Parfumo
Parfumos Blog
vor 15 Jahren - 07.07.2009

Gespräch mit Chantal Odill - Absolventin der Guerlain-Parfümerie-Schule in Versailles

Chantal Odill (39) wohnt in Luxemburg und hat an der Guerlain-Parfümerie-Schule in Versailles gelernt. Für uns hat sie ein paar interessante Fragen beantwortet.

Wann hast du dich das erste Mal für Parfüm interessiert?

Ich hab mich immer von klein auf für Gerüche interessiert aber nie speziell für Parfüm. Ich fand als Kind die hübschen Flakons von meiner Oma und meiner Urgroßmutter immer sehr interessant, aber was drin war, war mir egal, hauptsache schöne Verpackung.

An welchen Duft kannst du dich zuerst erinnern?
Der von meiner Urgroßmutter - Jacaranda von 4711! Und an den von meinem Opa, 1805 von Truefitt & Hill (weltältester Barbiersalon in London, besteht seit über 200 Jahren).

Wie kam es dazu, dass du die Guerlain-Parfümerie-Schule in Versailles besucht hast?
In die Parfümerieschule wurde ich von meiner adligen Urgroßmutter hineingezwungen. Ich wollte eigentlich in die Archäologie, aber sie meinte, ein Naturtalent muss man nutzen. Ich habe immer Sachen gerochen, die „gar nicht da waren“ und als sie es leid war, dass ich immer „Gespenster roch“, hat sie mich zum Arzt gebrach, weil der mich zum Psychiater überweisen sollte. Der hat dann gelacht und verschiedene Tests durchgeführt und nach 4 Tagen stand die Diagnose fest: nicht verrückt sondern Ur-Instinkt! Der normale Mensch besitzt zwischen 35 und 40 Millionen Riechzellen, bei mir „waren“ es fast 70 Millionen. Nach einer Gehirntumor-Operation sind allerdings ein paar verloren gegangen und heute sind es „nur“ noch 65 Millionen. Also war Parfumeur für meine Ur-Oma die ideale Lösung. Und einer Principessa widerspricht man nicht. Die in Paris waren natürlich begeistert und ich wurde gleich aufgenommen. Naturnasen wie ich sind selten.

Wie muss man sich dort den „Unterricht“ vorstellen?
Der Unterricht war „stinklangweilig“. Zuerst muss man mal lernen, die verschiedenen Gerüche zu unterscheiden. Also sitzt man stundenlang auf einem Hocker und bekommt andauernd irgendwelche Papierstreifen unter die Nase gehalten und man muss dem Professor sagen, was es ist. Lavendel, Magnolie, Vanille bla bla bla.
Für mich war das Horror. Da ich die Gerüche schon alle kannte, bin ich manchmal richtig wütend geworden, weil ich mit einer Klasse ohne Naturtalente zusammen lernen musste. Gut, diese Leute mussten das lernen, aber ich konnte schon „riechen“ und so kam es, dass Jean-Paul Guerlain eines Tages gesagt hat: „Holt sie da raus und bringt sie gleich ins Labor.“ So kam es, dass ich eineinhalb Jahre überspringen konnte und gleich lernte, wie man Gerüche zusammenstellt. Ich konnte in zweieinhalb Jahren abschließen, wogegen die anderen 4 Jahre machen müssen.
Man lernt dann natürlich, welche ätherischen Öle man mischen kann und welche nicht, was ein Fixateur ist, was man machen muss, um genau die Basisnote zu erhalten, welche im Endeffekt den Hauptduft ausmacht, wie die Mischungsverhältnisse sind um Parfum oder Eau de Toilette zu bekommen. Das ganze findet in einem riesigen Labor statt, wo man in Reihen auf Hockern hinter einer Art Theke sitzt, die vollgepackt ist mit Flaschen und Apothekerflakons. Fragt aber bitte nicht wie, wo und was, denn ehe man in der Schule aufgenommen wird, unterschreibt man einen Verschwiegenheits-Eid: Niemals die Geheimnisse der Parfumeure an Dritte weiterzugeben. Das kann einem das Diplom kosten und man kann vor Gericht gestellt werden!

Hast du einen Lieblingsparfümeur?
Lieblingsparfumeur - natürlich Jean-Paul Guerlain und vielleicht noch Guillaume Flavigny.

Welches Parfüm beeindruckt dich am meisten?
Zu dieser Frage kann ich keine konkrete Antwort geben, da ich alle synthetisch hergestellten Düfte scheußlich finde! Das Problem ist, dass fast 60% der Düfte, die in den letzten 10 Jahren auf den Markt gekommen sind, ganz oder teilweise aus künstlichen Ölen hergestellt sind. Deshalb halt ich mich an die Klassiker. (kleiner Tipp: Spray ganz nah an die Hand halten und sprühen, 10 Minuten warten. Bleibt ein schmieriger, öliger Belag auf der Hand zurück, kann man zu 90% sicher sein dass es ein synthetischer Duft ist, Ausnahmen bestätigen die Regel.)

Hand auf’s Herz: Welches Parfüm findest du am schlimmsten?
Was ich absolut nicht ausstehen kann sind Lebensmittelgerüche, wenn also jemand nach Vanille oder Pfirsich „stinkt“. Bei Yves Rocher gibt es z.B. diesen Birnenduft oder Wildbeerenparfüm, da dreht sich bei mir der Magen um. Das ist, als hätte man Kompott gekocht und sich nicht umgezogen. Letzten Donnerstag hatte ich eine Dame an der Kasse vor mir, die hat so stark nach Vanille „geduftet“, dass ich sie gefragt habe, ob sie Pudding gekocht hat. Ich bin da überhaupt nicht zurückhaltend . Ich sag immer was ich denke. Die Dame meinte, das ist Parfüm. Ich meinte, es riecht nach Dr. Oetker. Also wenn das Parfüm ist, dann kann man auch gleich Frittierfett als Körperlotion benutzen. Und ACHTUNG: Wenn richtige Vanille oder Beerenöl verwendet wird, kann man sogar ganze Insektenscharen anziehen.

Erzähl uns etwas über deine Lieblingszutat.
Lieblingszutat hab ich keine, ich bin eher auf Blumen, Kräuter und Hölzerdüfte eingestellt.

Was genau macht ein gutes Parfüm aus?
Ein gutes Parfüm ist Ansichtssache. Es darf nicht aufdringlich sein, aber das hängt von der Person ab, die es trägt. Man kann auch mit einem frischen, leichten Duft übertreiben. Und es muss zu einem passen. Ich bin immer leicht irritiert, wenn ich junge Mädels treffe, die in Puma- oder Adidas-Kleidung umherlaufen, dann aber z.B. nach Opium von Yves Saint Laurent riechen. Das sind zwei komplett verschiedene Stilrichtungenn die gar nicht zusammen passen. Sportlich und glamour-elegant? Für mich zwei Widersprüche. Es gibt auf jeden Fall zwei Duft-Persönlichkeiten: Die 1. ist wie ich und trägt jeden Tag was anderes und die 2. ist die, die einem Geruch ein Leben lang treu bleibt, sie versucht zwischendurch mal was Neues, kehrt aber immer zu „ihrem“ Parfüm zurück.

Findest du eine strenge Trennung von Düften für Herren und Damen gut?

Ich finde es absolut richtig, dass Herren- und Damendüfte getrennt sind. Das hängt schon allein mit der Haut zusammen. Die Herren haben eine dickere Epidermis als Frauen, worauf die ätherischen Öle sehr wohl reagieren. Wenn man einen Damenduft auf Herrenhaut aufträgt, kann es sehr gut sein, dass er schlecht wird und zu einem säuerlich stinkenden Erlebnis wird. Umgekehrt natürlich kann das auch passieren! Es gibt auch Herren, die keine Herrenparfüms vertragen wie es auch Damen gibt, die keine Damendüfte tragen können. Das hat damit zu tun, dass männliche und weibliche Haut unterschiedliche Merkmale aufweisen und dass die Herren- und Damendüfte deshalb eine verschiedene Zusammensetzung haben. Ich halte deswegen auch nicht viel von Unisex. Diese Sachen müssen sehr neutral gehalten werden, damit sie „beid-geschlechtlich“ getragen werden können. Ich empfinde Unisex Düfte immer als ziemlich langweilig!

Was kannst du uns noch zum Thema erzählen?

Jeder Parfumeur hat so eine Art….Muse? Vielleicht nicht der richtige Ausdruck, er stellt sich den Duft quasi vor! Dazu braucht man irgendeinen Anhaltspunkt. Guillaume arbeitet z.B. mit berühmten Persönlichkeiten. Er schaut sich Bilder an und liest sehr viel über diese Person und stellt sich dann vor, wie dieser Charakter riechen könnte. Jean-Paul und überhaupt seine ganzen Vorfahren und Nachfahren arbeiten mit demselben Prinzip: Erinnerungen an Landschaften, Personen und Ereignisse die sie in andern Länder erlebt haben, vereinigen sie zu einem Duft.
Bei mir ist es einfacher. Ich kann Gerüche mit Farben assoziieren und wenn ich kein Parfüm im Handel finde, das genau die Farbe repräsentiert, die ich brauche, stell ich es halt selbst zusammen. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Manchmal dauert es Jahre bis man genau auf dem Punkt ist. An meinem letzten Erguss hab ich 2 Jahre dran rumgefeilt, bis er „lachsfarben“ war. Hört sich blöd an, oder?
Warum das so ist, weiß ich nicht, aber auch das lernt man in der Schule - jeder muss wissen, was Duft für ihn bedeutet. Cardin stellt seine Düfte nach seinen Kleidern her! Wenn er ein Kleid besonders toll findet, wird es zu „Geruch verarbeitet“. Bildet euch selbst ein Urteil, ist schwer zu begreifen. Und auch hier kann man wieder sehen weshalb männlich und weiblich!

Aktualisiert am 13.05.2022 - 04:10 Uhr
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