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FabianOs Blog
vor 6 Jahren - 06.09.2018
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Duftende Weine - oder: warum der Bogenschlag von Parfum zum edlen Rebsaft so kurz ist

Parfum ist schon seit Kinderbeinen, etwa 1994, eine meiner Besessenheiten. Wein, vornehmlich roter, kam etwa 2008 hinzu, kurz nachdem meine Frau mich 2007 zum Abschluss meines Studiums wiederum mit einem Whiskybuch beschenkt hatte, was zunächst mein Einstieg in die große Welt der schottischen Edelspirituosen war, dem dann der Erweiterungsschwenk Richtung Vino folgte.

Whisky habe ich nun auch schon reichlich gesammelt, wenngleich ich ihn - gemütlichkeitsbedingt - immer erst gegen Oktober nippe, wenn es draußen kalt und grummelig ist, und in jedem Frühjahr damit ende.

Der Wein hingegen erfreut mich ganzjährig und man muss es wahrhaftig als eines meiner großen Hobbys bezeichnen, ist mein Bücherregal doch mittlerweile mit einigen Kilogramm Fachliteratur bestückt, in der selben Etage wie meine (etwas schmalere) Parfumbuchsammlung.

Diese räumliche Nähe ist nun kein Zufall, gehöre ich eben zu jener Kategorie Weintrinker, die in ganz erheblichem Maß die Nase einsetzen, vor und während des Trinkens, um die aromatische Kunstfertigkeit der Winzer - sofern gegeben - voll und ganz auszukosten.

So ergibt sich in der Summe ein wesentlich längeres und intensiveres Verharren meines Riechkolbens im Weinglas, als ich mittlerweile dem Parfumgeschnupper widme, bringe ich doch regelmäßig durchaus einige gemächliche Abendstunden damit zu, mich an entsprechenden 2 oder 3 Gläsern Rotwein zu erfreuen.

Der interessante Aspekt im Vergleich "Parfum vs. Wein" ist für mich - neben der allgemeinen Freude am Erriechen und Entschlüsseln von Aromen - der Gegensatz von "menschlicher Kunst" zu "Natur-Kunst". Natürlich wirken auch Winzer im erheblichem Maße mit ihrer Expertise darauf ein, wie ein Wein am Ende duftet. Sei es durch den Erntezeitpunkt, die Art und Gründlichkeit der Ernte, die Wahl der Zuchthefen, die Gärzeit, die Länge der Flaschenlagerung und den (Nicht-)Einsatz von Holzfässern.

Letztlich steckt ein beachtlicher Teil der Brillanz der Aromen aber beim Wein doch auch (und letztlich originär) in der Rebsorte, dem Boden, dem Wetter des Jahres, dem Klima, sodass die Großertigkeit eines wirklich ungeheuer schön duftenden Weines mich mitunter mehr als ein Parfum zu faszinieren vermag, ist jeder Jahrgang doch letztlich immer ein Aromenunikat, wohingegen Parfums theoretisch über viele Jahre (Jahrzehnte) identisch nach Rezeptur hergestellt und gemischt werden können und viele Bausteine mittlerweile ja auch synthetischen Ursprungs sind.

Man nehme, um nur einmal ins Schwelgen der Aromenvielfalt von Rotweinen einzutauchen, den wunderbar waldbeermarmeladigen Geruch eines südfranzösischen Côtes-du-Rhônes-Villages, die saftig-rauchig-einladende Machart eines kalifornischen Zinfandels, den sauerkirischig-teerartig-tabaktönigen, manchmal gar animalischen Duft eines toskanischen Sangioveses, das erdbeerig-karamellige Aroma eines Spätburgunders, auch die paprika-cassis-artigen Eindrücke eines klassischen Bordeaux.

Mich beeindruckt und erfreut das seit gut einem Jahrzehnt schwer und verfestigt sich von Jahr zu Jahr, gelangt man doch peu a peu zu einem sehr fundierten Überblick über alle bedeutenden Länder, Stile und Winzer. Was einem tatsächlich viele Blindkäufe im Onlinehandel ermöglicht, die in den allerseltensten Fällen zu Enttäuschungen führen.

Übrigens auch ein interessanter Gegensatz zu Parfum - die Berechenbarkeit der angegebenen Aromen. Endet es bei mir mit dem Kauf nur aufgrund der Aromenliste bei Düften in 9 von 10 Fällen mit einem weitgehenden Reinfall, sind es bei Rotweinen eher 8-9 von 10 (Voll)treffern, sofern die Weinbeschreibung entsprechend gut und präzise war.

Ich bin nach nunmehr fast 1000 kommentierten Parfums hier und einer mittlerweile erreichten Sättigungskurve froh und dankbar, dass ein nahezu nahtloser Schwenk zu Weinkommentaren und -bewertungen, die ich bei Instagram sehr regelmäßig abgebe (vinophilfabi), weiterhin meine persönliche Erfüllung der Auseinandersetzung mit der Welt der Aromen, Gerüche und meiner Riesenfreude daran mit anderen Mitteln bedeutet.

Wo ich bei Parfums gegenwärtig gefühlt meine liebsten 50-60 Düfte auserkoren habe, deren Vorrat viele Jahre reichen wird, zwingt mich das Erscheinen jedes neuen Weinjahrgangs zu einer endlos ablaufenden neuen Auseinandersetzung mit den jeweiligen Klima- und (Un-)wettergegebenheiten und dem oftmals notwendigen und dazugehörigen großartigen Handwerksgeschick der Winzer, die haupt- und nebenverantwortlich die Gerüche beeinflusst haben, die sich im frisch eingeschenkten Weinglas ergeben. So faszinierend.


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