Hybrid

Hybrid

Rezensionen
Hybrid vor 11 Jahren 13 1
9
Duft
not so fuzzy Fougere
Fougere, ein Klassiker für Männer, ist ja sehr flexibel einsetzbar. Dieser Akkord passt zu vielem, selbst in geringer Menge. Hier muss er sich niemandem beugen. Der Duft ist ja selber ein Fougere, somit ist der Akkord selbst der Herrscher. Beeindruckend auch die Angaben der Duftpyramide, der Wahrheit sehr nah. YSL hat hier nicht viel verheimlicht. Nelke, Geranie und Anis sind ja die Überraschung hier. Aber der König ist der Rosmarin. Keine Bange vor staubigem Coumarin und Lavendel, sie sind eindeutig da, aber vom Lavendel nur höchstens zwei Bestandteile, und bringen ein bisschen blumige Luftigkeit rein, während Patch und Vetiver das Coumarin schon längst erledigt haben.

Ich spüre drei Phasen: einmal die holzig (Vetiver/Patch)-waldigsüße (Guajak) Moschusbasis, einmal darüber liegend ein würzig (Nelke/Anis)-blumiger (Geranie) Layer und als König darüber der Rosmarin. Und zwar der frappierende Rosmarin Verbenon, und das eindeutig. Natürlich ist hier keine Spur Natur enthalten und darf auch nicht. Der Verbenon ist trotzdem die Frische selbst. Wer ihn kennt, weiß, wovon ich rede. Hier wie gesagt ein Laborwunder. Und trotzdem ein Laborwunder, das die urwüchsige Fröhlichkeit des Verbenon eingefangen hat. Kein Zitrus könnte hier in meinen Augen dem Rosmarin das Wasser reichen. Ein sehr sinnvoller Verzicht auf zitrische Frische also.

Der Duft ist für mich so wie seine Flasche. Eine scharfe Architektur. Und außerdem: noch ein diskontinuierter Klassiker. Es ist meine Ansicht. Aber ich liebe den Duft, ich habe ihn von Anfang an geliebt, es war für mich ein Klassiker auf Anhieb. Ist es seine naturnahe Schlichtheit? Ist es der genau überlegte Einsatz von zwei-drei diffusiven Aldehyden? Keine Ahnung. Ich liebe seine Schlichtheit, seine Alltagstauglichkeit und seine dezente Präsenz. Von der Qualität der Materialien bin ich auch beeindruckt. Vor allem: zu so einem Preis. Gut, der Duft war nicht der Hit. Er hätte das in unserer Zeit auch nie werden können. Riecht das Parfum nicht nach Raumduft für den Puff, ist es heute so gut wie tot, sagte mir neulich ein freundlicher Verkäufer. OK, eigentlich habe ich das gesagt. Die Formulierung des Verkäufers kann ich hier auf keinen Fall wiedergeben. Es reicht, wenn ich sage, dass ich nach der Parfumberatung mit ihm stundenlang meine Kinnlade auf dem Boden gesucht habe.

Fazit: ein toller, frischer, kein bisschen fruchtiger (G O T T S E I D A N K) oder gar ambrierter Fougere mit all seinem Drumundran, d.h. mit dem üblichen dunkelwaldigen Fougere-Akkord, aufgehellt durch: ein bisschen Blume, mehr Gewürz als üblich, und endlich durch den Rosmarin gekrönt. Kein bisschen Gourmand, kein bisschen asiatisiert trotz Anis und Nelke (G O T T S E I D A N K), ein bisschen europäische Eleganz für jeden. Bleiben wir mal zur Abwechslung streng im europäischen Rahmen, es muss nicht immer schlecht sein. Jetzt atme wieder frei, mein Freund! An einer Frau würde ich das übrigens genauso lieben! Und nochmal übrigens: nichts gegen Asien, nichts gegen niemanden eigentlich. Aber diese Abwechslung hatte ich persönlich bitter nötig! Ein essentieller Spitzenduft. 90% ohne Bedenken. Sillage und Haltbarkeit...das Übliche: ich darf nichts dazu sagen, mir wäre es sowieso nie genug. Trotzdem: YSL, verdammt sollst Du sein, Du vermaledeiter Hund und alter Hautschmeichler! Noch ein Duft weg.
1 Antwort
Hybrid vor 11 Jahren 26 16
10
Duft
die unsichtbare Kirche
Puhh, mein erster Kommentar und das zu einem gar nicht so einfachen Parfüm, denke ich mal. Ich komme gleich zur Sache: über den Duft hatte ich schon oft gelesen. Getestet -und gleich gekauft- habe ich ihn zum ersten Mal heute in einem Münchner Laden. Und meine Assoziationen gehen auch natürlich in Richtung Wald. Zunächst einmal. Aber keinen deutschen Wald. Zweitens: meine Assoziationen gehen in Richtung -und das noch stärker und in einem Ausmaß, das mich gerade erschreckt- Sonntagsgottesdienst und Kirche. Pinienharz und Weihrauch, ich habe noch nie so was erlebt und für mich und meine nicht empfindliche Nase war es heute ein Schubs von einer kräftigen Hand, als mir die Verkäuferin den benetzten Papierstreifen überreichte.

Denn ich stamme aus dem Süden und wenn die heilige Kommunion ein Parfüm wäre, würde ich darin baden. Gut, das eine hat nichts mit dem anderen zu tun, ich rede wirres Zeug wegen des Dufts. So hat es in Nase und Rachen gekitzelt, als mir der Priester sonntags den goldenen Löffel in den Mund steckte und ich wär nur ein siebenjähriger Bub und trotzdem hätte ich ihm am Liebsten gleich den ganzen Becher aus den Händen gerissen und ausgetrunken. Das ist auch die einzige Form von Alkohol, die mich bis heute zum Trinken einlädt. Blutroter, harziger Wein, Glut in den Adern, für mich die Urform von Ekstase, animalisch sakral. Und das -ausgerechnet das!- hat dieser Duft heute in mir erweckt.

Eine unsichtbare Kathedrale aus Rauchsäulen schwebt über meinem Kopf, Holzstühle, alles triefend vor klebrigem Harz und Myrrhe -kann denn die Bitterkeit niemand riechen?- und was hier von Gewürzen und Früchten geredet wird...das ist für mich Alkohol. Nichts als edler Alkohol, destillierte Sonnenglut aus dem Süden. Der ganze Duft als sinnliches Ereignis war ein Schubs. Kein Knall, denn es gibt kaum Düfte, die mich "schockieren" können, kein Elektroschock. Aber ein Schubs, schon. Am Liebsten hätte ich gleich ein Ticket gebucht. Fernweh oder Nostalgie oder kitschige Schwärmerei vom sonnigen Süden...was auch immer, wen interessiert das? Für mich ist es ein Urgefühl, das hier angesprochen wurde.

Über Physikalisches kann und darf ich kaum was berichten. Haltbarkeit und Sillage sind mir ein Mysterium. Meine Haut saugt selbst stärkste Reize, in diesem Kontext: Duftstoffe, wunderlich auf und somit können sich nicht mal legendäre Düfte auf meiner Haut irgendwie verewigen, und sei es nur für einen Tag. Ich habe alles versucht. Ich habe mich von Kopf bis Fuß eingenebelt. Vielleicht haben sie mich irgendwie "geprägt", unsichtbare Tätowierungen auf meiner abstrakten Substanz, meiner Aura quasi. Aber ich werde hier nichts über diese Eigenschaften des Duftes schreiben, denn ich bin keine zuverlässige Quelle für solche Einschätzungen. Trotzdem: selten so was Spirituelles oder Sakrales gerochen.
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