Patchouly 2004

Jägerin
03.02.2017 - 09:39 Uhr
15
Top Rezension
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Mein Blindtest und der Tanz auf glühendem Asphalt im Sommerregen

Geht es noch besser als Urlaub zu haben, ein Glas Wein zu genießen und eine Blindtestprobe voller Spannung zu testen? Ja, es geht besser: Wenn die Probe dein Duftherz schneller schlagen lässt und du dir nicht mehr sicher bist, ob dich der Alkohol wärmt oder das Parfüm auf deiner Haut. Dies sind also meine Eindrücke über Patchouly, als ich noch keinen blassen Schimmer hatte, welchen Duft ich gerade schnuppere. An dieser Stelle danke ich Arran für das tolle Blindtestpaket!

Ich saß also auf meinem Sofa und freute mich über das kommende Dufterlebnis. Neben der Vorfreude schwang auch ein wenig Angst mit, da es auch genug Stinker gibt, die ich sofort abwaschen mag. Ein Glück, dass es dieses Mal nicht der Fall war. Es legte sich ein leicht öliger Film über mein Handgelenk, ich ahnte, dass es sich hierbei wohl um ein Parfüm von höherer Qualität handeln muss. Das freute mich als Nischenfan gleich doppelt. Diesen öligen Film empfand ich als leicht unangenehm, da ich nun Sorge um meine Kleidung hatte.

Viel Zeit zum Grübeln über die Konsistenz hatte ich allerdings nicht. Rauschte doch die erste Duftwolke um meine Nase. Patchouli! Volle Kanne! Volles Rohr! Anders als erwartet, erinnerte es mich nicht an muffige Esoterikläden und Gothics aus meiner Jugend. Dieses Düftchen war anders.

In meinen Gedanken stand ich plötzlich mitten in einer Großstadt zwischen großen Einkaufsläden und lärmenden Fußgängerzonen. Es ist ein heißer Sommertag, die Sonne prallt auf den Asphalt und bringt ihn zum Glühen. Die Menschen sind durstig und ich höre das Surren der Autos, das Schnattern der Menschen und plötzlich überkommt uns ein Regenschauer. Alle Menschen setzen sich zügig in Bewegung und suchen das Weite, sie verschwinden unter Schirmen und in den Läden. Ich bleibe stehen und beobachte den aufsteigenden Dampf, welcher durch den Regen auf dem heißen Asphalt einen Nebel über den Boden hinterlässt. Ich inhaliere diesen Dampf. Ich genieße die Regentropfen auf meiner Haut und fühle mich frei. An einigen Stellen im Asphalt sind Löcher, die durch den Regen aufquolleen und ich nehme die wohlig riechende Erde wahr. Nun drehe ich mich auf der Stelle im Kreis, ein Regenfreudentanz, während ich weiter den Duft nach Regen auf heißem Asphalt einatmen. Bei meinen Umdrehungen sehe ich eine kleine Eisdiele hinter mir. Ich kaufe mir ein Schokoladeneis und spazieren in der ruhig gewordenen Fußgängerzone durch den Regen und erfreue mich am Leben.

Ich bin keine große Patchouliliebhaberin, aber was Patchouly mir macht ist einzigartig. Noch nie hat ein Parfüm solche Bilder in mir ausgelöst. Dieser Duft riecht für mich tatsächlich nach Sommerregen auf heißem Asphalt mit authentischer Erde und süßem Amber. Ich bekomme bei dem Duft enorme Lust auf Sommer und Regen. Dabei weiß ich gar nicht, ob ich diesen Duft im Sommer tragen würde, ist es doch gleichzeitig auch ein Kuschelduft, der sich ölig um dich legt und nicht mehr loslässt.

Meine Lehre ist, dass Patchouli nicht gruftig riechen oder Esoterikläden vorbehalten sein muss. Patchouli kann auch junge Großstädter_innen in den Bann ziehen und wilde Bilder auslösen. Sommerregenanbeter_innen und jene, die es werden wollen: schmiert euch mit Patchouly ein!
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