Incident Diplomatique 2017

Diordorant
14.06.2022 - 03:07 Uhr
7
Sehr hilfreiche Rezension
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Interlude Diplomatique

Mehr als ein diplomatischer Zwischenfall mit Dramatik und Intrige ist dieser Duft ein diplomatisches Zwischenspiel, ein Zwischenstopp der Erholung und Beruhigung von eben diesen Kabalen.

Der Zwischenstopp ist insofern "diplomatisch", als er sich in einem Diplomatenzimmer abspielt, abseits hitziger Gespräche auf den Ämtern. Hier findet sich ein ruhiges Arbeitszimmer, schattig und damit erquicklich kühl abseits auch der sonnigen Hitze draußen, die durch eine frische, von einem geöffneten Fenster her eindringenden Luft zu erahnen ist. In diesem Zimmer bewahrt man einen kühlen Kopf, die Dunkelheit, die Holzmöbel und -regale sowie die in diesen befindlichen Bücher stimmen zum gelassenen Nachdenken und einvernehmlichen Gesprächen. Noch mehr zu Letzterem stimmen jedoch die auch hier vorzufindenden diplomatischen Geschenkgaben: helle Blumen auf der Fensterbank, eine Kiste blonder Zigarren auf dem Schreibtisch, dazu sehr bekömmlicher Weißwein, mild süß und leicht trocken. Einige asiatische Sandelholzschnitzereien, kunstvoll und sehr wohlriechend holzig, vage zitrisch durch ihre Politur.

Weniger assoziativ: Dieser Duft besteht hauptsächlich aus Tabak, Wein und Sandelholz, die ihrem Charakter nach eher dunkle, schwere Gerüche sind, hier aber deutlich heller und luftiger auftreten. Der Tabak - vermutlich entstehend in erster Linie durch Patchouli und Muskat - ist ein weicher, grob geschnittener, heller Pfeifentabak, nicht rauchig oder harzig sondern leicht, der Nase schmeichelnd; der Wein, der hier wohl irgendwie aus den Vetiver-Noten gewonnen wird, ist weiß, prickelnd, ein klein wenig süß, beschwipsend aber das nicht auf eine schwere, boozige Art und Weise, sondern mild, trocken, den Gaumen umspielend; das Sandelholz ist cremig, warm, wirkt beruhigend und frisch und sauber, wie frisch poliert.

Ich denke, dass die Mandarine - hier als soche zwar nicht erkennbar - den Bestandteilen diese gewisse frische Qualität verleiht. Es zieht sich ein heller, nahezu blumiger Charakter durch den gesamten Duft, man kann Mandarinenblüten vermuten, oder Jasmin oder andere weiße Blüten mit auffallendem Geruch. Das entsteht wohl aus der Verbindung der pflanzlich-erdigen Noten um Patchouli und Vetiver mit eben den strahlenderen Eigenschaften von Zitrik und den angenehmeren von Muskat und Sandelholz. Wie auch immer, diese Qualität macht den Duft besonders, denn als solcher kann er trotz dieser sonst eher schweren, warmen, starken Geruchsnoten sehr gut im Frühling und Sommer getragen werden, und dem Träger damit eine sehr eigene Signatur verleihen.

Alles in allem hat man es mit einem reichen, vornehmen und eleganten Duft zu tun, der trotzdem hervorragend frisch und leichtbekömmlich ist. Im späten Verlauf tritt zwar das Wildwüchsigere von Patchouli etwas stärker auf, aber das macht den Duft vielleicht nur noch warmwettertauglicher, da es ihm ein bisschen das Vornehme nimmt.

Haltbarkeit und Sillage sind sehr solide, der Durchschnitt der Bewertungen trifft dies ganz gut. Ich nehme den Duft rund 8 Stunden lang klar wahr, und die Sillage ist präsent aber nicht raumergreifend ausstrahlend, was für die Frühlings- und Sommertauglichkeit wiederum auch wünschenswert ist.

Wer einen tieferen und charakterstärkeren Duft für den Frühling und Sommer sucht, als es viele der zitrischen und aquatischen sind, welcher aber immer noch merklich erfrischend (oder wohl passender: das gehobenere "erquickend") ist, der notiere sich diesen zum Probieren. Auf meiner Wunschliste landet er alleine schon wegen des schönen Wein-Akkords - so etwas begegnet einem selten.
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