Parfun(m)iversum
Morgens kitzelt sanft ein erster Strahl des am Vorabend aufgesprühten Duftes ihre Nase.Sie öffnet die Augen und ihr Blick fällt auf die Flakon-gefüllte Vitrine gegenüber dem Bett. Mmmh, so kann der Tag beginnen. Hopps, raus aus dem Bett. Gleich nach dem Frühstück macht sie sich zu einem Bummel durch die Souks auf. Zwischen bunten kunstvollen Flakons, sanften Blüten, eleganter Süße und holziger Sanftheit lässt sie sich treiben. Sie kann so lange verweilen, wie sie möchte, bekommt alle Informationen, die sie braucht und so hört sie manche schöne Geschichte zu den einzelnen Schätzen erzählt. Niemand stößt sich daran, wenn sie nichts kauft. Dennoch hat sie manchen Schatz schon hier erworben und in ihre Sammlung eingefügt.
Manchmal geht sie ganz archaisch auf die Jagd, nimmt diverse Angebote näher ins Visier oder legt sich bei Fremdseiten auf die Lauer nach einem neuen Schnäppchen. Huch, das ist oft ganz schön aufregend und anstrengend - zur Entspannung macht sie sich’s dann in der Bibliothek gemütlich und schmökert in den Parfumbeschreibungen. ‘Mal bekommt sie hier Inspiration vonkreativ und poetisch Verfasstem, ‘mal verfolgt die Forscherin in ihr die Ergebnisse von streng wissenschaftlich angelegten Vergleichsreihen einer Duftrichtung, ‘mal ist sie berührt von sehr persönlichen Berichten.
Danach ist es Zeit, in den Briefkasten zu schauen, dopamingetränkte Vorfreude lässt sie die Stufen hinunterhüpfen. Wenn sie Glück hat, wird da ein Päckchen sein. Glückshormone runden den leckeren Hormoncocktailab, als sie mit leicht zitternden Fingern die Post einer lieben Parfumista aus dem Nachbarlande öffnet. Und siehe da, die begehrten Proben und noch mehr findet sie da vor. So viel Großzügigkeit und Freundlichkeit weht ihr da entgegen. Schnell den Fernseher abgeschaltet und die Zeitungen zugeschlagen, die Welt hier ist in Ordnung.
Nachmittags ist es Zeit für Besuche. Hier und da schaut sie bei alten oder neuen Bekannten vorbei, tauscht sich aus, hält ein Pläuschchen und lässt sich von Neuerwerbungen inspirieren. Manchmal hinterlässt sie einfach nur ‘mal schnell Nachrichten auf der Pinwand.
Abends ist dann Foren-Hopping angesagt. Noch rasch eine neue Probe am Handgelenk aufgelegt und schon flaniert sie ‘mal hier und ‘mal da hinein, trifft interessante Menschen und kann sich über Wortwitze, Anekdoten und humorvolleBeiträge prächtig amüsieren. Zwischendurch wird eifrig am neuen Duft geschnuppert. Hier gibt’s Gott sei Dank keine irritierten oder mitleidigen Blicke, wenn sie immer wieder ‘mal mit verklärtem Blick an der Hand riecht…
Eines fällt ihr aber auf und gibt ihr Grund zum Grübeln: in diesem Universum scheint es viel mehr Frauen als Männer zu geben. Gerade, als sie nach möglichen Erklärungen hierfür sucht, hört sie im Hintergrund, scheinbar wie aus einer anderen Welt, einen begeisterten Ruf:“ Schaatz, schau‘ mal, ich habe die Uhr, die ich schon solange suche, auf ZX entdeckt.“ J