Fleur Cachée 2020

Polyantha
30.06.2021 - 11:49 Uhr
13
Sehr hilfreiche Rezension
8
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
7
Duft

Diese Blume macht ihrem Namen alle Ehre

Nach dem Auftragen herrscht ein langes olfaktorisches Schweigen: kein Wasser, keine Würze, keine Blume.... ein Nichts. Ich suche mit meiner Nase die besprühte Stelle an meinen Arm ab, aber kein Duft entsteigt.

Nach ca. 30 Minuten glimmt irgendetwas empor: es umgeistert mich leicht süsslich. Vielleicht ist das blumig? Vielleicht grün? Es ist auf alle Fälle ganz angenehm. Hoffnungsvoll richte ich meine Nase auf die Stelle, die ich besprüht habe und schnuppere. Wieder rieche ich nichts!

Für mich lässt sich dieser zarte Duft nicht an der besprühten Stelle verorten, wird nicht intensiver, wenn ich an dieser Stelle rieche. Der Duft verhält sich überhaupt nicht so, wie ich es sonst von Parfums gewohnt bin. Stattdessen fühle ich mich, als ob ich mich mühsam in einem stockfinsteren Keller voran tasten muss und olfaktorisch komplett den Boden unter meinen Füssen verloren habe.

Ich kann keine der einzelnen Komponenten identifizieren: Bockshornklee? Ich nehme mein Glas mit Bockshornklee aus dem Gewürzregal und schnuppere: Nein, der ist doch wesentlich süsser und viel würziger und nicht so schmalbrüstig und überhaupt einfach anders.

Texaszeder? Naja, vielleicht riechen die Zedern ja in Texas so. Ich war zwar mal dort, habe es aber leider versäumt dort eine Zeder olfaktorisch unter die Lupe zu nehmen. Ach nein, falsche Fährte, es handelt sich bei 'Texaszeder' wohl um das ätherische Öl des sogenannten Alligator-Wacholders. Rieche ich Wacholder? Hmm, könnte vielleicht hinkommen, jedenfalls möchte ich das nicht komplett abstreiten.

Nach anderthalb Stunden kommt plötzlich eine süss-fruchtige Welle zum Vorschein, likörartiger Rumtopfduft, und ich denke, ok, jetzt geht es endlich los! Aber nein, nach wenigen Minuten bricht die Welle in sich zusammen und überlässt wieder der schwachen Texaszeder alias Alligator-Wacholder das Feld. Die trockene Zeder hat sich mittlerweile wahrscheinlich mit dem Perubalsam verlobt, denn jetzt glimmt es immerhin ein kleines bisschen wärmer und weihrauchiger.

Aber wo bleibt die Vanille? Die ist in meiner Nase nach 4 Stunden noch nicht angekommen.

Stattdessen bekomme ich einen trockenen Hals. Und die Stelle, wo ich den Duft aufgesprüht habe, brennt kurzzeitig ein bisschen.

Fazit: Eigentlich könnte es ein schöner, würziger, leicht bitterer Duft sein, der mir gut gefallen könnte. Das, was ich wahrnehme, weckt schwache Assoziationen an das Badedas-Schaumbad aus meiner Kindheit. Aber Blume? Naja, eher nicht. Oder wenn, dann wirklich sehr gut versteckt.

Weil ich den Duft an meinem Körper nicht orten kann und weil er damit den Eindruck erweckt, er sei eigentlich nicht da, macht dieses Parfum allerdings dem Attribut 'caché' alle Ehre. Es ist für mich, als wandele ich im Dunkeln auf dünnem Eis. Alles an diesem Duft wirkt dabei sehr synthetisch auf mich. Nichts ist greifbar, der Duft ist irritierend oszillierend und hinterlässt gleichzeitig ein brennendes und trockenes Gefühl.

Auch wenn ich dieses Parfum insgesamt eher unangenehm finde, war es doch eine sehr interessante Erfahrung seiner wellenhaften Erscheinung hinterher zu schnuppern, und ich danke Knopfnase für die Probe.
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