24.04.2022 - 14:24 Uhr
Foxear
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Foxear
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Totentanz
Patou pour Homme - um dieses Wässerchen ranken sich zahlreiche Mythen – so liest man von sicher verwahrten Flakons in bombensicheren Tresoren, Bankschließfächern, versteckten Azteken-Tempeln und die Amerikaner sollen sogar fässerweise Restbestände in Area 51 und auf dem Mond gebunkert haben – daher rühren auch die horrenden Mondpreise, zu denen dieses mittlerweile eingestellte Wasser gehandelt wird.
Parfumos rätseln unschlüssig, ob es sich hierbei um den besten Herrenduft aller Zeiten handelt – die Exklusivität dieses raren Duftwassers befeuert natürlich den Legendenstatus. Unvoreingenommen und objektiv betrachtet stellt sich die Frage – wird dieses Wasser seinem ikonischen Status gerecht? Ein Grünschnabel auf der Suche nach der Wahrheit.
Geschaffen wurde dieser Brocken 1980 vom Ausnahmetalent Jean Kerléo, der von 1967 bis 1999 für Jean Partou tätig war und insgesamt nur eine Handvoll Männerdüfte kreiert hat – nämlich genau fünf, darunter auch Patou pour Homme als Eau de Toilette und After Shave. In den 80ern sprießten Chypre Düfte wie Pilze aus dem Boden- auch Kerléo versuchte sich daran. Sein Experiment war geglückt, das Ergebnis war mehr als nur das: ein widersprüchlicher orientalischer Fougere-Chypre mit einer so wandelbaren Transformation, wie es nur Christian Bale ihm gleichtun könnte.
Preislich war das Parfum in der oberen Kategorie der Designerdüfte angesiedelt, heutzutage vergleichbar mit Dior oder Chanel, da laut eigener Aussage ausschließlich hochwertige Duftstoffe verwendet wurden. Wann genau Patou Pour Homme eingestellt wurde, konnte ich nicht herausfinden.
2013 wagte sich das das Haus Jean Patou, inzwischen unter Leitung von Parfumeur Thomas Fontaine, an einer Neufassung des Dufts mit gleichem Namen. Allerdings konnte der vielbesagte heilige Gral nicht geborgen werden – der Duft hatte außer dem Namen mit dem Vintage-Kracher nichts gemein – zum Verdruss vieler Anhänger. Das Haus erklärte dies damit, dass man wegen Verboten diverser Inhaltsstoffe (u. a. Eichenmoos) durch die IFRA nicht mehr den gleichen Duft kreieren könne, mit synthetischen Alternativen erreiche man nicht das gleiche Ergebnis. Daher beten noch heute Jünger der Kirche des Olfaktismus in Patou pour Homme getränkten Roben während geheimnisvoller Zeremonien unter hellem Mondschein zu den Duftgöttern, dass ein Messias Ihnen die Erlösung in Form eines identisch riechenden Zwillings offenbart.
Muskatellersalbei, Lavendel, Basilikum, schwarzer Pfeffer, Estragon, Pimentsamen, Patchouli, Vetiver, Geranie, Tanne, Zeder, Leder, Zibet, Vanille, Tonkabohne, Sandelholz, Ladanharz – so die Duftstoffe laut gängigen Internetforen dieses Duftfeuerwerks. Wer beim Lesen dieser 17 Inhaltsstoffe noch nicht ohnmächtig geworden ist, erwartet jetzt sicherlich keine konkrete Aufschlüsselung eines Parfumo Grünschnabels. Das wäre so, als würde Rocky Balboa Quantenmechanik erklären– kurzweilig und amüsant, aber verstehen tut weder er noch man selbst etwas.
Freilich versuche ich meine Eindrücke zu schildern. Der Duft startet kräftig herb und staubtrocken, ich würde sogar behaupten: rauchig. Zitrusfrüchte kannte man damals wohl noch nicht, oder diese gehen im staubtrockenem und dunklem Holz unter. Danach tut sich sehr viel Würze auf, die fortwährend von derbem Leder umschlungen wird. Zuweilen kam mir der Duft spontan leicht seifig vor – nur um dann im nächsten Moment wieder zu wechseln. Im gesamten Verlauf ist der Duft sehr warm und wird abklingend sogar leicht süß – allgegenwärtig ist eine intime, dunkle zugleich jedoch wärmende und vertraute Aura. Rundum ein fein abgestimmter Männerduft, der viele Facetten hat: grün, holzig, würzig, ledrig, süß und womöglich rauchig. Dass ich nicht eine Duftnote gezielt herausriechen kann, spricht entweder für die komplexe Genialität dieses Wassers oder meine stümperhafte Nase – entscheidet selbst.
Ein Beispiel aus dem Alltag zur Veranschaulichung meiner Bewunderung für diesen Duft: höre ich als Laie Beethovens „Die Ode an die Freude“, „Nocturnes“ von Chopin oder „Zarathustra“ von Strauß –bin ich verwundert von dem, was sich mir auditiv offenbart. Musik, welche die Zeit überdauert – geschaffen aus Freude, Leid und Hoffnung. Was da genau passiert, kann ich nicht erklären. Ein Experte auf dem Gebiet könnte die Musikstücke sicherlich analytisch aufschlüsseln und den Zauber erklären. Eines jedoch haben der Laie und Connaisseur gemeinsam: beide sind vollends fasziniert.
Mein Fazit: Die Exklusivität und die Nostalgie vieler Anhänger dieses Wässerchens befeuert womöglich bewusst oder latent das Verteilen von Bestnoten. Lässt man die Ikonisierung und den Legendenstatus außen vor, erhält man einen vielseitigen und erstklassigen Männerduft mit Powerhouse-Charakter. Für mich ist es nicht der heilige Gral, einen Platz im Äther der besten Herrendüfte aller Zeiten hat er indes sicher.
Ich schnapp‘ mir jetzt meine in Patou pour Homme getränkte Robe und bete unter hellem Mondschein zu den Duftgöttern – und ihr?
Passende Musik: Camille Saint-Saëns - Danse Macabre
Parfumos rätseln unschlüssig, ob es sich hierbei um den besten Herrenduft aller Zeiten handelt – die Exklusivität dieses raren Duftwassers befeuert natürlich den Legendenstatus. Unvoreingenommen und objektiv betrachtet stellt sich die Frage – wird dieses Wasser seinem ikonischen Status gerecht? Ein Grünschnabel auf der Suche nach der Wahrheit.
Geschaffen wurde dieser Brocken 1980 vom Ausnahmetalent Jean Kerléo, der von 1967 bis 1999 für Jean Partou tätig war und insgesamt nur eine Handvoll Männerdüfte kreiert hat – nämlich genau fünf, darunter auch Patou pour Homme als Eau de Toilette und After Shave. In den 80ern sprießten Chypre Düfte wie Pilze aus dem Boden- auch Kerléo versuchte sich daran. Sein Experiment war geglückt, das Ergebnis war mehr als nur das: ein widersprüchlicher orientalischer Fougere-Chypre mit einer so wandelbaren Transformation, wie es nur Christian Bale ihm gleichtun könnte.
Preislich war das Parfum in der oberen Kategorie der Designerdüfte angesiedelt, heutzutage vergleichbar mit Dior oder Chanel, da laut eigener Aussage ausschließlich hochwertige Duftstoffe verwendet wurden. Wann genau Patou Pour Homme eingestellt wurde, konnte ich nicht herausfinden.
2013 wagte sich das das Haus Jean Patou, inzwischen unter Leitung von Parfumeur Thomas Fontaine, an einer Neufassung des Dufts mit gleichem Namen. Allerdings konnte der vielbesagte heilige Gral nicht geborgen werden – der Duft hatte außer dem Namen mit dem Vintage-Kracher nichts gemein – zum Verdruss vieler Anhänger. Das Haus erklärte dies damit, dass man wegen Verboten diverser Inhaltsstoffe (u. a. Eichenmoos) durch die IFRA nicht mehr den gleichen Duft kreieren könne, mit synthetischen Alternativen erreiche man nicht das gleiche Ergebnis. Daher beten noch heute Jünger der Kirche des Olfaktismus in Patou pour Homme getränkten Roben während geheimnisvoller Zeremonien unter hellem Mondschein zu den Duftgöttern, dass ein Messias Ihnen die Erlösung in Form eines identisch riechenden Zwillings offenbart.
Muskatellersalbei, Lavendel, Basilikum, schwarzer Pfeffer, Estragon, Pimentsamen, Patchouli, Vetiver, Geranie, Tanne, Zeder, Leder, Zibet, Vanille, Tonkabohne, Sandelholz, Ladanharz – so die Duftstoffe laut gängigen Internetforen dieses Duftfeuerwerks. Wer beim Lesen dieser 17 Inhaltsstoffe noch nicht ohnmächtig geworden ist, erwartet jetzt sicherlich keine konkrete Aufschlüsselung eines Parfumo Grünschnabels. Das wäre so, als würde Rocky Balboa Quantenmechanik erklären– kurzweilig und amüsant, aber verstehen tut weder er noch man selbst etwas.
Freilich versuche ich meine Eindrücke zu schildern. Der Duft startet kräftig herb und staubtrocken, ich würde sogar behaupten: rauchig. Zitrusfrüchte kannte man damals wohl noch nicht, oder diese gehen im staubtrockenem und dunklem Holz unter. Danach tut sich sehr viel Würze auf, die fortwährend von derbem Leder umschlungen wird. Zuweilen kam mir der Duft spontan leicht seifig vor – nur um dann im nächsten Moment wieder zu wechseln. Im gesamten Verlauf ist der Duft sehr warm und wird abklingend sogar leicht süß – allgegenwärtig ist eine intime, dunkle zugleich jedoch wärmende und vertraute Aura. Rundum ein fein abgestimmter Männerduft, der viele Facetten hat: grün, holzig, würzig, ledrig, süß und womöglich rauchig. Dass ich nicht eine Duftnote gezielt herausriechen kann, spricht entweder für die komplexe Genialität dieses Wassers oder meine stümperhafte Nase – entscheidet selbst.
Ein Beispiel aus dem Alltag zur Veranschaulichung meiner Bewunderung für diesen Duft: höre ich als Laie Beethovens „Die Ode an die Freude“, „Nocturnes“ von Chopin oder „Zarathustra“ von Strauß –bin ich verwundert von dem, was sich mir auditiv offenbart. Musik, welche die Zeit überdauert – geschaffen aus Freude, Leid und Hoffnung. Was da genau passiert, kann ich nicht erklären. Ein Experte auf dem Gebiet könnte die Musikstücke sicherlich analytisch aufschlüsseln und den Zauber erklären. Eines jedoch haben der Laie und Connaisseur gemeinsam: beide sind vollends fasziniert.
Mein Fazit: Die Exklusivität und die Nostalgie vieler Anhänger dieses Wässerchens befeuert womöglich bewusst oder latent das Verteilen von Bestnoten. Lässt man die Ikonisierung und den Legendenstatus außen vor, erhält man einen vielseitigen und erstklassigen Männerduft mit Powerhouse-Charakter. Für mich ist es nicht der heilige Gral, einen Platz im Äther der besten Herrendüfte aller Zeiten hat er indes sicher.
Ich schnapp‘ mir jetzt meine in Patou pour Homme getränkte Robe und bete unter hellem Mondschein zu den Duftgöttern – und ihr?
Passende Musik: Camille Saint-Saëns - Danse Macabre
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