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Die wilden Jahre des Monsieur Patou
Die wilden Jahre des Monsieur Patou
Wir schreiben die 80er Jahre.
Im Rahmen der Umweltbewegung werden überall in Europa grüne Parteien gegründet, so "Die Grünen" in Deutschland, die dann 1983 mit 5,6 Prozent Stimmen und 27 Abgeordneten in den Deutschen Bundestag einziehen sollten. Hätte Nena nicht erst 1983 das Lied von den "99 Luftballons" gesungen wäre womöglich der Erste Golfkrieg (ab 1980) zwischen dem Iran und dem Irak sowie der Falklandkrieg (2. April – 20. Juni 1982) vermieden worden. Am 1. Oktober 1982 wird Helmut Kohl deutscher Bundeskanzler (und sollte es auch noch für das eine oder andere Jahr bleiben). Dank Michail Gorbatschow, der 1985 Generalsekretär der KPdSU wurde, erweiterte sich unser Wortschatz um Begriffe wie "Perestroika" und "Glasnost". 1987 wurde das Volk gezählt und im selben Jahr verfolgten wir gespannt die sogenannte "Barschel-Affäre". So lange, bis uns dann 1989 der Fall der Berliner Mauer in seinen Bann zog. Ein Jahr zuvor hatte Bundestagspräsident Philipp Jenninger seine vorzüglichen rhetorischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt und musste -wohl zu Recht- zurücktreten. Dieser Rücktritt störte uns nicht sehr, denn uns war bereits im Jahre 1981 der IBM-PC (Personal Computer) vorgestellt worden. Wir wurden aber auch mit einem Heimcomputer bedacht: So verschönten uns fortan der Commodore 64 (1982) und der Apple Macintosh 1984 unser Leben. Auch Computerspiele und Spielkonsolen fanden zunehmenden Absatz. Eine der ersten gängigen Konsolen war z. B. das Atari 2600 (seit 1980 in Europa erhältlich).
Wir durften unsere telefonischen Nachrichten erstmals auf einem Anrufbeantworter hinterlassen, ein inzwischen etwas in die Jahre gekommener Vorfahre unserer heutigen "Mailbox". Nur der Mikrowellenherd von damals heißt heute immer noch so. Wir kannten zwar noch keine DVD, dafür aber schon Video-Recorder mit den unerlässlichen VHS-Kasetten, mittels derer wir dann "Wetten, dass", "Die Schwarzwaldklinik" oder "Miami Vice" aufzeichneten. Das Privatfernsehen kam auf. Im Radio hörten wir "Saga" und natürlich auch Falco's "Jeanny". Letztere natürlich nur so lange, bis einige Rundfunkanstalten sich weigerten, dieses Lied abzuspielen. Auch "Modern Talking" konnte es nicht verhindern, dass ein rothaariger Tennisspieler aus Leimen auf dem grünen Rasen in Wimbledon des Öfteren der weißen Filzkugeln hinterher hechtete. Lange Zeit, bevor er dann seine Stärken in einer anderen "Sportart" in dunklen Besenkammern ausleben sollte.
Zwar womöglich kein Kind von Boris Becker aber ein Kind dieser Zeit ist "Patou Pour Homme" von Jean Patou aus dem Jahre 1980.
Er startet würzig und -wie es sich für einen Duft aus dieser Zeit gehört- mit einem ordentlichen Knall: Da sind Basilikum, Salbei und Lavendel mit von der Partie. Nicht so heftig, wie die extrem komplexe Kopfnote des ein Jahr später erschienenen "Antaeus" (Chanel), aber: Das hat schon was. Es fehlt nach meinem Geschmack auch völlig das leicht zitrische Element (Bergamotte ?) im Vergleich zu dem im Jahre 1986 kreierten "Bel Ami" von Hermès, obgleich dort der Salbei in der Kopfnote ebenfalls prominent herausragt (bevor "Bel Ami" dann in Richtung einer wundervoll rauchigen Lederkreation wandert). Selbst der in manchen Düften so klassisch auftretende Lavendel ist hier fast schon ein Krawallbruder. Nun ja, wie es sich für ein Kind dieser Zeit gehört: Eben nicht der englische distinguierte Lord, sondern der Halbstarke mit Karottenjeans, Schulterpolster und Strähnchen im (dauergewellten) Haar.
Das Ganze wird in der Herznote etwas ruhiger, etwas gediegener und auch etwas runder: Dazu trägt ein süßlich-erdiges Patchouli bei, das den Boden bereitet für ein paar Bäumchen. Es sind würzig-grüne Tannenbäume, die nunmehr auf dem erdigen Patchouli stolz thronen. Nein, das Ganze wird jetzt kein "Kneipp'sches" Heilbad. Natürlich nicht ! Die Herznote dieses wunderschönen Duftes ist vielmehr ein traumhafter Ruhepol inmitten eines leicht zitrisch-krautig (Vetiver) angehauchten Tannenwaldes mit leicht feuchter Erde (Patchouli). Man möchte sich geradezu niederlassen und diesen einzigartigen Moment und diese einzigartige Stimmung zu genießen. Das kann man auch, denn der Träger dieses Duftes hat viel von der lang andauernden und ihn sehr erfreuenden Herznote.
In der Basis klingt dann unser erdiger Tannenwald leicht ledrig-süß aus. Ein cooles glattes Leder, versüßt mit einem leichten Hauch von Vanille.
Mein Fazit:
"Patou Pour Homme" ist bereits auf den ersten Blick "ein Kind seiner Zeit". Nicht zu Unrecht kann dieser Duft mit den olfaktorischen Meisterwerken "Antaeus" (Chanel 1981) und "Bel Ami" (Hermès 1986) in einem Atemzug genannt werden. Nach einem -für Düfte dieser Zeit typisch- heftigem Auftakt (unter anderem) mit Salbei wird "Patou Pour Homme" ruhiger und tiefer, um dann wunderschön ledrig-süß auszuklingen. Stören sich manche womöglich an der durch das Bibergeil hervorgerufenen "seifigen" Basis von Chanel's "Antaeus", so kann ich mir bei "Patou Pour Homme" kaum vorstellen, dass jemand Anstoß an dessen Basis nehmen kann. Ein Meisterwerk seiner Zeit. Mir gefallen jedoch die anderen beiden Genannten einen kleinen Tick besser.
Wir schreiben die 80er Jahre.
Im Rahmen der Umweltbewegung werden überall in Europa grüne Parteien gegründet, so "Die Grünen" in Deutschland, die dann 1983 mit 5,6 Prozent Stimmen und 27 Abgeordneten in den Deutschen Bundestag einziehen sollten. Hätte Nena nicht erst 1983 das Lied von den "99 Luftballons" gesungen wäre womöglich der Erste Golfkrieg (ab 1980) zwischen dem Iran und dem Irak sowie der Falklandkrieg (2. April – 20. Juni 1982) vermieden worden. Am 1. Oktober 1982 wird Helmut Kohl deutscher Bundeskanzler (und sollte es auch noch für das eine oder andere Jahr bleiben). Dank Michail Gorbatschow, der 1985 Generalsekretär der KPdSU wurde, erweiterte sich unser Wortschatz um Begriffe wie "Perestroika" und "Glasnost". 1987 wurde das Volk gezählt und im selben Jahr verfolgten wir gespannt die sogenannte "Barschel-Affäre". So lange, bis uns dann 1989 der Fall der Berliner Mauer in seinen Bann zog. Ein Jahr zuvor hatte Bundestagspräsident Philipp Jenninger seine vorzüglichen rhetorischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt und musste -wohl zu Recht- zurücktreten. Dieser Rücktritt störte uns nicht sehr, denn uns war bereits im Jahre 1981 der IBM-PC (Personal Computer) vorgestellt worden. Wir wurden aber auch mit einem Heimcomputer bedacht: So verschönten uns fortan der Commodore 64 (1982) und der Apple Macintosh 1984 unser Leben. Auch Computerspiele und Spielkonsolen fanden zunehmenden Absatz. Eine der ersten gängigen Konsolen war z. B. das Atari 2600 (seit 1980 in Europa erhältlich).
Wir durften unsere telefonischen Nachrichten erstmals auf einem Anrufbeantworter hinterlassen, ein inzwischen etwas in die Jahre gekommener Vorfahre unserer heutigen "Mailbox". Nur der Mikrowellenherd von damals heißt heute immer noch so. Wir kannten zwar noch keine DVD, dafür aber schon Video-Recorder mit den unerlässlichen VHS-Kasetten, mittels derer wir dann "Wetten, dass", "Die Schwarzwaldklinik" oder "Miami Vice" aufzeichneten. Das Privatfernsehen kam auf. Im Radio hörten wir "Saga" und natürlich auch Falco's "Jeanny". Letztere natürlich nur so lange, bis einige Rundfunkanstalten sich weigerten, dieses Lied abzuspielen. Auch "Modern Talking" konnte es nicht verhindern, dass ein rothaariger Tennisspieler aus Leimen auf dem grünen Rasen in Wimbledon des Öfteren der weißen Filzkugeln hinterher hechtete. Lange Zeit, bevor er dann seine Stärken in einer anderen "Sportart" in dunklen Besenkammern ausleben sollte.
Zwar womöglich kein Kind von Boris Becker aber ein Kind dieser Zeit ist "Patou Pour Homme" von Jean Patou aus dem Jahre 1980.
Er startet würzig und -wie es sich für einen Duft aus dieser Zeit gehört- mit einem ordentlichen Knall: Da sind Basilikum, Salbei und Lavendel mit von der Partie. Nicht so heftig, wie die extrem komplexe Kopfnote des ein Jahr später erschienenen "Antaeus" (Chanel), aber: Das hat schon was. Es fehlt nach meinem Geschmack auch völlig das leicht zitrische Element (Bergamotte ?) im Vergleich zu dem im Jahre 1986 kreierten "Bel Ami" von Hermès, obgleich dort der Salbei in der Kopfnote ebenfalls prominent herausragt (bevor "Bel Ami" dann in Richtung einer wundervoll rauchigen Lederkreation wandert). Selbst der in manchen Düften so klassisch auftretende Lavendel ist hier fast schon ein Krawallbruder. Nun ja, wie es sich für ein Kind dieser Zeit gehört: Eben nicht der englische distinguierte Lord, sondern der Halbstarke mit Karottenjeans, Schulterpolster und Strähnchen im (dauergewellten) Haar.
Das Ganze wird in der Herznote etwas ruhiger, etwas gediegener und auch etwas runder: Dazu trägt ein süßlich-erdiges Patchouli bei, das den Boden bereitet für ein paar Bäumchen. Es sind würzig-grüne Tannenbäume, die nunmehr auf dem erdigen Patchouli stolz thronen. Nein, das Ganze wird jetzt kein "Kneipp'sches" Heilbad. Natürlich nicht ! Die Herznote dieses wunderschönen Duftes ist vielmehr ein traumhafter Ruhepol inmitten eines leicht zitrisch-krautig (Vetiver) angehauchten Tannenwaldes mit leicht feuchter Erde (Patchouli). Man möchte sich geradezu niederlassen und diesen einzigartigen Moment und diese einzigartige Stimmung zu genießen. Das kann man auch, denn der Träger dieses Duftes hat viel von der lang andauernden und ihn sehr erfreuenden Herznote.
In der Basis klingt dann unser erdiger Tannenwald leicht ledrig-süß aus. Ein cooles glattes Leder, versüßt mit einem leichten Hauch von Vanille.
Mein Fazit:
"Patou Pour Homme" ist bereits auf den ersten Blick "ein Kind seiner Zeit". Nicht zu Unrecht kann dieser Duft mit den olfaktorischen Meisterwerken "Antaeus" (Chanel 1981) und "Bel Ami" (Hermès 1986) in einem Atemzug genannt werden. Nach einem -für Düfte dieser Zeit typisch- heftigem Auftakt (unter anderem) mit Salbei wird "Patou Pour Homme" ruhiger und tiefer, um dann wunderschön ledrig-süß auszuklingen. Stören sich manche womöglich an der durch das Bibergeil hervorgerufenen "seifigen" Basis von Chanel's "Antaeus", so kann ich mir bei "Patou Pour Homme" kaum vorstellen, dass jemand Anstoß an dessen Basis nehmen kann. Ein Meisterwerk seiner Zeit. Mir gefallen jedoch die anderen beiden Genannten einen kleinen Tick besser.
3 Antworten
Mandelblüte vor 11 Jahren
Toller Kommentar und Würdigung einer Legende !
Meggi vor 11 Jahren
Und ich erstelle an meinem C64 mal ein "Sprite" in Form eines Pokals!
Yatagan vor 11 Jahren
Titan der frühen 80er.

