Fhfhfh
Meinungen einer schnüffelnden Nase
vor 12 Jahren - 21.03.2012
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Lob des Kommentars

Die Sonne ist untergegangen, längst schon, und Mitternacht ist noch fern – es ist etwa 22 Uhr. Und doch sind bereits, an diesem stino-Mittwoch (stino = stink normal) über 40 (vierzig!) Kommentare eingegangen. Punkt. Das ist, man kann es gar nicht anders sagen, eine unglaubliche, kulturelle Leistung. Denn was ich gelesen habe (ich konnte und wollte nicht alles lesen), waren durchweg gute Kommentare. Punkt. Kein Dumm- und Flach-Geschwätz, sondern informiert, eloquent vorgetragene Meinungen und Erkenntnisse. Meist auf hohem Niveau, sprachlich, gedanklich und originell, mit spürbarer Ambition zur Gestaltung und Originalität, also weder hingeschnotzt noch copy-pastet. Wunderbar. Wahnsinn. Reichtum – und zuviel.

Warum zuviel? Schlicht: das ist mehr, als ich verkraften, lesen kann. Das ist nicht schlimm, ich kann das meiste nicht lesen, gerade, weil ich täglich fünf überregionale Zeitungen und zwei Wochenzeitungen auf dem Tisch habe. Dazu Magazine, Fachzeitschriften, Internet. Und Bücher. Und die Links von Freunden, Bekannten, Verwandten. Es geht nicht, man kann nicht alles lesen. Geht nicht.

Aber selbst mein geheimes, kleines Spezial-Hobby (es ist nicht einmal das einzige) kann ich nicht mehr überblicken. Nicht einmal parfumo.de kann ich in ganzer Breite überschauen. Neben den Kommentaren gibt es ja noch die Kommentare zu den Kommentaren, die Pinnboards, das Forum, die persönlichen Nachrichten und was habe ich noch vergessen?

Was bedeutet das? Nun, ich lese hauptsächlich, was mich interessiert und noch ein bisschen drumherum. Das ist nichts neues, das ist immer so, aber, ich kann nicht auf Anderes reagieren, kann nicht das Gefühl entwickeln in einem großen Austausch mit den Vanille-Freunden, den Fruchtkörblerinnen, den Rosen-Resis, den Chypromantinnen, den Leder-Freaks, Eichenmoosbärten und Colognisten (wo ich doch ein Holzbauer und Weihrauchbrenner bin) zu stehen, was ich doch so gerne wünschte (manche persönliche Kontakte dabei ausgenommen). Es geht einfach nicht. So werde ich vielen vielen Kommentaren nur per Zufall begegnen, wenn ich mal querfeldein Parföngchen hinterher parfumo-googel oder sonstwie.

Sollten weniger Kommentare geschrieben werden? Nein, keinesfalls. Jeder Kommentar ist wichtig (wenn er nicht, was mir nur selten begegnet, einfach nur runtergerotzt ist). Nur: alle Begegnungen sind höchst selektiv. Die Community, die Zahl der Parföngs und die der Kommentare ist zu groß, als das jeder jeden kennen könnte. Aus dem Dorf ist eine Stadt geworden und was vorher Dorfplatz war, wurde Inter-Gewebe. Das Lagerfeuer ist perdu, stattdessen gibt es ALLE Möglichkeiten. Das ist Verlust und Chance zugleich.

Nun, es ist irgendwie, als blickte man vom Stammtisch auf und fände sich in einer Arena wieder – nur, dass jeder Stuhl in der Arena wieder ein eigener Stammtisch wäre.

Ach verdammt, was solls… es wird noch jeder das ihn Interessierende finden, es wird noch jeder jemanden zum vertraulichen Plaudern finden, man wird tauschen und handeln und einander auf dies oder jenes hinweisen, man wird sich grüßen oder meiden… Und das nicht jeder jeden beim Vornamen kennt, ist dann vielleicht nicht so schlimm. Das war für mich ohnehin das Motiv, warum ich aus dem Dorf wegziehen musste, in dem man sich über mich das Maul zerriss.

Im parfumo-Dorf habe ich ich mich noch stets wohlgefühlt.  Jetzt wirds ne Stadt. Mal sehen, ob ich noch ne Straßenbahnkarte zu lösen verstehe…

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