Les Volutes Fumées

Dark Lord Ex Tenebris Lux 2018

DuftDoktor
02.12.2018 - 12:12 Uhr
13
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft

Der perfekte Lederduft

Na ja, was ist schon perfekt?! Alles ist zumindest teilweise Geschmackssache. Und ja, der geniale Leder-Auftakt hält nicht ewig.

Vielleicht ist das gut so, weil man sich sonst leicht sattriechen könnte. Eine Gefahr, die uns Parfumfans ohnehin die ganze Zeit umlauert. Daher schonen wir ja unsere Lieblingsdüfte, um ihrer nicht überdrüssig zu werden.

Leder ist ein spannendes Duftthema. Erstens aufgrund der Assoziationen. Viel mehr als alle anderen Duftthemen ist Leder mit Gedankenbildern und Versprechungen aufgeladen – von maskuliner Lonesome-Rider-Attitüde bis zu leidenschaftlichem Sex. Hier liegen also nicht nur aufgrund des physiologischen Dufteindrucks starke Zuneigung und vehemente Ablehnung dicht beisammen. Es schwingen so viele Konfliktthemen mit, dass der Zugang zu Lederdüften fast immer voreingenommen ist.

Zweitens aufgrund des Dufts selbst. Generell polarisieren alle von einem Teil der Menschen als toll angesehene Düfte. Es gibt Düfte, die jedermann nett findet, aber es gibt keine unumstrittenen tollen Düfte. Bei Leder gilt dies in besonderem Maße. Denn ein Lederduft ist parfumtechnisch offenbar sehr schwer herzustellen, ohne an Nachteilen zu ersticken.

Es gibt ja durchaus schöne Düfte mit Leder. Entweder ist dort das Leder kaum wahrzunehmen (und zu erahnen, wie man ohnehin häufig riecht, was man über den Duft zu wissen glaubt) oder wird von anderen Duftnoten überlagert. Düfte mit Leder an zweiter oder dritter Stelle können ja durchaus sehr schön sein (siehe z.B. „Aoud Night“ von Montale), aber es handelt sich dann einfach nicht um einen echten Lederduft. – So gleiten für meinen Geschmack viele Möchtegern-Lederdüfte ins Süße oder Iris-Lastige (was dann als Wildleder schöngeredet wird) ab. Auch das süße Leder kann schön sein, etwa mit Rum wie bei „Bentley for Men Intense“.

Bislang dachte ich, es sei unmöglich, einen guten echten Lederduft (d.h. einen guten Duft mit Leder als dominanter Duftnote) herzustellen. Das war keine prinzipielle Ablehnung, sondern eine These aufgrund vieler Leder-Dufterfahrungen.

Beispiele: Bei „Derby“ von Guerlain nervt mich die Gartennelke. Bei „Knize Ten“ ist mir der Bibergeil-Anteil zu hoch (was aber durchaus ein cooler Duft ist, aber eben nur selten tragbar). Bei „Bel Ami“ stört mich die stechende Bitterkeit.

Nun hat Alberto Morillas mit „Dark Lord“ bewiesen, dass ein schöner, ja sehr schöner echter Lederduft möglich ist!

Bislang habe ich ihn nicht für einen der großen Parfümeure gehalten, da er schon viele Duftverbrechen begangen hat. Dafür hat er nun Absolution empfangen und ist in den Parfümeurs-Olymp aufgestiegen.

Bei seinem vorliegenden Opus Magnus ist er vielen Versuchungen nicht erlegen. So driftet der dunkle Lord nicht ins Süße, Speckige, Dreckige oder (Allzu-)Synthetische ab. Dass der Duft mit einem Eindruck von Schuhcreme und Holzigkeit ausklingt, ist für mich akzeptabel. Da haben alle anderen Lederdüfte noch ganz andere Nachteile. Irgendeine Kröte muss man immer schlucken, denn es gibt, wie eingangs erwähnt, nichts in jeder Hinsicht Perfektes.

Der Signaturduft von Darth Vader hat immerhin eine perfekte Leder-Note im Kopf und Herz. Er riecht nach Lederjacke, Leder-Schulranzen und verzichtet auf eine zweite Geige. Erst an dritter Stelle erscheint ein edles, würziges Duftbett. Davana und Rum sind hier noch am ehesten zu nennen.

Den Dufteindruck kann man sich am besten vorstellen, indem man sich „Epic Man“ von Amouage ohne das orientalische Gedöns (Myrrhe, Weihrauch, Gewürze) vorstellt. („Epic Man“ hat weiterhin seine Berechtigung als Würz-Leder-Orientale, nur ist es eben kein echter Lederduft.)

Ein Kunstwerk in Leder ist dieser dunkle Lord, der sich von Herbst bis Frühjahr tragen lässt.

Sein Anwendungsbereich ist jedoch noch viel größer. Denn endlich gibt es einen „reinen“ Lederduft, mit dem man andere Düfte aufpeppen kann. Inzwischen bin ich ein großer Freund des Layerns von Düften geworden, weil mir fast alle Düfte nicht optimal austariert oder lückenhaft erscheinen. Die Parfümschmiede des kleinen Mannes ist dann eben das Layern. So kann man selbst Einstellungen an den Duftreglern vornehmen, sozusagen als Parfüm-DJ!

Voller Spannung erwarte ich meine anstehenden Layering-Experimente. In der Parfümerie hat mich bereits begeistert, wie „Dark Lord“ dem (zypressen)holzig-krautigen „Patchouly“ von Etro eine böse Seite hinzufügen kann. Eigentlich waren hierbei der Parfümverkäufer und ich nur auf der Suche nach einem Parfüm, mit dem der Lord NICHT zusammenpasst. Denn selbst mit frischen (zitrischen und grünen) Düften harmoniert der Lederschulranzen. Das klingt unglaubwürdig, ich weiß.

Seine Kombinationsstärke liegt darin begründet, dass der Lord seine Wucht immer noch zügelt. Durch diese Contenance macht er andere Akteure nicht platt, sondern lässt sie stehen und zur Geltung kommen. Er weiß, dass er der Coolste ist, aber er muss es nicht permanent zeigen. „Dark Lord“ ist kein angeberischer Schreihals, sondern ein eleganter, würdevoller Gentleman.

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Nachtrag (05.12.2018):

Heute habe ich "Guilty Absolute pour Homme" (GApH) von Gucci getestet. Die beiden Düfte sind auf den ersten und zweiten Schnupperer durchaus zum Verwechseln ähnlich. Dann zeigen sich gewisse Unterschiede.

GApH ist Designerduft-mäßiger und würziger. Der Kern des Kopfs und Herzens ist wohl derselbe, evtl. das ominöse "Woodleather". Bei Dark Lord hält sich der (fast reine) Ledereindruck länger, bei GApH lässt er mit der Zeit schneller nach und geht in eine cremige Holz-Würz-Beliebigkeit über.

Für meine beiden Anwendungsfelder - 1. reiner Lederduft und 2. reiner Lederduft zum Layern - ist Dark Lord etwas besser geeignet. Dafür allerdings das Fünffache auszugeben, lohnt sich kaum. Für mich hat es sich gelohnt, weil der dunkle Lord einfach stärker reinhaut und für mich der "Leather Exit Scent" ist.
Nun kann ich noch besser verstehen, warum in Düften Leder fast immer mit anderen Duftnoten kombiniert wird. Für sich genommen riecht Leder eigentlich nicht schön - aber toll, also "leider geil". Das musste jetzt 'mal sein. Meine Suche nach einem tollen reinen Lederduft ist beendet. Nun kann ich mich wieder "schönen" Düften zuwenden.

=> Fazit/Empfehlung: Wer GApH bereits besitzt, braucht keinen dunklen Lord. Für die meisten Anwender, die 'mal einen Lederkracher tragen wollen, reicht GApH bei Weitem. Wer nach einem absoluten Leder-Wahnsinnsduft sucht (und angesichts des einen einzigen Flakons zu diesem Thema der Preis keine große Rolle spielt), sollte zumindest 'mal am dunklen Lord schnuppern.
Denn er kann mehr, kostet jedoch auch ein Vielfaches. Fans des dunklen Lords, wie ich, werden natürlich auf diesen Mehrwert pochen und behaupten: "Als Alberto Morillas GApH schuf, übte er nur!"
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