Les Royales Exclusives - Pure White Cologne 2012

Duesenduft
18.04.2021 - 04:55 Uhr
21
Top Rezension
5
Preis
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft

Perfume Creedentials – oder wie ich lernte, die Birne zu lieben

Zwischen irischen Tweed-Klassikern, metzelnden Wikingern und fanatischen Aventus-Apologeten tummeln sich im Portfolio des Hauses Creed auch wahrhaftige Royals. Les Royales Exclusives genannt überqueren sie mit der nonchalanten Schamlosigkeit britischen Hochadels jede monetäre Schmerzgrenze. Zumindest, wenn man wie ich bürgerliche Maßstäbe heranzieht. Wie kann es also angehen, dass ich für meine erste Rezension auf Parfumo ausgerechnet einen Vertreter der Creed’schen Hoch-Olfaktokratie wähle?

Nun, es liegt an der Birne. Genauer: An der Winterbirne Pyris communis, auch „Pastorenbirne” genannt. Eine nur in den Wintermonaten erhältliche Variante, die all den belanglos süßfruchtigen Sommersorten von William’s Christ bis Gellerts Butterbirne eines voraus hat: eine überaus feine, geradezu schwebende Säure, die nie ins profan Zitrischsaure abgleitet und sich genauso wenig zur klebrigen Süße beispielsweise einer reifen italienischen Abate Birne herablässt. Seit 1760 wird diese alte Birnensorte in Mittelfrankreich kultiviert. Und Creed Les Royales Exclusives Pure White Cologne ist meinem Nasenschein nach das erste und womöglich einzige Parfum, dass diesen einzigartigen Birnenton authentisch einfängt. Anders, radikaler als Miller Harris‘ Coer de Jardin, das synthetische Birnen-Monster Arte Profumi Carpe Diem oder Jean Paul Gauthiers Clubbing-Bombe Ultra Mâle. In Creeds Interpretation ist weniger tatsächlich sehr viel mehr. Dies mag auch im Namen anklingen, ist Weiß doch im additiven Modell der Farblehre die Summe aller Farben. Schnuppern wir mal rein …

Lässig die verklingenden Zitrone-und Bergamottetöne der Kopfnote umarmend, steigt die feinfruchtige Birne in der Herznote empor, um dort lange, sehr lange zu verharren. Deutlich die Nerolinote überlagernd, Galbanum nur angedeutet, um dann nach Stunden in einen Berg duftigem Lalquilla-Reis und dem klassischen Creed-Mix aus Ambra und weißen Moschus zu diffundieren. Was nach Stunden einen Duft zurücklässt, der vielleicht an einen Stapel Bettwäsche aus weißer, ägyptischer Baumwolle erinnert, der soeben frisch gewaschen und gebügelt vom Wäscheservice "The Empress of Smooth" am Peabody Square in London ausgeliefert wurde. Nicht sauber, sondern rein. Und ein klein wenig mehr als das. Denn selbst über dieser Basisnote schwebt irgendwo noch ein Hauch der Winterbirne und nimmt ihr jeglichen Waschmittel-Appeal. Fabulous! In der Summe ist Pure White Cologne faszinierend und in dieser Duftkomposition zumindest für mich noch nie gerochen. Ein Gentleman’s und Gentlewoman‘s Sommerduft vom Allerfeinsten, sehr unique, sehr dezent, sehr selbstbewusst und trotz eines Augenzwinkerns vollständig unkokett. Auf Textilien verblüffend lange haltbar. Auf der Haut etwas weniger. Meine geschätzte Gattin vermochte ihn ebenso wie ich über gute acht Stunden hautnah zu erschnuppern. Dass die Sillage da kaum mithält, ist zu verschmerzen. Pure White Cologne ist kein olfaktorischer Nebelwerfer und will das auch gar nicht sein.

Der Preis? Gar nicht erst fragen. Schließlich erhält auch der Interessent einer in Crewe gebauten Luxuskarosse auf die Frage nach der Leistung des ins Auge gefassten Gefährts lediglich die schmallippige Antwort: „Genug“.

Kategorische Bewertung:
Aristokratisch-zitrisch-frisch

Olfaktorische Bewertung:
Kopfnote: Saftige gelbe Zitrone (Bergamotte, Grapefruit, Zitrone)
Herznote: Winterbirne (Birne, Galbanum, Neroli)
Basisnote: Lalquilla Langkorn-Reis und weißer Moschus (Ambra, Reismehl, weißer Moschus)

Assoziative Bewertung:
Thermisch: kühl wie frisch gefallener Schnee
Farblich: Leuchtendes Weiß (canditus), von frostigem Reinweiß bis zum sonnigen Warmweiß, in einem nebligen Lichtgrau endend
Taktil: luftiger Batistleinen
Musikalisch: Das „White Album“ der Beatles (1968)
Literarisch: Peter Høeg „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“
Bildende Kunst: Kasimir Malewitsch „Das weiße Quadrat“ (1917)
Architektur: Le Corbusier mit einem Schuss Taj Mahal

Fazit: Für mich, der ich bei Düften eher (aber nicht ausschließlich) klassisch-konservativ ausgerichtet bin, neben Royal Mayfair das Highlight von Creed. Highly recommended!

Und um abschließend noch einmal auf die Headline zurückzukommen: Macht mich die Liebe zur Birne nun zu einem Dr. Strangelove?
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