Black Collection

Vanille de Tahiti 2020 Eau de Parfum

Zielperson
16.03.2022 - 10:01 Uhr
24
Top Rezension
7
Preis
6
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft

Reine Nervensache

Ein wenig besorgt war ich schon, als ich Vanille de Tahiti online in den Warenkorb legte.

Gesucht und gefunden hatte ich eigentlich Ylang Ylang Nosy Be. Die Probe neulich, welche einer Lieferung beilag, war wirklich überzeugend. Mehr kannte ich vom Label Perris Monte Carlo nicht. Ganz nebenläufig schweifte mein Blick im Shop über den Vanille de Tahiti. Hoppla, einen natürlichen Vanilleduft, der nicht gourmandig/pralinig ist, suche ich schon länger. Den könnte ich natürlich gleich mitbestellen. Ein Pröbchen wäre jetzt schön. Alles schon wieder schwierig so aus dem Bauch heraus. Was sagt denn Parfumo? Vergleichsweise wenig erst einmal. Heilige Mutter Gottes, was ist denn das?? Das blanke Entsetzen erfasste mich: die höchstbewertete Rezension schildert sehr, sehr aufwühlende Dinge. Neuere Bewertungen eher gegenteilig. Und die Statements versetzen mich gedanklich zum Großteil leider auch genau dorthin, wo ich gerade nicht sein will. Nämlich aufs Land mit Getier und Gestank und anderer Dünge - Assoziationen mehr. Nee Freunde, ich bleibe duftig, ich bleib‘ beim Nosy Be. Das ist das Vernünftigste.

Der schlanke schwarz goldene Flakon kommt in einer Pappschachtel, die nicht in Folie eingeschweißt ist. Stattdessen sind beide Laschen mit einem manipulationssicheren Security Seal versehen, welches unmöglich im Ganzen abzieh- und somit auch nicht unauffällig wiederaufklebbar ist. Ich hebe den goldigen Deckel ab und gebe 2 Sprüher auf meinen Handrücken. Den ausgestreckten Arm halte ich gegen das Licht. Die Haut an der Sprühstelle sieht aus, als wäre sie großzügig mit Babyöl eingerieben worden. Seidenmatter Glanz. Ich nähere die Hand der Nase an: oh, eine Art Gewürzblüher mit Vanille. Jetzt kein Blütenbouquet, wie man es sich von Veilchen, Flieder, Fresie usw. vorstellt. Es ist eine Blütenart mit Würze, wie man sie bei Kleeblüten oder Löwenzahn oder Gänseblümchen findet. Man kennt diese Art Pflanzenwürze auch von Orchideenblüten oder (ganz extrem) bei Rapsblüten. Es ist hier eine Magnolienart sowie Ylang Ylang. Und das passt toll zu der von Hause aus fein süßlichen Vanille, weil es sie wunderbar kontrastiert und die Aufmerksamkeit auch auf einen Gegenpol zieht.
Nach etwa zwei Stunden beginnt die Tahiti-Vanille dann ihre volle Kraft zu entfalten. Das Blütige ist gegangen. Nun steht sie allein im Mittelpunkt: facettenreich, feingliedrig, nicht holzig, eher pudrig als blumig, dicht - aber nicht erdrückend, absolut unisex. Und sehr natürlich. Im Drydown nimmt der Duft dann nochmals eine kleine Wendung. Es gesellt sich ein trockenes Sandelholz zur bezaubernden Vanille. Das edle Holz weckt Assoziationen an ein in der Wüstensonne völlig durchgetrocknetes Material, dessen Essenz schließlich, jetzt durch nichts mehr verwässert, gewonnen werden konnte. Der Amber wiederbelebt das Holz dann mit seiner herrlichen Cremigkeit. Dieses Vanille-Holz-Amber-Dreigestirn zum Ende hin ist perfekt ausbalanciert und ein einziges Gedicht. Alle Zutaten sind offensichtlich ausgesprochen hochwertig. Einen Moschus nehme ich bewußt nicht wahr. Nach circa 7 Stunden müsste man schließlich nachsprühen.

Entgegen jeder Vernunft habe ich den Vanille de Tahiti also doch gekauft. Ein bisschen Angst hatte ich schon, dass das Dufthaus Perris eventuell eher für Exzentriker produziert. Na bei den Bewertungen? Wer will denn bitte, wenn er sich mit Wohlgerüchen befasst, olfaktorisch ans andere Ende der Fahnenstange katapultiert werden? Ich bitte nicht. Ein Duft darf niemals etwas mit Zersetzung oder Ab-/Umbauprozessen zu tun haben. Das gehört alles ins Klärwerk und nicht auf Parfumo. Und wer würde so einen „Duft“ dann noch frech „Vanille de Tahiti“ nennen? Das passt alles nicht zusammen. Der Ylang Ylang Nosy Be zeigt mir eigentlich doch beispielhaft, wohin die Reise bei Perris geht. Vielleicht war die Charge derer, die ihr ehrliches Entsetzen hier bei Parfumo für die Nachwelt dokumentiert haben, verdorben? Oder ein Rohstoff verunreinigt? Das hätte doch die Qualitätskontrolle bei Perris bemerkt. Alles sehr gruselig.

Den Duft habe ich blind gekauft, weil ich zu dem Schluss gekommen bin, dass es sich hier um ein ganz plakatives Beispiel von unterschiedlicher Geruchsverarbeitung im Nervensystem handeln muss. Welche Bewertung hat denn nun Recht? Welche genau ist denn die Richtige? Alle! Dass die Geschmäcker auseinandergehen ist hier auf Parfumo eine alter Hut. So extrem allerdings habe ich das noch nie mitbekommen. Natürlich war dieser Blindkauf unvernünftig. Ohne Probe konnte ich nur raten, wo ich selbst stehe. Genau genommen konnte ich gar nichts sagen. Nur hoffen. Man hat für das, was einem die Natur in die Wiege legt, ja leider solange keine Klarheit, bis man sich traut, es auszutesten. Da kann man niemand anderes vorschicken. In diesem Erkenntnisprozess ist man genauso alleine wie die Vanille im Mittelteil von „Vanille de Tahiti“. Die einzige Grenze dieses sich an die eigene Konfiguration heran Tastens ist, wenn andere dadurch Schaden nehmen und sich nicht schützen könnten. Bei Rückmeldungen dieser Art hat das Selbstverwirklichen unverzüglich zu stoppen. Dann ist sofort Schluss mit frei ausleben. Dann hat man zu verzichten, auch wenn es schwer fällt, und muss eben mit sich selbst in einer Art Unschärfe weitermachen. Oder man entdeckt alternative Wege. Diese Schranken waren auf meinem Weg zum Vanilleduft allerdings nicht zu beachten. Der einzig denkbar Geschädigte wäre ich selbst gewesen, indem ich ordentlich Lehrgeld gezahlt hätte. Nun freue ich mich aber doppelt: wir sind hier viele, aber gleichzeitig sind alle so sehr eins und gleichzeitig auch wieder so offensichtlich verschieden. Parfumo ist eine große Hilfe beim Sammeln erster Eindrücke auf unbekanntem Duftterrain. Den Schritt in die Realität, sei es über eine Parfümerie, Abfüllung oder über einen Blindkauf, macht jeder selbst. Muss jeder von uns mit all dem nötigen Mut selbst machen. Und berichtet dann, wenn es die Zeit hoffentlich erlaubt, allen anderen aus seiner Duftwelt. Und ich lausche gerne all den Damen und Herren Königen, wie sie hier in Bewertungen, Statements und Rezensionen ihre Welt beschreiben. Und ich erinnere mich, dass ich genauso König bin.
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