Parfumo
Parfumos Blog
vor 11 Jahren - 03.05.2013
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„Dreckig bleiben“ - die Geschichte hinter der Geschichte eines außergewöhnlichen Parfüms

Wenn ein Duft den Namen „Dreckig bleiben“ trägt, zieht er unwillkürlich die Aufmerksamkeit auf sich. Wenn dieser Duft dann noch mit dem Untertitel „eine fein abgestimmte Absage an die Oberflächlichkeit“ lanciert wird, im „Elternhaus“, einem kleinen Hamburger Label für handgemachte Textilien, beheimatet ist, und von Parfümeur Mark Buxton geschaffen wurde, dann ist das für „Parfumo“ Grund genug, sich für die Geschichte und die Geschichte hinter der Geschichte von „Dreckig bleiben“ zu interessieren.

Stefanie Mayr und Daniel Plettenberg sind die Macher des Labels „PMP Perfumes Mayr Plettenberg“. Im „Elternhaus“ beantworteten sie ganz entspannt Fragen zur Entstehungsgeschichte ihres duftenden Erstgeborenen.

Parfumo: Wie entstand eure Idee „Dreckig bleiben“ herauszubringen?

Daniel Plettenberg: Ich bin ein Parfumjunkie und Inhaber einer Markenberatungsfirma. Mit dem Launch von Chanels „Allure“ in Deutschland konnte ich Hobby und Beruf erstmals unter einen Hut bringen. In einem Buch von Luca Turin stolperte ich über den Namen eines Duftes, den er als „einen der wichtigsten Düfte des Jahrzehnts“ hervorhob. Es handelte sich dabei um „MoslBuddJewChristHindao“, dessen Name sich auf die fünf wichtigsten Weltreligionen bezog. Mir war klar: den muss ich haben. So führte mich der Weg ins „Elternhaus“, das diesen Duft 2005 lanciert hatte. Doch durch einen Besitzerwechsel des Geschäfts war die Produktion meines angepeilten Musthaves eingestellt worden. So kam ich zwar nicht mehr in den Genuss einer Duftprobe, lernte dafür aber glücklicherweise Stefanie Mayr, die neue Inhaberin, kennen. Zwischen uns wuchs eine Freundschaft. Und nach dem dritten Treffen auch der Wunsch ein gemeinsames neues Parfümprojekt ins Leben zu rufen.

Stefanie Mayr: Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich mich darauf konzentriert Kleidung und Gebrauchsgegenstände neu zu definieren, ihnen neue Bezüge zu geben. Dabei ging und geht es immer darum, über Textilien und Accessoires Haltung und Verständnis zur Welt zur transportieren. Der alte Punkspruch „dreckig bleiben“ spielte dabei schon immer eine große Rolle. Er drückt meine Grundeinstellung zum Leben aus. Denn „dreckig bleiben“ steht für authentisch bleiben, bleiben wie man ist, und sich nicht verbiegen lassen. Diese Lebenseinstellung habe ich seit meiner Jugend. „Dreckig bleiben“ ist aber auch der Slogan der linken Szene, die sich gegen die Räumung des Bauwagenplatzes „Bambule“ im Hamburger Karolinenviertel gewehrt hat, auf dem ich selbst in einem LKW gelebt habe.

Daniel Plettenberg: Spontan war uns klar DAS ist der Name des Parfums, das bisher nur in unseren Köpfen existierte. Dieser Name brachte automatisch zweierlei mit sich: Soll kein Spassartikel daraus werden, braucht es einen namhaften Parfümeur. Als Markenstratege machte er mir anfangs aber auch graue Haare. Denn Menschen sind durch die Werbung darauf konditioniert zu assoziieren, sie würden durch das Tragen eines Parfums mit einem besonders wohlklingenden Namen zum Partylöwen oder zur Partyqueen mutieren. „Dreckig bleiben“ hingegen will genau das nicht vorgaukeln, sondern die eigene Haltung transportieren, ein mutiges Statement abgeben, und so eine Art Stolperstein sein.

Parfumo: Welche Vorstellung hattet ihr davon, wie „Dreckig bleiben“ riechen soll?

Stefanie Mayr: Die zentrale Note sollte Rauch sein. So wie die vielen offenen Feuer der „Bambule“ riechen, ohne dabei die eher befremdliche Note rauchgeschwängerter Klamotten in sich zu tragen.

Daniel Plettenberg: Unser Bild ist gleichbedeutend damit, an einem schönen Sommerabend mit Freunden beim Wein am Lagerfeuer zu sitzen. So wie man ist. In den abgewetzten Klamotten die man liebt. Einfach nur man selbst sein. Bis zum frühen Morgen feiern und genießen.

Parfumo: Wie kam der Kontakt zu Mark Buxton zustande?

Stefanie Mayr: Mark hatte ja schon für das alte „Elternhaus“ „MoslBuddJewChristHindao“ geschaffen. Da lag es nahe, ihn zu fragen, und ihm unsere Idee vorzustellen.

Daniel Plettenberg: Mark hat unsere Idee sofort verstanden, war davon so begeistert, dass er sofort ja gesagt hat. Und das obwohl wir ihm von Anfang an sagten, dass wir kein großes Budget zur Verfügung haben.

Parfumo: Wie ging es dann weiter?

Daniel Plettenberg: Wir haben alles Weitere gleichzeitig angeleiert. Ohne zu verhehlen, dass jeder, der sich an dem Projekt beteiligt, keine Reichtümer daraus schöpfen wird. Alle, die mitmachen, tun es aus Überzeugung und für die Sache, nicht für Geld. Die Designfirma Hajok stellte uns Designer frei, Elektropunk T. Raumschmiere schuf die Musikskulptur für unsere Website, die New Yorker Fotografin Janine Gordon überließ uns Fotos für Werbezwecke.

Parfumo: Wie sah Designprozess aus?

Daniel Plettenberg: Holz ist ein essenzieller Teil von „Dreckig bleiben“. Verbranntes Feuerholz, das übrig bleibt, wenn die Glut verglommen ist. Das sollte sich auch im Design spiegeln. Deshalb bestehen die Flakondeckel aus Holzbohlen, die aus bis zu 500 Jahre alten Fachwerkhäusern stammen. Eine Schreinerei in Gatow, die auf die Sanierung solcher Bauten spezialisiert ist, stellt diese schwarz eingefärbten Unikate für uns her.

Parfumo: Wie viele Entwicklungsstufen durchlief „Dreckig bleiben“, und wie viel Zeit verging dabei?

Stefanie Mayr: Neun plus eins. Eigentlich hat uns schon Marks erster Vorschlag vor Begeisterung fast umgehauen. In jedem weiteren Schritt hat er weiter daran gefeilt. So wurde die Kopfnote dann zitrischer und die Basis vanilliger.

Daniel Plettenberg: Die ersten neun Entwicklungen besaßen EdT-Stärke. Wir haben uns dann gefragt, was passiert, wenn wir die Konzentration auf die eines Eau de Parfum erhöhen. Die Antwort auf diese Frage liegt nun in 999 Flakons abgefüllt vor. Unser Baby brauchte exakt neun Monate um auf die Welt zu kommen. Das erste Drittel der „Schwangerschaft“ war der Arbeit von Mark vorbehalten. Das zweite Drittel verging mit dem Design und das dritte Drittel mit der Produktion.

Parfumo: Wo wird „Dreckig bleiben“ produziert?

Daniel Plettenberg: In einer kleinen Manufaktur im berühmten südfranzösischen Grasse.

Parfumo: Was bedeutet „Dreckig bleiben“ für euch persönlich?

Daniel Plettenberg: Wenn ich morgen tot von der Leiter fallen sollte, habe ich mir mit diesem Projekt einen Lebenstraum verwirklicht.

Stefanie Mayr: Wir haben so viel dabei gelernt. Haben gesehen, wie man auch an kleinen Dingen wie einer Schachtel scheitern kann, die nicht mit der Einschweißmaschine kompatibel ist. Beeindruckend war für uns vor allem, das grundverschiedene Menschen durch so ein Projekt Gemeinsamkeiten entdecken können.

Daniel Plettenberg: Stimmt! Das liegt wohl daran, dass es dabei um Lebensphilosophie und Herzblut, und nicht um das Business geht.

Parfumo: Wird es eine zweite Auflage von „Dreckig bleiben“ geben?

Stefanie Mayr: Wir werden es uns nicht verbieten in eine neue Auflage zu gehen. Zumal wir nach so kurzer Zeit, der Duft ist ja erst seit Anfang April dieses Jahres auf dem Markt, auch schon Anfragen aus L. A., London und Paris vorliegen haben.

Parfumo: Wie würdet ihr „Dreckig bleiben“ charakterisieren?

Daniel Plettenberg: Als anfangs etwas struppig. Wie eine Katze, die zuerst die Krallen ausfährt, und sich dann aber ganz warm anschmiegt.

Stefanie Mayr: Als ein Parfum für Duftverrückte. Als Aufruf hinter die Fassade zu gucken. Als Metapher dafür auf dem Boden zu bleiben, wahrhaftig und wirklich zu sein.

Parfumo: Wo ist „Dreckig bleiben“ erhältlich und was kostet ein Flakon?

Stefanie Mayr: Wir arbeiten nur mit ausgewählten inhabergeführten Parfümerien zusammen. Außer bei uns im „Elternhaus“ in der Marktstraße 29 in Hamburg und online über www.dreckigbleiben.com ist „Dreckig bleiben“ über diese Parfümerien zu beziehen:

Parfümerie Lubner, Hamburg

Parfümerie Belle Rebelle, Berlin

Volls, Darmstadt

Parfümerie Edith Lücke, Trier.

Der 50-ml-Flakon Eau de Parfum kostet 120 Euro.

Parfumo: Könnt ihr Euch vorstellen noch weitere Düfte herauszubringen?

Daniel Plettenberg: Aber natürlich! Unser Hirn brodelt jetzt schon und wir sammeln Inspirationen. Wie wir das dann verwirklichen wissen wir noch nicht, aber wir sind schon mal kreativ.

Parfumo: Vielen Dank für das Interview. Es hat Spaß gemacht mit euch zu plaudern.

Das Interview führte Jella

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