30.06.2021 - 06:17 Uhr
Intersport
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Œil, Œillères
Autorenparfumerie als Subjekt fuer olfaktorische Amateurforensik. Ist dieses, wie im Falle des trotz fast 20 jährigen Bestehen, ein so kompaktes, überschaubares und zumal auch gefächertes Werk wie das von Marc Antoine Corticchiato, um so besser. Der Parfumeur, der sich bis dato sympathisch gezügelt hielt, was Anzahl von Veröffentlichungen belangt (viele hauen in einem Jahr soviel raus wie er binnen einem Jahrzehnt), eignet sich schon daher bestens fuer solches Mutmassen.
Spuren, Fährten, prozessuales Denken, zumindest spekulativ aufgreifen. Das sichtbar bzw. spürbar werden dieser Prozess, Verbindungen von einem zum nächsten oder auch zeitlich wieder mal in entgegengesetzte Richtung. Um beim sprichwörtlichen Autor dieser Parfumerie zu bleiben, auch Handschriften und Codes entziffern. Hausintern, bei Parfum d'Empire führte einst die Zitrus-Chypre Basis von Tokio nach Azemour, eine Spirituosen Note verbindet aktuellere Veröffentlichungen, und auch Œillères, von Corticchiato fuer den Fotografen Roberto Greco entwickelt (der schon öfters Parfumflakons fuer Hochglanzmagazine und Webseiten in Szene gesetzt hat), eröffnet einen Reigen interner und weitläufigeren Referenzen.
Œillères, kann als Weiterentwicklung der Heu Note die bereits fuer Tabac Tabou (2015) zentral war herhalten. Die Narzissen sind nun gänzlich verblüht, die Immortellen und Tabakblaetterkruemel vor lauter Hitze pulverisiert, der Honig - den ich durchaus als Verfeinerung der Nektarbasis aus Désarmant (2013) sehe - ist in ein kristallines Etwas reduziert. Dieser Verfall oder besser Kompostierung, und um Vergängliches soll es trotz aller viriler Quirlligkeit in Details bei Œillères ja auch gehen, laesst dem Heu Absolute nun prominenten Platz, gerahmt in einer Menge Corticchiato'scher Zutaten: Kamille, Lavendel, Kreuzkümmel und vor allem Styrax sind präsent, teils auch diskret wahrnehmbar teils dann wieder geschickt verwoben. Kleine Pilze lassen nur kurz an Oriza's wahnsinniges Chypre Mousse denken - was im Geiste nicht zu weit weg ist. In diesem Kontext passend, Exotischeres wie Ginster, Kalk und Heliotropin steuern ihren Teil bei, und summieren sich in eine superbe Atmosphäre in der Hitze vergangener Tage, Wochen oder noch mehr wahrnehmbar wird.
Bei dieser vieldimensionalen Trocken- und Vertrocknetheit: Œillères ist mehr klassisches Parfum als es sich anfangs gibt, vor allem im drydown. Comme des Garçons wunderbar trocken-sperriges Tea (2000) aus der Leaves Reihe steht Œillères nahe. In einem Interview auf der französischen Nez Seite erwähnt Greco neben Deskriptoren-Konsens, auch Parfums die er während der Entwicklung zu Diskussion gestellt hat: Grey Flannel, Kouros, Cuir Mauresque, Knize 10: in Gänze macht das Sinn, und obwohl Œillères aufs Erste keines dieser ähnelt, hätte ich in so einem Kontext eher eine der italienischen Auftragsarbeiten Eduard Fléchier's vorgeschlagen. Nicht Etro's Gomma (1989), der wohl krautigsten, mediterransten und verspieltesten Interpretation der Knize Leder Note, sondern Vendetta pour Homme (1991), Fléchier's ausgeprägte Styrax / Benzoin Komposition fuer Valentino. Œillères' Styraxschwaden, trockenes Kreuzkümmel, Kräuter- und Gräsermeer sind nicht weit weg. Wie schon bei den Arbeiten fuer La Parfumerie Moderne, ist Œillères ein weiterer Kandidat von Corticchiato's parfum-lastigeren Projekten - das experimentellere Zeug erscheint z.Z. im Haus bei d'Empire. Und, um bei der olfaktorischen Forensik zu bleiben - die ausgeprägte Cumin/Benzoin Kombination wurde fast zeitgleich von Lutens/Sheldrake mit L'Innomnable (2019) weitergesponnen, wenngleich suesslich opulenter. Weniger arte povera. Die Frage bleibt fuer den Moment offen - gab es 2017/18 ein neues Cumin Destillat, oder ein Zufall, der, mit dem Koniferharzkonsens aus Wazamba und Fille en Anguilles 2009 schon mal getestet wurde?
Aller initialen Vehemenz zu Trotz, Œillères wird überraschend schnell leise und das bei geringerer Ausdauer als der Auftakt vermuten laesst. Auf Stoff (Wollpulli, 2 ply) lassen die Überreste am nächsten Tag eine fast schon holographisch anmutende Abstraktion der erwähnten Leder/Styrax Duefte früherer Tage entstehen, und könnte so auch fuer Derby Spieler, Bel Ami Cocktail Afficinados oder Cuir Ottoman/X Fetischisten passend sein. Und um abschliessend doch noch konkret zu werden, wie von Bloodxclat treffend vorgeschlagen, hervorranged bei hohen Temperaturen.
Spuren, Fährten, prozessuales Denken, zumindest spekulativ aufgreifen. Das sichtbar bzw. spürbar werden dieser Prozess, Verbindungen von einem zum nächsten oder auch zeitlich wieder mal in entgegengesetzte Richtung. Um beim sprichwörtlichen Autor dieser Parfumerie zu bleiben, auch Handschriften und Codes entziffern. Hausintern, bei Parfum d'Empire führte einst die Zitrus-Chypre Basis von Tokio nach Azemour, eine Spirituosen Note verbindet aktuellere Veröffentlichungen, und auch Œillères, von Corticchiato fuer den Fotografen Roberto Greco entwickelt (der schon öfters Parfumflakons fuer Hochglanzmagazine und Webseiten in Szene gesetzt hat), eröffnet einen Reigen interner und weitläufigeren Referenzen.
Œillères, kann als Weiterentwicklung der Heu Note die bereits fuer Tabac Tabou (2015) zentral war herhalten. Die Narzissen sind nun gänzlich verblüht, die Immortellen und Tabakblaetterkruemel vor lauter Hitze pulverisiert, der Honig - den ich durchaus als Verfeinerung der Nektarbasis aus Désarmant (2013) sehe - ist in ein kristallines Etwas reduziert. Dieser Verfall oder besser Kompostierung, und um Vergängliches soll es trotz aller viriler Quirlligkeit in Details bei Œillères ja auch gehen, laesst dem Heu Absolute nun prominenten Platz, gerahmt in einer Menge Corticchiato'scher Zutaten: Kamille, Lavendel, Kreuzkümmel und vor allem Styrax sind präsent, teils auch diskret wahrnehmbar teils dann wieder geschickt verwoben. Kleine Pilze lassen nur kurz an Oriza's wahnsinniges Chypre Mousse denken - was im Geiste nicht zu weit weg ist. In diesem Kontext passend, Exotischeres wie Ginster, Kalk und Heliotropin steuern ihren Teil bei, und summieren sich in eine superbe Atmosphäre in der Hitze vergangener Tage, Wochen oder noch mehr wahrnehmbar wird.
Bei dieser vieldimensionalen Trocken- und Vertrocknetheit: Œillères ist mehr klassisches Parfum als es sich anfangs gibt, vor allem im drydown. Comme des Garçons wunderbar trocken-sperriges Tea (2000) aus der Leaves Reihe steht Œillères nahe. In einem Interview auf der französischen Nez Seite erwähnt Greco neben Deskriptoren-Konsens, auch Parfums die er während der Entwicklung zu Diskussion gestellt hat: Grey Flannel, Kouros, Cuir Mauresque, Knize 10: in Gänze macht das Sinn, und obwohl Œillères aufs Erste keines dieser ähnelt, hätte ich in so einem Kontext eher eine der italienischen Auftragsarbeiten Eduard Fléchier's vorgeschlagen. Nicht Etro's Gomma (1989), der wohl krautigsten, mediterransten und verspieltesten Interpretation der Knize Leder Note, sondern Vendetta pour Homme (1991), Fléchier's ausgeprägte Styrax / Benzoin Komposition fuer Valentino. Œillères' Styraxschwaden, trockenes Kreuzkümmel, Kräuter- und Gräsermeer sind nicht weit weg. Wie schon bei den Arbeiten fuer La Parfumerie Moderne, ist Œillères ein weiterer Kandidat von Corticchiato's parfum-lastigeren Projekten - das experimentellere Zeug erscheint z.Z. im Haus bei d'Empire. Und, um bei der olfaktorischen Forensik zu bleiben - die ausgeprägte Cumin/Benzoin Kombination wurde fast zeitgleich von Lutens/Sheldrake mit L'Innomnable (2019) weitergesponnen, wenngleich suesslich opulenter. Weniger arte povera. Die Frage bleibt fuer den Moment offen - gab es 2017/18 ein neues Cumin Destillat, oder ein Zufall, der, mit dem Koniferharzkonsens aus Wazamba und Fille en Anguilles 2009 schon mal getestet wurde?
Aller initialen Vehemenz zu Trotz, Œillères wird überraschend schnell leise und das bei geringerer Ausdauer als der Auftakt vermuten laesst. Auf Stoff (Wollpulli, 2 ply) lassen die Überreste am nächsten Tag eine fast schon holographisch anmutende Abstraktion der erwähnten Leder/Styrax Duefte früherer Tage entstehen, und könnte so auch fuer Derby Spieler, Bel Ami Cocktail Afficinados oder Cuir Ottoman/X Fetischisten passend sein. Und um abschliessend doch noch konkret zu werden, wie von Bloodxclat treffend vorgeschlagen, hervorranged bei hohen Temperaturen.
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