MB77

MB77

Rezensionen
MB77 vor 2 Jahren 1
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Verduu oder Wer-Ich?
...das ist hier die Frage -und zwar des Sein-Wollens.

Matthew Miller gehört zur Duftkollektion Verduu, die eine Inspiration von Modeschöpfern im Namen tragen. Die Idee ist, dass Mode in Düfte transferiert wird. Dazu werden Parfümeure von Modedesignern instruiert, hier Mark Braxton von eben Matthew Miller, wie deren Visionen zu riechen haben. Ein spannendes Unterfangen, das mit Matthew Miller absolut meinen Geschmack trifft, also in der Nase. Denn seine Mode kenne ich nun wirklich nicht. Soviel vorab zur identitätsstiftenden Frage der Herkunft des Seins.

Wer bin ICH denn nun, wenn Matthew Miller von mir getragen wird? In jedem Fall bin ich ein Mann. Denn der Duft hinterlässt vom ersten Aufsprühen bis zur letzten Instanz des Drydowns keinerlei blumigen oder süßen Interpretationsraum, der Zweifel ob der männlichen Gattung des Träges aufkommen lassen könnte. Hier schreit der Duft lautstark: "Schaut her, da bin ich, ich Prachtkerl!"

Der Auftakt beginnt mit rauchigen, hölzernen Noten, die einen Aperitif aus dem Schnappsschränkchem mitgebracht haben, vielleicht einen schottischen Single-Malt. Dies Mitbringsel zeigt sich jedoch nicht so kitschig wie in Kilians "Straight to Heaven" oder gar Atkinsons "Pirates Grand Reserve". Vielmehr erweitert der Scotch-Whiskey-Ton das verrauchte Timbre des ersten Ausrufs und unterstreicht das Auftreten eines edlen Gentleman.

Matthew Miller erlegt der Personalität einen mysteriösen Waldbesuch auf. Die grünen Spuren lassen Arbeiten beim Baumfällen vermuten, den Besuch einer geheimen Lichtung oder die gezielte Jagd auf ein Wildtier. Es kommen Noten von dunklen Beeren, Hanf, Lorbeeren und Zedernhölzern hoch. Weiterhin deuten Moschus, Bibergeil und Muskatnuss auf maskulines Treiben im Unterholz hin. All dies zeigt sich dezent im Hintergrund. Ein prominenter Fruchtkorb aus Beeren wie in Widians "London" sucht man vergeblich. Die Bestandteile verschmelzen gekonnt zu einem symbiotischen Saft, welcher mir eine animalisch-potente Lebenskraft verleiht. Bin ich nun etwa ein Obelix geworden? Sicher nicht.

Der Duft entwickelt sich über 8 Stunden hinweg je nach Umgebungssituation. Ist es kühl und ruhig, strahlt der Duft die hölzern-warme Rauchigkeit aus und vermittelt eine kühne Gelassenheit, die ein Edelmann von Heute braucht, um sich in dieser harschen Welt orientieren zu können. Kommt der Besitzer jedoch ins Schwitzen, drängt das Animalische in den Vordergrund, gepaart mit deutlichen Weihrauchakkorden. Der nebelige Waldgang steht nun plötzlich mitten im Rauch, die Sillage passt zum gewollten Statement -der Balztanz kann beginnen!

Ich persönlich finden den Duft umwerfend interessant, eben auch wegen der Vielseitigkeit. Stets bleibt er auf der edlen Seite, statt sich oberflächlichem Mainstream hinzugeben. Meines Wissens wird Verduu, und damit auch Matthew Miller, nicht mehr produziert. Glücklich kann sich also jemand schätzen, der den gelb-goldenen Zaubertrank noch in seiner Truhe aufbewahrt.

Wer man damit nun sein möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Die Möglichkeiten im Portfolio von verwegen, laut und stark bis hin zu bedacht, unnahbar und sinnlich hat man jedenfalls stets mit Matthew Miller dabei. Sofern man einen Spritzer abbekommen hat...
0 Antworten