Encre Noire Sport 2013

Deimos
28.10.2016 - 11:38 Uhr
8
Sehr hilfreiche Rezension
8
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft

Ungewöhnliches Grün

Dunkel und frisch, unkonventionell und (sehr) grün, Testempfehlung und Blindkaufwarnung zu gleich, so ließe sich der Duft in einem Satz grob umreißen.

Um Encre Noire "Sport" näher zu beschreiben, möchte ich vorweg nehmen, dass ich eine Herleitung über die Duftnoten-Aufschlüsselung für etwas irreführend halte. Besser kann man es mit einem Bild beschreiben, das aus drei, ineinander liegenden Teilen besteht:

Wald, möglicherweise ein Mischwald, aber auf jeden Fall kein Nadelwald. Der Wald ist nicht *übermäßig* dicht, aber man befindet sich weit genug in seinem Inneren, dass man den überwiegenden Schatten und die dadurch am Tag entstehende Atmosphäre deutlich wahrnimmt. Die Temperatur ist ausgeglichen, bedingt durch die Umgebung nicht zu warm, aber auch nicht kalt. Im gemäßigten, mitteleuropäischen Klima vielleicht Frühling oder Herbst. Es hat gerade erst geregnet, der Regen hat aber mittlerweile aufgehört. Die Luft ist klar, der Boden ist zwar nicht wirklich nass, aber merklich feucht. Eine Nuance von einer sich hintergründig vermischenden Kategorie von holzig, frisch und "erdig". Hinzu kommt ein indirekter, eher subtiler Einfluss von einem klaren Gewässer in unmittelbarer Nähe. Vielleicht ein kleiner, sich schlängelnder Bach, vielleicht ein kleiner See mit stetigem Zu- und Abfluss. Die Wirkung ist nicht direkt aquatisch. Es ist eher ein abstrakter Eindruck von frischer Luft und klarem Wasser, der das dunkle Grün am schmalen Uferbereich ergänzt. Das ist der erste Teil des Bildes und macht ungefähr 2/5 vom Gesamten aus.

Hinzu kommt frisch geschnittenes, saftiges Gras. Wenn man jetzt an einen typischen, gemähten Rasen denkt, liegt man aber bereits leicht daneben. Treffender finde ich die abstrakte Vorstellung von einem unnatürlich dicken Grashalm, fast schon so dick wie ein kleiner Baumstamm, dessen frische Schnittfläche man wie einen kleinen Baumstumpf vor sich hat. Vielleicht ist diese Beschreibung etwas ungewöhnlich, aber auch nicht ungewöhnlicher als das etwas eigene "Grün" dieses Duftes. Ich vermute (Spekulation), dass sich Zypresse und Vetiver teilweise so überlagern, dass ihr Zusammenspiel ein ganz eigenes "Grün" ergibt. Vielleicht fehlt mir eine tiefer gehende Erfahrung mit diesen speziellen Duftnoten oder ich habe Schwierigkeiten diesen speziellen Akkord detaillierter zu riechen, möglicherweise ist es aber auch einfach ein in dieser speziellen Hinsicht sehr außergewöhnlicher "Blend" der Parfümeurin. Jedenfalls kenne ich keinen anderen Duft, der genau dieses "Grün" vergleichbar umsetzt. Das ist der zweite Teil des Bildes und macht ebenfalls ungefähr 2/5 vom Gesamten aus.

Der dritte Teil besteht einfach aus einer vergleichsweise "weichen" Grapefruit-Duftnote. Sie ist mal mehr, mal weniger deutlich vorhanden, aber niemals verdeckend im Vordergrund und hat die Bergamotte zu einem großen Teil in sich integriert. Es ist eine leicht zitrisch fruchtige Note, die aber vor allem frisch ist und – immer in Wechselwirkung mit den anderen Teilen - etwa 1/5 vom Gesamten ausmacht.

Zusammengefasst ist der Duft dunkel und frisch, aber auch (sehr) grün. Der "Blend" ist außergewöhnlich (das ist wertungsfrei gemeint) und eine Einordnung in typische Kategorien funktioniert am ehesten nach dem Ausschlussverfahren. Unmittelbar als erste, "schubladenmäßige" Wahl anbieten – weil er gerade so *perfekt* passt – tut sich Encre Noire "Sport" eigentlich nie wirklich, verdient sich (s)einen möglichen Platz aber dadurch, dass sich die Komposition durch individuellen Charakter von den Mitbewerben abzusetzen weiß. Habe deswegen in meiner Bewertung einen halben Punkt wegen leicht eingeschränkter "Tragbarkeit" (sehr allgemein gesehen) abgezogen, den man – wenn man solche Düfte mag – aber gerne wieder dazurechnen darf.
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