Seelanne
Seelannes Blog
vor 12 Jahren - 27.08.2012
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Heeley: Heilige Duftfaltigkeit

Das Ergebnis vorweg: ich halte die hier vor mir stehenden Düfte  Sel Marin, Verveine, Menthe fraiche und Figuier von Heely für mit das Schönste, was jemals olfaktorisch komponiert worden ist. Und wenn es sich auch nicht schickt, die Werbetrommel zu rühren, hier muss man es tun:

Alle diese Arrangements sind – jeder auf seine Weise – von einer entwaffnenden Klarheit, Frische und Reinheit, dass einem fast schwindelig wird ob soviel Stilistik und gleichzeitig perfekter Natürlichkeit gepaart mit in keiner Weise gekünstelt wirkender Zurückhaltung.

Zuvorderste Eigenschaft ist bei allen die absolute Reinheit des Duftes, jeder für sich auf seine Weise assoziierend und quasi gleichsam mitliefernd das innere Bild des frischen Brunnens, des  klaren Wassers, des blauen Himmels, des saftigen Grüns, zugleich eine Schwerelosigkeit heraufbeschwörend aus einer Zeit, wo alle Gerüche einem noch neu waren und  Eindruck machen konnten, ohne dass die Erfahrung und das Geruchsgedächtnis einem in vorauseilender Klugheit den Spaß verdirbt.

Hier riecht man, als wenn man das erste Mal riecht, die Minze, die Feige, das Salz und den Rhabarber und all die anderen Kostbarkeiten, rein, frisch und unverfälscht.  Da findet sich nichts cremiges, pudriges, würziges oder holziges, was den Duft entführt in eine urbane Umgebung,  in die er nicht passen kann und will und für die er nicht geschaffen ist. Da ist kein süßlicher Umschwung, nur um – wie so oft – lediglich die Haltbarkeit zu stützen, auch keine der sonst üblichen und langweiligen Sekundanten geleiten den wunderbaren Akkord zu einem beliebig austauchbaren Drydown, der sich dann wie eine Massengrab des guten Geschmacks ausnimmt.

Bei diesen Kreationen kommt dabei der Gedanke an Imitation in keiner Sekunde auf: man riecht Minze, man riecht Feige und eben nicht nur die Erinnerung daran. Dieses Parfum hat ein klares Statement: Das hier-und-jetzt,  keine Reminiszenz an Vergangenes, kein Versprechen in die Zukunft: Jetzt, hier und nicht irgendwann, schon gar nicht gestern.

Und kein Vertun: Wir reden hier nicht über Naturdüfte, die in Perfektion gelungen sind oder Mutter Natur plagiieren, sondern über ein jeweils mit ganz feinem Strich gezeichneites Duftensemble, welches bis in die Spitzen hinein, bis in die Zwischentöne hinein aufs Feinste aufeinander abgestimmt ist, den Hauptakkord jeweils untermalend oder umspielend, ohne ihn in Frage zu stellen oder ihn zu überspielen.

Dabei scheinen alle Düfte trotz ihrer Unterschiedlichkeit irgendwie wie Schwestern, als wenn alle Düfte einem gemeinsamen Stamm entspringen und erst die Kreation des Parfumeurs sie in ihrer Unterschiedlichkeit hat erwachsen werden  lassen.

Im Einzelnen nehmen sie sich wie folgt aus:

Menthe fraiche – Eine geniale Komposition ätherischer Minze, grünem Tee und einem Hauch bitterer Bergamotte, unterlegt mit einer kaum wahrnehmbaren Holzbasis, die als solche fast nicht duftet sondern quasi nur im Unterbewußtsein dieses Akkordes wirkt.

Verveine - Ja, fast möchte man sagen, „Thema verfehlt“, denn da ist zunächst Rhabarber, eine Menge Rhabarber, und zwar frisch geschnittener, nicht mit Vanillesoße kredenzt. Das Wunder: Ich hasse eigentlich Rhabarber, aber dieses sauer-frische Opening, welches durchaus eine halbe Stunde anhalten kann, ist derart mit leichter Würzigkeit verfeinert, dass man sich ihm einfach verblüfft ergibt und es ihm nicht übel nimmt, wenn er dann irgendwann umschlägt in ein eher grünes Herbes, welches – gesäumt von Beeren und extremst geringem Moschus - sich konstant auf diesem Level hält, wobei der Moschus auch hier lediglich die Trittleiter hält, auf der der Duft mutig emporsteigen kann. Am Ende meint man, in den Duftrückständen des Rhabarbers einen Hauch Vetiver zu entdecken, aber es fehlt jegliche Schwüle und schwitzige Fiebrigkeit, die Vetiver zuweilen ausstrahlt.

Figuier - Feige, nichts als Feige, aber auch hier gilt: Was für eine Feige ! Ja, sie ist natürlich süß, aber an wirklich keiner Stelle der Entfaltung driftet dieser herrliche Duft in das viel schlimmere Süßliche ab und das trotz des Moschus, der hier wiedermal offensichtlich nur als Bindemittel wirkt. Sämtliche andere Zutaten sind nur zu erahnen und verrichten ihre Dienste im Verborgenen. Auch hier eigentlich das Problem: Ich mag eigentlich keinen Feigengeruch, zu oft ist er muffig-schal oder schlicht klebrig getroffen, hier nicht.

Sel Marin – Heeleys Aquatic startet mit einem Algen- und Tanggeruch, nur meeresunerfahrene Nasen mögen dieses als fischig interpretieren. Aber während Profumos Tirrenico tatsächlich sich zuweilen auf manch Hautbeschaffenheit zugrell ausnimmt wie ein Besuch der Pinguin- oder Seelöwenfütterung im Zoo, geleitet Sel Marin nach der anfänglichen zitrischen Begamotte-Eröffnung sofort in tieferes dunkles Gewässer, in der es nur noch Wind und Salz gibt. Puristisch klar, unterbrochen nur dann und wann von eine Böe, die vom Festland Holziges oder grün-harziges heranführt, wie vergessenes Treib- und Strandgut.

Das alles hat bei allen Kreationen eine kühle Eleganz, eine Unaufdringlickeit und bei aller Natürlichkeit eine fast schon strenge minimalistische Stilistik, dass man nur staunen kann oben dieser gelungenen Duftfaltigkeit. Sodenn: Wer riechen kann, der rieche …………………………………

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