No̱ 8 2019 Eau de Parfum

IceMachine
13.04.2024 - 15:37 Uhr
7
Hilfreiche Rezension
5
Preis
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

You know you‘re always welcome to stay

Ich war noch nie in Island. Überhaupt ist mir das Reisen nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden. Als Kind und Jugendliche verreiste ich fast nie. Es war kaum Geld dafür da und aufgrund der Schwerbehinderung meiner Schwester lagen die Prioritäten in unserer Familie verständlicherweise woanders. Als Studentin scheiterte es auch wieder am Geld und heute, längst dem Studentinnenalter entwachsen, gehöre ich noch immer nicht zu den Menschen, die mehrmals im Jahr mit dem Flieger um die Welt „jetten“. Einerseits liegt das daran, dass ich aufgrund des Klimaschutzes nicht allzu oft fliegen möchte, andererseits fehlt mir auch die Leichtigkeit, mit der andere Menschen einfach losreisen. Ich habe es einfach nicht im Blut. Trotzdem habe ich in meinem bisherigen Leben einige schöne Orte in Europa besuchen dürfen, manchmal mit dem Flugzeug, oft mit dem Zug, vor allem in den Nachbarländern Deutschlands. Und in Spanien und Finnland und Irland und Großbritannien. Ich studierte einige Zeit in England. Und vor einigen Jahren bin ich sogar bis nach Kanada gekommen.

In all diesen Jahren stand Island immer ganz oben auf meiner Wunschliste. Trotzdem war ich noch nie dort, immer kam irgendetwas dazwischen, Familie, neue Jobs, Pandemien. Wie es in Island riecht, kann ich also nicht sagen. Vor einigen Wochen jedoch fanden einige Duftproben des isländischen Labels Fischersund den Weg zu mir. Düfte, entwickelt und gestaltet von Jón Þór Birgisson (seines Zeichens Sänger und Gitarrist der isländischen Postrockband Sigur Rós); Düfte, die also zwei meiner liebsten Themen - Musik und Parfum - verbinden. Natürlich war ich sofort fasziniert davon und als ich bei Duft N°8 und dessen Rhabarbernote ankam, war es um mich geschehen. Der Rhabarber steht dabei für mich im Vordergrund, aber auf eine sehr weiche Art, begleitet von sanfter Zitrik und untermalt von einer leicht herben, grünen Note. Das beworbene Motoröl rieche ich nicht direkt heraus; lediglich eine zarte, leicht kaugummiartige und gleichzeitig etwas bittere Note zeigt sich mit der Zeit.
Der Duft erinnert mich an Kindheit, an die 80er Jahre, an einen warmen Sommertag. Die Sonne flirrt über dem Asphalt, irgendwo weiter weg tönt ein Synthesizer aus einem Radio. Ich werfe Geld in einen Kaugummiautomaten, drehe an dem metallischen Griff und bekomme eine kleine rote Kaugummikugel. Sie schmeckt fruchtig und säuerlich und meine Hände riechen nun danach, gemischt mit dem metallischen Geruch des Automatengriffs. Ein leichter Sommerwind weht mir den Duft der Gräser und Bäume des nahegelegenen Wäldchens um die Nase. Es sind Ferien und ich habe noch Zeit, bis ich zum Abendessen zu Hause sein muss. Das Leben ist leicht und frei und unbeschwert. Ob sich Kindheit in Island ähnlich anfühlt? Ich denke schon. Wahrscheinlich unterscheiden sich tatsächlich nur die Landschaften, auf die man blickt.

Im Sommer 2026 werde ich mit einigen meiner Liebsten nach Island fahren. Wir werden uns die wunderschöne Natur ansehen und die Sonnenfinsternis, die dann dort stattfinden wird. Und in Reykjavik werde ich die kleine Fischersund-Parfümerie besuchen. Wenn alles klappt. Wenn die Welt dann noch steht. Vor meinem inneren Auge blicke ich auf die raue isländische Landschaft, die Sonne scheint, der Wind ist kühl und die Luft klar. Kein einziger Baum weit und breit! Wie es dort wohl riecht? Fängt Fischersunds N°8 tatsächlich den Duft des isländischen Sommers ein?
Ich weiß es noch nicht.
Aber ich werde berichten!

You know you‘re always welcome to stay
You, you know at the end of, of the day
We all, we all die anyway
(Sigur Rós - Gold)
5 Antworten