Mareike
Mareikes Blog
vor 9 Jahren - 07.06.2015
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Der Duft von Paris im Frühling in 1463 Worten

Heyho. Madame ist aus Paris zurück. Hier ein viel zu langer Bericht darüber, was ich ich dort so erlebt habe, in Hinblick auf das, was Euch interessiert, also Düfte. Für ganz eilige das olfaktorische Fazit vorweg: Paris roch in diesem Frühsommer nach alter Seife, saftigen Johannisbeeren, dunkler Vanille, roten Rosen und bernsteingoldener Myrrhe, nach Weihrauch, Scheiße und Benzin. Nach Champagner und warmer Haut.

Ich besuchte mal wieder meine Tante, eine ältere, sehr vornehme Dame (nie ohne Hut!), die schon lange in Paris lebt. Sie zog der Liebe wegen dorthin, sie liebt einen Künstler und ihre Geschichte ist nicht so romantisch, wie ihr jetzt vielleicht glaubt. Sie ist noch viel, viel romantischer. Jedenfalls duftet meine liebe Tante immer ganz wunderbar elegant nach alter Seife, also nicht alt im Sinne von „drüber“, sondern so, wie Seife früher gerochen hat. Nicht so frisch wie heute, sondern leicht würzig. Ganz zauberhaft. Und für mich der echte, der eigentliche Parisduft.

Geplant war, also parfümtechnisch jetzt, mir einiges zu kaufen, von dem ich vorher glaubte, dass es das Richtige wäre, wenn man in Paris ist. Besonders Chanel und hier besonders die Exclusivs hatte ich auf der Rechnung, aber auch Atelier Cologne und da vor allem die neuen Sachen. Aber es kam wie immer alles ganz anders.

Im Marais, dem jüdischen Viertel, verbrachten wir diesmal besonders viel Zeit. Dort duftet es nach Falafel und die Spatzen klauen einem die bretonischen Butterkekse aus der Hand. Wir tranken Pastis Mauresque und Espressogranita, sonnten uns bei 35 Grad Celsius auf dem Place des Vosges und ließen es uns gut gehen. Wir kühlten uns in der St.-Paul-Kirche ab, wo es nach Weihrauch roch und bummelten durch die schattigen Arkaden. Dort entdeckte ich den Laden von Parfums et Senteurs du Pays Basque , die hier nicht so populär zu sein scheinen. Ich jedoch war ganz und gar angetan. Ich testete viel, verliebte mich schnell und heftig in "Un jour a biarritz" und ließ deswegen zu, dass meine liebe Tante mir eine Flasche spendierte. Ein wunderschöner Blumenstrauß mit Iris und Rose, saftig-spritziger Johannisbeere und einer leicht süßen, cremigen Vanillebasis. Ein herrlicher Sommerduft, ich glaube nicht, dass ich den jemals bereuen werde.

Im Quartier Latin, auf dem Boulevard St. Germain, der Homebase von Diptyque, hätte ich mich am Liebsten adoptieren lassen. So nette Verkäufer(innen). Ich testete dort einiges, war besonders angetan von den vielen Nicht-Sprühflakons, also den solid perfumes zum Beispiel oder den Roll-Ons. Irgendwie duften die noch ganz anders als die richtigen Parfums, stellte ich fest. Also nicht anders, aber man nimmt sie anders wahr. Das war ein schönes Erlebnis. Ich staubte haufenweise Proben ab, erfüllte mir den langgehegten Wunsch "l'ombre dans l'eau" (als Roll-on) und stattete mich mit der edlen Seife des "34 Boulevard Saint Germain", einem meiner liebsten Düfte, aus.

Im eleganten Halbdunkel von Jovoy teste ich mich dann durch all das, was oberhalb meiner Preisgrenze liegt. Ich versuchte mich an einigen Rojas, an Clive Christian und Sospiro, an XerJoff und vor allem an den „Les Liquides Imaginaires“. Letztere fand ich faszinierend, aber ich hatte bei ihnen vor allem die Alkoholika in der Nase. Und so schön "Dom Rosa - Eau Sanguine" auch ist, ich bin froh, ihn nicht gekauft zu haben. Parfums, die alkoholischen Getränken nachempfunden sind, wie hier Champagner, geben mir immer das Gefühl, ich würde wie eine Trinkerin riechen und das mag ich nicht. So geht es mir zum Beispiel auch mit "Anice" von Etro, den ich gerne tragen würde, aber ich habe Angst, dann in eine Polizeikontrolle zu geraten und wie eine Ouzo-Fabrik zu riechen, aber ich schweife ab. Jovoys Verkäufer bemühte sich sehr um mich, steckte mir am Ende leicht verzweifelt diverse Proben zu, aber ich ging, ohne etwas zu kaufen.

Um den Kopf frei zu bekommen, aß ich drei bis fünf Macarons von Pierre Marcolini (VIEL besser als die von Laduree) und ging danach zu Printemps, in den Parfumjunkie-Tempel, wo ich mich von Regal zu Regal treiben ließ. Ich verzichtete auf einen Test des neuen "Another Oud" von Juliette has a gun, weil Oud mich derzeit einfach nicht interessiert. Ich probierte "Moon Dance" aus, der mir erwartungsgemäß zu dick und tuberosig war, testete noch Diverses von Comptoir Sud Pacifique, The Different Company und Linari, aber nichts rockte mich. Bei Herrn Kurkdjian probierte ich das mir bis dahin unbekannte "Le Beau Parfum", das mir aber ebenfalls zu tuberosig war.

Eine kleine Freude gab es dann bei Eutopie. Von dieser Marke hatten in der Vergangenheit schon einige Düfte meinen Weg gekreuzt, aber keiner hatte mir so richtig gefallen. Die "No. 7" testete ich in Paris zum ersten Mal – und hätte sie mir fast gekauft. So ein schöner Duft! Sehr sommerlich, sehr frisch und grün – und besonders. Ich werde mir da nochmal eine Probe für den Langzeittest besorgen.

Zwei Guerlains standen auf dem Zettel, ich hatte bis dahin weder die Gelegenheit, den neuen "Aqua Allegoria Teazzurra" zu schnuppern, noch den "Mon Exclusiv". Auf beide war ich sehr gespannt, beide empfand ich dann aber (zumindest auf dem Papierstreifen) als völlig überflüssig und werde ihnen deswegen keine weitere Zeile widmen.

Der neue Goutal ("L'Île au Thé") roch langweilig und etwas nach Erbrochenem, hatte eine Sillage im Minusbereich und war erwartungsgemäß nach dreieinhalb Minuten nicht mehr wahrnehmbar. Ich muss aber nochmal betonen: Es hatte weit über 30 Grad, da ist es nicht leicht, gegen den monströsen Moloch, der Paris nun einmal ist, mit seinem Smog, seinen vollgepissten U-Bahnschächten, dem brackigen Seine-Wasser und der Hundescheiße anzustinken. Da ist es mit so einem zarten Wässerchen ohnehin nicht getan.

Das war wohl auch der Grund, warum ich die Erfrischungslieblinge von Atelier Cologne diesmal links liegen ließ. Ich brauche bei Hitze einfach etwas stärkeres. Im Nachhinein ärgere mich ein wenig: Ich war gerade wieder zuhause, da sah ich, dass es einen nagelneuen gibt, der mich sehr interessiert hätte. Aber. Man hat ja auch nur eine Nase (leider, ihr kennt das).

Bei Dior nahm ich ein für allemal Abschied von den Privees, sie entwickeln sich einfach entsetzlich auf meiner Haut. Der neue, "La Collection Privée - Fève Délicieuse", war keine Ausnahme.

Dann zum Abschluss des langen Tages noch zum Chanel-Counter. Ich erfüllte mir den lang gehegten Wunsch, das Extrait von "1932" auszuprobieren. Das war... traumhaft. Der Hammer. For real. Eine Offenbarung. Ich kaufte ihn mir trotzdem nicht, weil es, naja, irgendwie emotional gerade nicht passte. Käufe müssen Bauchentscheidungen sein bei mir und mein Bauch sagte: Ein anderes Mal.

Meine Geburtstagsgeschenke suchte ich mir dann bei "Sens Unique" (13 Rue du Roi de Sicile ) aus. Ich mag den Laden einfach und kann jedem Parisbesucher nur raten, dort mal hereinzuschneien. Man bekommt zwar die allermeisten Parfums in Paris, ohne den Häuserblock Printemps/Galeries Lafayettes auch nur einmal verlassen zu müssen. Aber wer ein paar echte Überraschungen sucht, sollte ruhig einmal raus aus der Komfortzone. Jedenfalls testete ich dort reichlich und mir gefiel auch viel. Zum Beispiel die Düfte von Paul Emilien. Von denen hatte ich noch nie etwas gehört, aber ich fand sie toll. In Erinnerung geblieben sind mir vor allem "Pure Addiction" und "Carrousel". Verliebt habe ich mich auch in den Wildlederschmeichler "Cuir de Nacre" von Ann Gerard.

Dann testete ich zum ERSTEN MAL (wirklich) die Parfums von Hutieme Art. Ich hatte bereits viel über sie gelesen, hatte immer mal den einen oder anderen auf meiner Merkliste, aber irgendwie ist mir nie einer in die Hände gekommen. Ich war hin und weg und konnte mich nur schwer entscheiden, zumal die Duftpalette ja wirklich nahezu jeden Geschmack abdeckt. Von grasig-grün über süß-likörig bis hin zu zuckig-pudrig war alles dabei. Ich entschied mich irgendwann, weil ich mich entscheiden musste. "Myrrhiad" ist nun mein. Der harzig-knarzige Lakritzduft entwickelte sich bei der großen Hitze besonders schön dreckig auf meiner Haut. Nach einigen Stunden blieb nur eine tiefschwarze, rauchige Vanille, die mich einhüllte und mich beschützte vor dem Schmutz der Stadt. Sehr schön. Und die anderen Hutiemes kaufe ich mir dann beim nächsten Mal.

Außerdem suchte ich mir "Deep Island" von Simone Andreoli aus. Ein weiterer Myrrhe-Duft, aber ganz anders als der Myrrhiad. Balsamisch und rauchig, ja, aber eher sommerlich und frisch dabei. Da fehlen mir jetzt noch die Worte zu. Der passte jedenfalls auch hervorragend zu Wetter und seelischer Verfassung.

Als ich mich nach einer viel zu kurzen Woche von der Gastgeberin, meiner lieben Tante, verabschiedete, steckte sie mir eine winzige, alte Miniatur von "L'Air Du Temps" zu. „Du sagst doch immer, ich würde so gut riechen“, sagte sie. „Das ist mein Parfum, nimm es mit.“ Sie ließ sich nicht davon abbringen.

Jetzt steht die Miniatur auf meinem Nachttisch und abends schnuppere ich am Deckel und bin wieder im Marais, unter den Arkaden, mit meinem Tantchen an meiner Seite, Pastis Mauresque trinkend und Spatzen fütternd. Und der graue Alltag ist noch fern, nur noch für eine petitkleine Minute, nur noch einen Moment.

Vielen Dank für's Lesen.

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