Patou pour Homme 1980 Eau de Toilette

Ameise
26.01.2013 - 12:42 Uhr
6
Hilfreiche Rezension
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft

"Woodstock" oder Lucky, lucky me!

Als ich noch ein sehr junger Teenager war, bekam ich von der Mutter einer Schulfreundin einen noch fast vollen 100ml Tester dieses Dufts geschenkt. Zu jener Zeit hatte ich zwar schon den auch nicht gerade zart gebauten Antaeus zu meinem Helden erkoren, aber dennoch erinnere ich mich noch sehr genau, wie mich dieser mir bis dato völlig unbekannte Monsieur Patou mit dem ersten Schnuppern geschmeidig und ganz unvermittelt auf die Bretter schickte. Und das ganz buchstäblich: Holz! Das war zumindest damals seltsamerweise mein erster Eindruck. Dunkles, tropisches Edelholz. Seltsam deshalb, weil mir die "Parfumsprache", jener Jargon, mit dem Düfte unter Interessierten oder Eingeweihten kommuniziert werden, ganz bestimmt nicht geläufig war und ich auch keine tatsächliche Erfahrung mit duftenden Hölzern hatte, die eine solche Beschreibung erklären würde. Immerhin war mir jedoch diese Assoziation selbst fast 25 Jahre nachdem ich PpH zum letzten Mal gerochen hatte, immer noch im Gedächtnis geblieben.
Der besagte Flakon war gute 8 oder 9 Jahre in meinem Besitz. Er hat mich sogar in verschiedene Länder begleitet. Irgendwo in England Ende der 80er verliert sich dann seine Spur, bzw. meine Erinnerung. Ich glaube, ich habe ihn bezeichnenderweise an eine Freundin verschenkt. Patou pH war mir damals immer ein Spur "too much - just too heavy". Ich liebte ihn zwar sehr, aber mehr "für mich". Ich habe ihn zu meinem Bedauern eher selten benutzt, weil ich mich nie so recht traute, ihn aufzulegen. (Was wirklich etwas heißen will: Wir sprechen von den 80ern und selbst richtige "Stinker" konnten mich so schnell nicht in Verlegenheit bringen.) Aber PpH hatte für mich immer etwas sehr Sensuelles, ja Feminines. Vielleicht wegen seiner Üppigkeit, seiner balsamischen Weichheit, diesen orientalischen Gewürznoten, denen jede zitrische Spitze fehlt. Vielleicht war ich für diese leicht schwüle Erotik, die auf mich gleichzeitig stark aber - ohne androgyn zu sein - auch sexuell undefinierbar wirkte, einfach noch zu jung oder zu ängstlich.

Gute zwei Jahrzehnte lang hatte ich PpH fast vergessen. Im letzten Sommer habe ich dann aus sentimentalen Gründen - und weil ich auf der Suche nach einem zeitgenössischen Lieblingsduft nicht wirklich fündig geworden war - begonnen, meine all-time favourites noch einmal zusammen zu sammeln. Erst dadurch und nach meiner Anmeldung bei Parfumo ist mir klar geworden, welchen Status PpH inzwischen unter Aficionados genießt. Und vor allem, welch abenteuerliche Preise selbst winzige Mengen mittlerweile erzielen. Zwischenzeitlich hatte ich die Befürchtung mein "Projekt" würde scheitern, weil es so aussah, als könnte ich diesen Duft garnicht mehr auftreiben. (Wenigstens nicht zu einem irgendwie "akzeptablen" Preis.) Mittlerweile steht jedoch ein voller 10 ml Flakon vor mir, den ich für die lächerliche Summe von wenigen Euro ersteigern konnte.
Aber was am allerschönsten ist: Er duftet noch genau so, wie ich ihn im Gedächtnis hatte. Noch besser, denn er schüchtert mich mit nicht mehr so ein. Inzwischen komme ich damit ganz gut klar. (Und wenn ich sehe, welch glühende Anhängerschaft ein Gucci Pour Homme I hat, würde ich vermuten, dass solche opulenten Düfte durchaus gesellschaftsfähig sind.)

Heute kann ich jedenfalls meine Wahrnehmung um ein paar Adjektive oder Bilder erweitern: Weich und vollmundig in getoastetem Holz ausgebauter Single Malt, Zimt und Vanille, sogar ein wenig Lakritz (Süßholz) und ganz bestimmt eine deutliche Spur von pfeffriger Muskatnuss. Das klingt ein wenig gourmandig, ist es aber meiner Meinung nach dann doch nicht. Auch krautig wird es nicht, kein Grün, sondern eher die erdige Palette, die man im Soukh der Gewürzhändler zu sehen bekommt. Ich weiß, dass diese Beschreibung zumindest von der Liste der Inhaltsstoffe und der Duftpyramide nicht unbedingt gestützt wird, aber ich kann mich dieser Eindrücke nun mal nicht erwehren. Was allerdings bestimmt zutrifft - und ja auch schon von anderen erwähnt wurde - ist die völlige Abwesenheit von Zitrus- oder Frischenoten, was PpH allerdings keineswegs dumpf oder muffig macht.

PpH ist ein im wahrsten Wortsinne wirklich beeindruckender Duft. Kein lauter oder gar vulgärer Macho, sondern ein orientalischer Potentat, mächtig, kultiviert, elegant und selbstbewusst. Dabei durchaus mit einer wollüstigen Seite. Dass es sich bei ihm - wie manche sagen - um den König der Herrenparfums handelt, würde ich nicht beschwören. Dennoch liegt sein fast schon legendärer Ruhm meiner Meinung nach nicht hauptsächlich in Abwesenheit und Exklusivität begründet ("Willst Du was gelten, mach Dich selten!"), sondern beruht auf tatsächlicher Komplexität und Meisterschaft.
Natürlich steht er damit nicht allein. Immerhin hat es vor ihm und seit seiner Einführung viele Düfte gegeben, von denen einige ihrerseits glänzende Siegertypen sind. Patou pour Homme rangiert allerdings im Medaillenspiegel ganz oben. Er hat sich seinen Platz auf dem Treppchen und den Lorbeerkranz in der Parfumgeschichte allemal verdient.

Hätte ich Enkel, ich würde ihnen ehrfurchtsvoll von Patou pour Homme erzählen..."Damals in Woodstock..."
2 Antworten