ihre Weise. ICH FINDE DAS IST EIN WUNDER! Haben wir dieses Wunder unserem Menschsein zu verdanken? Unseren Nasen?

Das wär zu wenig, meine ich. Tiere riechen viel kompetenter als wir. Ich tippe auf unsere Kreativiät, Sprachgewandtheit, Vorstellungs-vermögen, Erfahrung, Erinnerung, Empfindung. All das was ohne Menschsein unmöglich ist! Die Brücke über die Kluft zwischen Wort und Duft besteht aus Menschsein....

...was das Wundert noch steigert. Bauen wir weiter. Ihr seid wunder-bar. Seid bedankt und umarmt, all ihr Parfumas und Parfumos!

Aktualisiert am 05.03.2025 - 09:10 Uhr
4 Antworten
KäseKäse vor 2 Jahren
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Danke schon allein für den tollen Buchtipp.
Dann möchte ich anmerken, dass Leute, die sich nur oberfächlich interessieren, zumindest eine Vorstellung von Zuschreibungen wie "blumig", "fruchtig" oder "zitrisch" haben, weil sie das aus ihrem Alltag kennen.
Zuletzt: Sicher können viele Tiere besser riechen als wir Menschen. Mich würde aber interessieren, ob es Tiere gibt, die sich aus reinem Selbstzweck beduften. Also nicht, um Sexualpartner anzulocken, Fressfeinde abzuschrecken usw., sondern einfach, weil sie Bock auf den Duft haben. Ob das nur wir Menschen können?
DuftpsycheDuftpsyche vor 2 Jahren
Liebe Käse, das ist eine hochinteressante Frage. Ich könnte mir das gut vorstellen. Katzen zum Beispiel. sie wälzen und berauschen sich ja sichtbar an der Katzenminze, die ihnen einfach unwiederstehlich gut riecht. und das ganz für sich allein....ohne andere Katzen oder erkennbaren zweck.
ich glaube es gibt nur eine einzige Sache die wir Menschen haben und die Tiere nicht: wir haben ich bewusstsein und müssen daher jede Handlung oder Unterlassung früher oder später verantworten. Tiere nicht.
KittmaKittma vor 2 Jahren
Was für ein schöner Gedanke mit deiner Brücke! Danke für den Blog, er hat mir den Tag versüßt.
M3000M3000 vor 2 Jahren
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Ich kenne einen Parfumeur, der immer von der Lyrik der Duftnoten spricht. Das deckt sich mit Deiner Wahrnehmung, oder? Keine sachliche Inhaltsangabe wird uns gegeben, sondern Worte, die Emotion mit Information verbinden. Und einer gewünschten Aussagerichtung, die aber breit und individuell interpretierbar bleibt. Das macht Spaß!

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