Apicius
27.10.2010 - 14:11 Uhr
14
Top Rezension
7Duft 7.5Haltbarkeit

Orient vs. Okzident

Fougère Bengale - dieser Name klingt interessant: ein krautig-minziges Parfum aus einer orientalischen Region?

Nun, Fougère Bengale vereint Orient und Okzident. Krautige und frische Noten, unterlegt mit kühlend wirkendem Lavendel, stehen dabei für den Norden, für kühle Brise über schottischem Hochmoor oder norwegischem Fjell. Dieser Nordwind bläst kräftig, quer durch Eurasien, wird am Himalaya in eisige Höhen gezwungen, um mit umso größerer Wucht ins Land der Bengalen hinabzustürzen. Dort richtet er schlimmes Unheil an, denn er pustet sämtliche Gewürzbasare durch, reißt Currypulver aller Sorten mit sich, um sich als Smogwolke über den indischen Metropolen zu verteilen.

Fougère Bengale ist wirklich extrem in seiner Orient-Okzident-Gegensätzlichkeit. Der abendländische Teil geht auf Minze, viel Lavendel und Moos zurück. Ich würde nicht ausschließen, dass auch etwas Coumarin beteiligt ist, wie sich das für ein echtes Fougère gehört. Der morgenländische Anteil wäre ein curryartiger Akkord. Der riecht aber zur Abwechslung mal nicht so sehr nach Kreuzkümmel, eher nach Bockshornklee. Zumindest in den Kopfnoten hat das auch etwas Lakritz- oder Anishaftes. Die Note Kaschmirholz fände ich daher - obwohl nicht angegeben - schlüssig. Und Liebstöckel unterschreibe ich auch! Für eine gewisse Standfestigkeit und Breite sorgt eine recht deutlich und isoliert wahrnehmbare Tonka-Note, die mit der Basisnote hervortritt.

Und die leicht süße, saftige Tabaknote, die nach einigen Minuten erscheint, ist erwähnenswert. Um ehrlich zu sein - mit der Angabe Tabak wusste ich bisher bei Parfums nicht so viel anzufangen. Doch mit Fougère Bengale glaube ich jetzt zu wissen, was eine Tabaknote ausmacht. Hier erinnert sie mich an „Lux Filter“, die hat mein Vater immer geraucht. Ich habe mal gelesen, dass der Tabak dieser Zigarettensorte mit irgendwas parfümiert gewesen sein soll - würde ja passen! Jedenfalls rieche ich den Duft einer frisch geöffneten Schachtel Lux. Mit zunehmendem Duftverlauf - wenn sich die krautigen Noten etwas legen - bestimmt die Tabaknote zunehmend den Duftcharakter von Fougère Bengale.

Und noch etwas ist in Fougère Bengale: in den ersten Minuten prägt sich die Frische in einer Weise aus, die an gechlortes Wasser erinnert. Ich schiebe das mal auf einen Effekt des Lavendels. Also kommen auch noch Schwimmbad-Freunde auf ihre Kosten.

Fougère Bengale ist ein furchtbares Durcheinander, welches doch gut zusammengeht. Trotzdem benötigt man für das hervorragend gemachte Fougère Bengale eine gewisse Aufgeschlossenheit. Es ist ein wirklicher Nischenduft, angesiedelt im experimentellen Randbereich. Ich denke, dass Fougère Bengale eine kleine Fan-Gemeinde begeistern kann. Ich persönlich freue mich über diese außergewöhnliche Erfahrung, doch ich werde ihn mir nicht anschaffen. Bei Orient und Okzident bin ich bis jetzt für Entweder-Oder!
1 Antwort
CouchlockCouchlock vor 10 Jahren
der erste satz des letzten absatzes trifft den nagel auf den kopf! geordnetes chaos, irgendwie dann doch rund. soooo nischig finde ich den gar nicht.