Alles, nur kein Parfum... L'Eau Serge Lutens

Kein Parfum sorgte in den letzten Monaten für so viel Aufruhr wie L'Eau Serge Lutens. In Amerika schrieb man vom "Aus" für Serge Lutens, man beschwerte sich und wollte wissen: Was hat sich der Mann da nur gedacht...? Lutens selbst sagt, dass die Leute von Shiseido nicht sehr begeistert waren, als er ihnen dieses neue L'Eau präsentierte. Ich stellte mir die Frage: ,,L'Eau, sauber, rein, frisch und Serge Lutens - geht das überhaupt?" Zwar sind einige seiner früheren Eaux de Parfum ebenfalls leicht (Clair de Musc, Fleurs de Citronnier), aber diese driften in eine süßliche Basis ab, die einen orientalischen Touch hat. Und so fing ich an mir vorzustellen, wie denn dieser Duft nun riechen könnte. Ich malte mir die großartigsten Dinge aus, verglich diese mit anderen Parfums. Silver Musk von Nasomatto war von allem das ich kannte das Parfum, welches meiner Vorstellung zu L'Eau am Nächsten kam. Heute war es endlich soweit. Ein kleiner Brief vom Onlineshop Essenza Nobile begrüßte mich und ich öffnete ihn. Ich hielt es endlich in den Händen: Eine Miniatur von L'Eau Serge Lutens! Beinahe nervös öffnete ich den Flakon und es folgte der erste Riechtest.

Das Parfum, welches keines sein will. Nach dem Aufsprühen überfluten einen die Zitrusfrüchte, der Duft ist kühl und macht Lust auf den Sommer. Die Kombination der zitrischen Noten kommt mir sehr bekannt vor. Ich erinnere mich direkt an zwei Parfums, die einige hier ebenfalls kennen: Coney Island von Bond No. 9 und Artisan von John Varvatos. Aus Artisan die sommerliche Frische, aus Coney Island das positive, zitrische Feeling. Das ist L'Eau Serge Lutens! Doch wer jetzt denkt, das ist alles, der irrt sich. Eine banale Mischung aus zwei bekannten Düften ist der neue Lutens nämlich nicht. Da ist noch mehr, da ist eine ozonische Duftnote, die zusammen mit den Aldehyden für Leichtigkeit sorgt. Doch irgendetwas fehlt... wo ist das saubere, weiße Hemd? Ein unbeschriebenes weißes Blatt, wo ist das alles? Hier ist Geduld gefragt, denn L'Eau Serge Lutens ist ein sehr gemütliches Eau de Parfum, es lässt sich etwas Zeit, bis es sich beruhigt. Doch nach und nach meint man hin und wieder etwas Reines und Sauberes zu erhaschen. Ganz schüchtern und zart liegt es verborgen hinter der Zitrone. Es traut sich nicht so recht heraus, hat aber den Willen dazu. Mehrere Versuche und viele Minuten später ist es, als erblühe das weiße Hemd endlich. Dieser saubere Akkord hat eine sehr leichte Seifigkeit und liegt dem Muskatellersalbei zugrunde. Die Minze ist präsent, aber nicht so übertrieben, was mir bestens gefällt. Eine große Rolle übernimmt der weiße Moschus, er sorgt für eine schwerelose Süße, wobei "süß" eigentlich das falsche Wort ist. Es ist eine extrem saubere, beinahe sterile Duftnote die sich kaum einordnen lässt, sie entzieht sich beinahe jeder Kategorie. Sie erinnert an den Geruch, wenn man Wäsche bügelt. Heißer Wasserdampf schießt aus dem Bügeleisen und trifft auf ein reines, weißes Hemd. Es ist weniger ein Geruch, sondern mehr ein Gefühl. Ein Gefühl von absoluter Klarheit. Keine trübenden oder störenden Akkorde sind vorhanden. Der Eigengeruch der Haut wirkt neutralisiert, so seltsam das auch klingen mag, es ist die Wahrheit. Dieser himmlische Akkord hat etwas grünes, leicht Bitteres an sich. Doch wie ich schon mal in einem anderen Duftbericht schrieb, bitter ist nicht immer schlecht. Die Farbe weiß ist hier mehr als angebracht und die Bezeichnung "leeres Blatt Papier" ist wohl die aussagekräftigste Kurzbeschreibung, de es je zu einem Eau de Parfum gab. L'Eau Serge Lutens vollbringt eine Verwandlung. Von der Zitrone die Lust auf Sommer macht, geht das Parfum langsam über in die versprochene, reine, Note.

Serge Lutens hat mit jedem Wort, welches er über L'Eau Serge Lutens sagte, Recht. Der Duft ist (nach einem zitrischen Start) tatsächlich ein Anti-Parfum. Der Geruch ist (vor allem in der Basis) beinahe neutral, wie Wasser. Wer diese Wolke der Frische um sich herum hat, wird nicht negativ auffallen. Klares Wasser, frische Luft. Durchatmen, in einer Welt die überparfumiert ist. Ein wundervolles Konzept und eine ebenso grandiose Umsetzung. Ob Monsieur Lutens mit diesem EdP den asiatischen Markt erobern will, Leute erreichen, die seine übrigen Werke für abschreckend befunden haben? Seine Ziele werden wohl sein Geheimnis bleiben, doch die Hauptsache ist doch, dass das Ergebnis gelungen ist. Gerüchten zufolge soll sich der Duft in den Salons du Palais Royal in Paris nur dürftig verkaufen. Dort wollen die Leute wohl nichts von dem cleanen Geruch wissen, sondern begehren die schweren, balsamischen Orientaler, für die Lutens bekannt ist. Ich wünsche L'Eau Serge Lutens alles Gute und hoffe auf ein langes Bestehen. Es wäre zu schade, eine Einstellung der Produktion mit anzusehen.

Weiterhin muss ich Sjörn bestätigen, L'Eau Serge Lutens hat mit Silver Musk von Nasomatto nicht viel gemeinsam. Die beiden unterscheiden sich sehr, obwohl sie beide sauber sind und auf weißem Moschus basieren. Es ist schon ein kleines Wunder, wie wandelbar eine einzelne Duftnote sein kann. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Sjörn von Essenza Nobile. Ich bin ganz begeistert von der Miniatur und werde mir den Duft demnächst kaufen - natürlich bei Essenza Nobile ;)

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