Classic Gold 2012

Stinkiwinki
18.04.2016 - 12:35 Uhr
5
Top Rezension
3
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Verwirrender Franko-Engländer

Normalerweise verliere ich zum Flakon ja keine großen Worte. Ist er doch nicht viel mehr als das zweckmäßige Behältnis für das eigentlich Wichtige. Dieser Flakon hier gehört aber unbedingt an die Spitze des Kommentars, denn er ist die absolute Krönung. Leider im negativen Sinne. Da bekommt man einen schlichten Glasflakon, der von einem güldenen Pastikrahmen umfasst wird. Das Unterteil ist nur lose aufgsteckt. Infolgedessen wabbelt, schwabbelt und klappert der Rahmen an dem Flakon rum wie ein loser Fensterladen. Die ebenfalls goldene Schrift auf dem Glasflakon verliert schon beim ersten Auspacken ihren Glanz und reibt ab.

Genauso stelle ich mir eine britisch-französische Coproduktion im Autobau vor: Auf den ersten Blick absolut hui, aber wenn du den Türgriff anfasst, trifft dich das Grauen. Materialien, die trotz Oberflächenveredelung ihre billige Herkunft nicht verleugnen können. Dazu eine eher lässige Verarbeitung. Ohlala, was macht es schon, wenn es hier und da mal klappert und knirscht, solange es aus einem gewissen Abstand gut aussieht? Ein absoluter Blender! Sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass das Wässerchen mit der britischen Anmutung tatsächlich in Frankreich produziert wird?

Drauf gepfiffen; ich gehe lieber zum Duft über, sonst ärgere ich mich noch länger. Es beginnt zwar zitrisch-frisch, aber auch ziemlich süß. Auf den ersten Riecher wie ein Zwilling von Sculpture. Schaut man auf die Duftnoten, wird man feststellen, dass beide Düfte Bergamotte, Orangenblüte, und Zitrone bzw. Limette enthalten. Von daher ist die Ähnlichkeit gar kein Wunder. Blöd jetzt für mich, dass ich Sculpture irgenwie so gar nicht mag, dieses süßliche Bolchenwasser mit dem Hauch Energydrink.

Bergamotte dominiert, Limette geht (meiner Meinung nach) vollkommen unter, aber wenn man weiß dass er drin ist (oder einen sehr feinen Geruchssinn hat), kann man den Apfel erahnen bzw. herausriechen. Und da lässt auch schon die anfangs unerträgliche Bolchensüße nach und die Orangenblüte machts eher fruchtig-holzig. Teakholz soll wohl dafür mit verantwortlich sein. Meinetwegen - kann ich weder bestätigen noch verneinen, ob das tatsächlich Teakholz ist, aber irgendwas Holziges ist da mit bei. Auf alle Fälle wische ich mir an dieser Stelle die Schweißperlen von der Stirn, weil der Duft in just diesem Augenblick für mich persönlich die Kurve gekriegt hat.

Moschus wirkt in der Basis wohl eher als Katalysator fürs Patchouli; als eigenständige Komponente nehme ich es nicht wahr und das ist mit auch ganz recht. Das Patchoulie ist übrigens realtiv unsüß, eher herb. Die Vanille habe ich nur ganz kurz zwischendruch vernommen und nun ist es mir so, als würde sie hin und wieder aus weiter Ferne dazwischenrufen. Interessant! Da kann man definitiv länger und öfter dran rumschnüffeln und immer wieder neuen Duftaspekte vernehmen. Eine persönliche Stimmung und Erwartungshaltung könnte da durchaus Einfluss haben, was man gerade herausriecht. Was mich aber irritiert: Ich vernehme eine leicht stechende Note, die mich an Pfeffer erinnert, welcher aber gar nicht enthalten sein soll. Ich empfinde das als äußerst angenehm aber halt irritierend, da ich was rieche, was eigentlich nicht sein kann.

Auf alle Fälle ist der Duft sehr schick und lecker, auch wenn ich ihn rein logisch nicht so richtig verstehe. Was soll am Anfang diese süße Schockwelle? Soll sie bei Fans der entspechenden Düfte um Aufmerksamkeit werben? Falls ja, ob denen dann die weitere Duftentwicklung wirklich gefällt? Irgendwie ganz schön frech, was dieser Franko-Engländer da macht. Allerdings: Er kann sich das erlauben, verfügt er doch über eine ganz schöne Ausdauer, bei der andere nicht mitkommen. Geniestreich in der Budget-Klasse, vor dem so mancher höherpreisige Superduperdesigner kapitulieren muss.
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