Scent Stories Vol.2/Ch.02 - Plush 2015 Eau de Parfum

Skjomi
25.04.2021 - 12:42 Uhr
8
Hilfreiche Rezension

Lost Times

Walking down your childhood street.
Unbelievable dreaming. Just beyond the horizon, out of your reach.
Nachdem sich Vol.1 der Scent Stories wohl tatsächlich mit Reisen zu bestimmten Orten befasst, soll Vol.2 inspiriert sein von den 5 Sinnen. Für mein mangelhaftes Englisch steht, dass ich bei Plush zunächst an einen spontanen, warmen, heftigen Sommerregen dachte. Tatsächlich ist die Übersetzung ganz einfach: Plüsch. Weich wie das Fell eines Teddybären soll der Duft sein, der anzusprechende Sinn ist demnach das Fühlen, Tasten, Spüren. Für mich ist dieser Duft eine Reise in die Kindheit, beinhaltet jedoch wesentlich mehr als das kuschlige und geborgene Gefühl mit dem weichen Lieblingsbären im Arm. Ich rieche kaum einen der Inhaltsstoffe heraus und kann den Duft nicht sezieren, aber an der Duftreise, die er mir beschert hat, kann ich euch teilhaben lassen. Der Auftakt führt mich auf einen Rummelplatz meiner Kindheit – sofort bin ich umgeben vom Geruch nach Zuckerwatte, diversen Lutschern und Bonbons und Nüssen und Mandeln. Und doch ist da mehr als der übliche Süßkram, den man inzwischen in den meisten modernen Damendüften findet. Dieser Rummel ist an einem Tidenfluß gelegen, der Geruch nach Wasser und schwach der nach Salz klingt mit, das Gefühl von kühlem, kaltem grobkörnigem Sand unter nackten Füßen ist dabei und fast meine ich an den Ästen der alten Bäume am Flußufer Laternen im Wind schwanken zu sehen und eine schräge Leierkastenmelodie zu hören. Nein, so alt bin ich nicht... der Duft erweckt diesen Eindruck, er wirkt etwas künstlich verfremdet, wie die verfärbten alten Polaroids, eine Reise in die Vergangenheit, verschwommene Kindheitserinnerungen, die vielleicht nie so passiert sind (was aber keine Rolle spielt). Das Gefühl eines Jahrmarkts mit unzähligen Fahrgeschäften und immer zu wenig Geld in der Hand. Das Besondere daran, als man noch wochenlang auf so ein Ereignis gewartet und sich darauf gefreut hat, die bunten Lichter, das kribbeln im Bauch während man auf dem Kettenkarussell herumfliegt, die Musik, die Menschen, die scheuen Blicke zu dem Jungen am Rand des Karussells.
Und doch ist auch dieser Tag mal vorbei, eine kühle Abendbrise zieht vom Fluss herauf, der Geruch des fernen Meeres, aufziehender Nebel, Kühle, grün-kratzige Disteln, die beim Nachhausegehen an den Kleidern hängen bleiben. Müde, erschöpft, glücklich kuschelt sich das Kind ins Bett, den Lieblingsbären an der Seite und die Hände noch süß von den Mandeln duftend, die es auf dem Heimweg gegessen hat. Vielleicht passt dieser Duft für mich so gut in diese Zeit aktuell, weil die Sehnsucht wieder fast so groß ist wie früher, als man sehr lange auf so ein besonderes Ereignis wartete. Und weil Süßes tröstend wirkt und der Salzgeruch mich ans Meer erinnert, was ich hoffentlich bald wiedersehe.

Der Musiktitel ist ein sehr hörenswertes Lied von Anna Ternheim
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